E-Zigaretten: Immer mehr Menschen steigen um auf die elektronische Variante
Was darf's sein? Honigmelone, Erdbeer-Menthol oder Kiwi-Apfel-Birne? Die Palette der sogenannten "Liquids", spezieller Flüssigkeiten für die E-Zigarette, ist lang. Mittlerweile versuchen immer mehr Menschen, mithilfe der elektronischen Variante vom Rauchen loszukommen.
Von Alexandra Welsch
Mitarbeiterin Lokalredaktion Darmstadt
Im Doobacco-Laden an der Heidelberger Straße gibt es alles rund um das Dampfen von E-Zigaretten. Foto: Guido Schiek
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DARMSTADT - Was darf's sein? Honigmelone, Erdbeer-Menthol oder Kiwi-Apfel-Birne? Interessiert blättert Janine Müller durch die Aromenliste. Eben hat sie Vanille probiert. Fazit: "Das geht gar nicht." Also liest sich die Kundin weiter durch die Palette der 115 Liquids genannten Flüssigkeiten. "'Sex on the Beach' klingt auch gut", stellt sie angetan fest. Soll nach Pfirsich-Orange schmecken.
Die 46 Jahre alte Darmstädterin befindet sich in dem Moment nicht etwa in einem Teeladen oder in einer Cocktailbar: Nein, sie steht an der Theke eines Fachgeschäfts für elektronische Zigaretten in der Heidelberger Straße und lässt sich beraten. Nach 33 Jahren Rauchen will sie endgültig von den ungesunden Glimmstängeln loskommen, und eine Freundin hat das mit Hilfe von E-Zigaretten geschafft. Das hofft sie nun auch für sich: "Ich will wirklich dahin, dass ich wieder aufhöre."
Damit ist Janine Müller ein typisches Beispiel für eine neue Konsumentin in einem wachsenden Markt. "90 Prozent der Kunden kommen, weil sie vom Rauchen wegkommen wollen", erzählt Soziologiestudentin Laura Evers, die hier stundenweise arbeitet und selbst vor Jahren auf die elektronische Variante des Qualmens umgestiegen ist. Dabei spricht man von Dampfen statt Rauchen, da die Liquids und das Nikotin darin nicht wie bei einer herkömmlichen Zigarette verbrennen, sondern mittels elektrisch erzeugter Hitze an einem Draht verdampfen.
WEITERE INFORMATIONEN
Die E-Zigarette wurde 1963 entwickelt von Herbert A. Gilbert und erstmals 2003 in China durch Hon Lik produziert und verkauft. Der Umsatz steigt laut dem Verband der deutschen E-Zigaretten-Hersteller von fünf Millionen im Jahr 2010 auf 375 bis 400 Millionen Euro voriges Jahr. Laut Drogenbericht des Gesundheitsministeriums haben im Jahr 2015 knapp sechs Prozent der Bevölkerung ab 16 Jahren E-Zigaretten konsumiert oder ausprobiert. Fast 14 Prozent der Raucher haben bereits E-Zigaretten ausprobiert, doch bleibt nur ein Prozent dauerhaft dabei.
Dass E-Zigaretten weniger gesundheitsschädlich als Tabak-Zigaretten sind, darüber besteht in der Wissenschaft Konsens. Doch mangelt es an langfristigen Studien zu einer möglichen Gesundheitsgefährdung. Im Mai 2016 trat eine neue EU-Richtlinie in Kraft, die erstmals Qualitäts- und Sicherheitsanforderungen an E-Zigaretten stellt: So wurden Nikotinhöchstgehalte festgelegt oder eine Deklarationspflicht für Inhaltsstoffe.
Was das Dampfen in der Öffentlichkeit angeht, ist die Gesetzeslage uneinheitlich. Durch das Nichtraucherschutzgesetz ist der Gebrauch von E-Zigaretten nicht geregelt und muss privatrechtlich eingeschränkt werden. So untersagt die Deutsche Bahn das Dampfen in Zügen und Bahnhöfen außer im Raucherbereich. Bei Gaststätten gehen die Bundesländer unterschiedlich mit E-Zigaretten um: Während Bayern sie zulässt, sind sie in Hessen nur in ausgewiesenen Raucherräumen erlaubt. In städtischen Gebäuden fallen sie laut Pressestelle unter das Rauchverbot. Und für Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren sind sie ohnehin tabu. (alex)
"Das ist viel gesünder als eine normale Zigarette", betont Thomas Senft, der als nächster Kunde den Laden betritt. Nach 30 Jahren als Raucher hat der Vierundfünfzigjährige vor einem Jahr den Umstieg geschafft und sich mittlerweile auf ein Liquid mit null Nikotin herunterdosiert. "Um mit dem Rauchen aufzuhören und als Ersatzgenuss ist es eine interessante Sache." In dem Bäckergroßbetrieb, in dem er arbeitet, seien bestimmt siebzig Prozent umgestiegen. "Und man merkt's auch am Geldbeutel." Ihn koste das vielleicht ein Viertel dessen, was er fürs Rauchen ausgab.
Dass Dampfen weniger schädlich ist als Rauchen, gilt als wissenschaftlich belegt. Aber: "Gesundheitsfördernd ist es nicht", unterstreicht Levan Lomidze, einer der beiden Geschäftsführer des vor zwei Jahren eröffneten Ladens. "Ich würde nie jemand empfehlen, damit anzufangen, wenn er nicht schon raucht." Aber eine gute Alternative ist es längst auch für ihn. Dabei wachse die Dampfercommunity, man tauscht sich über Internetplattformen aus oder informiert sich aus Fachmagazinen. Und auch die Anbieter nähmen zu, gerade seien in ihrer Nähe zwei hinzugekommen.
Martina Heinz füllt die Regale auf. In ihrem Laden für Raucherbedarf am Rande des Martinsviertels sind die neuen Liquids eingetroffen, die die neuerdings vorgeschriebenen Hinweise über Nikotingehalt, Zusammensetzung oder Gesundheitsgefahren enthalten. Seit 2013 verkauft sie E-Zigaretten und spricht von einem "Hype", der mittlerweile eingesetzt habe. "Anfangs kam alle paar Wochen mal ein Kunde, jetzt verkaufe ich sechs bis zehn Startersets die Woche", erzählt die Händlerin, die längst auch von der Raucherin zur Null-Nikotin-Dampferin geworden ist. "Ich bin Mama geworden", nennt sie den Hauptgrund. "Und die Bude und Klamotten stinken auch nicht mehr."
Das Argument fällt auch am anderen Ende der Innenstadt in dem Dampfer-Fachhandel. "Es ist weniger belästigend, wenn man nicht gerade direkt daneben steht, weil das Aroma schnell verfliegt", findet Levan Lomidze. Daher qualmt der Soziologiestudent auch in der Uni. Klar geregelt sei die Frage des Drinnen-Dampfens in der Öffentlichkeit noch nicht. "In Hessen ist es überwiegend nicht erlaubt", sagt er. Aber in Baden-Württemberg beispielsweise könne oft gedampft werden, wo nicht geraucht werden dürfe.
Janina Müller will das so handhaben, wie sie das mit dem Rauchen auch gemacht hat: Drinnen wird nicht gequalmt. Mit einem Einsteigergerät zieht die Darmstädterin schließlich von dannen, ansonsten fiel ihre Wahl fürs erste auf die Kategorie mittlerer Nikotingehalt. Und das Aroma? "Honigmelone", sagt sie. "Und Tabak-Honig." Soll ja auch noch ein bisschen vertraut schmecken.