Digitalstadt: Funknetz für Messdaten

aus Digitalstadt Darmstadt

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Über ein Niedrigenergienetz kann die Stadt künftig viele Daten verarbeiten, die auch den Verkehrsfluss verbessern können. Foto/Grafik: André Hirtz / Marcel Behnke

Ein Kernprojekt der Digitalstadt soll in Darmstadt der Aufbau eines Niedrigenergienetzes namens Lorawan sein. Denn für bestimmte Anwendungen ist es dem Mobilfunknetz...

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DARMSTADT. Rund 30 Projekte will die neue Digitalstadt GmbH umsetzen. Vor einem Jahr holte Darmstadt den Titel Digitalstadt, ein Wettbewerb, den der Branchenverband Bitkom ausgelobt hat. Fünf Millionen Euro kommen vom Land Hessen, um die Stadt Darmstadt zu unterstützen ein Leuchtturm der Digitalisierung zu werden. Prominente Unternehmen wie Telekom, Vodafone, SAP und die Software AG haben Dienstleistungen von 10 bis 20 Millionen Euro zugesagt.

Ein Kernprojekt der Digitalstadt soll laut José David da Torre Suárez, einer von drei Geschäftsführern, der Aufbau eines Niedrigenergienetzes - Lorawan - sein. Denn für bestimmte Anwendungen ist dieses Niedrigenergienetz dem Mobilfunknetz überlegen: Es braucht viel weniger Energie, es hat eine hohe Reichweite (von Darmstadt bis zum Großen Feldberg), es durchdringt selbst dicke Wände und sendet auch in die Tiefe. Da das Netz einen offenen Standard hat, muss die Stadt auch keine Lizenzgebühren bezahlen. Für dieses Netz hat das Team der Digitalstadt GmbH bereits zahlreiche Anwendungsmöglichkeiten gefunden, die zum Teil sogar schon im Betrieb sind.

Da über Lorawan nur kleine Datenmengen, also keine Bilder oder Audiodateien, gesendet werden können, bietet sich das Netz vor allem für Messdaten an. So könnte die Entega-Tochter Count & Care, die das Lorawan mitentwickelt, Wasserzähler künftig automatisch auslesen, ohne jedes Haus betreten zu müssen. "Das ist kein Projekt, um Arbeitsplätze abzubauen", versichert da Torre. Die Mitarbeiter, die zum Ablesen kommen, könne man stattdessen aber für andere Tätigkeiten einsetzen. Auch für den Endverbraucher können diese smarten Wasserzähler interessant sein, beispielsweise ließe sich über eine App schnell ein Wasserrohrbruch erkennen, wenn der Verbrauch plötzlich ansteigt.

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Der städtische Eigenbetrieb EAD will Sensoren in den Kanälen installieren und kann so viele Kanalbegehungen einsparen. Weil das Lorawan-Netz so wenig Energie verbraucht, würde die Batterie in einem Sensor acht Jahre halten. "Der Wartungsaufwand ist also sehr gering", berichtet Digitalstadt-Geschäftsführer da Torre. Im Vivarium sind bereits Sensoren im Einsatz (Smart Zoo), die die Temperatur im Gehege, die Luftfeuchtigkeit und die Helligkeit messen. Die Daten werden in eine App überspielt. Die Tierpfleger, die bisher alle zwei Stunden die Gehege überprüfen mussten, haben nun Zeit für andere Aufgaben.

Denkbar sind auch Sensoren an den Futtertöpfen, um zu erfahren, wann die Näpfe leer sind. Weitere Anwendungsbeispiele sind Sensoren, die die Füllstände von Großcontainern messen, sodass dann geleert wird, wenn der Abfallbehälter voll ist.

Das Lorawan-Netz eignet sich darüber hinaus für das sogenannte Tracking, das einem beim Auffinden von Fahrzeugen oder Geräten helfen kann. So gebe es derzeit einen Modellversuch auf dem riesigen Gelände von Merck. Die Anhänger der Gabelstapler erhalten Sender, sodass man sie immer schnell wiederfinden kann. Das Gleiche soll auch mit Dienstfahrrädern passieren. Und das wäre auch eine Anwendung für Privatnutzer, um das eigene Fahrrad wiederzufinden, wenn es mal "verschwinden" sollte. Oder auch für die Halter von Hund und Katze wäre das eine perspektivische Option, das streunende Haustier ausfindig zu machen. 25 Sender, die aussehen wie ein armdickes Stahlrohr, sind bereits auf Darmstädter Dächern installiert. Auf die Frage, ob die weiteren Funkwellen schädlich sind, nennt da Torre, einen weiteren positiven Aspekt. Die Geräte könnten zunehmend das WLAN ablösen, das eine höhere Strahlenbelastung als Lorawan mit sich bringe.

Sensoren sind auch für Umweltdaten geplant, die in die Verkehrssteuerung einfließen können. Außerdem setzt die Telekom das Projekt Smart Parking bis Ende des Jahres in Darmstadt um. Freie Parkplätze im öffentlichen Raum werden über Sensoren an eine App übermittelt, sodass Autofahrer gezielt zu freien Parkplätzen und auch Parkhäusern gelotst werden können.

Für die Feuerwehr sind zwei digitale Anwendungen kurz vor der Umsetzung, die erst mal nichts mit Lorawan zu tun haben. Zum einen sollen die Feuerwehrleute künftig mit einer Bodycam, einer Kamera am Körper, ausgestattet werden. Die Bilddaten werden in die Leitstelle übertragen, sodass man von außen noch besser während der Einsätze reagieren kann. Zum anderen will die Feuerwehr künftig Drohnen einsetzen, die helfen sollen, Gefahrensituationen aus der Luft einzuschätzen. Aber auch bei der Suche nach vermissten Personen könnten die Drohnen per Wärmebildkamera eine große Hilfe sein.

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Unter dem Titel "Watch my City" (watch-my-city.de) präsentieren sich bereits die ersten Darmstädter Einzelhändler. Als Kunde erhält man einen 360 Grad-Blick in das Ladengeschäft. Der virtuelle Rundgang soll der Konkurrenz des Online-Handels etwas entgegensetzen. Und wie berichtet, führt die Stadt ein Bürgerservice-Konto ein, damit Serviceleistungen der Stadt wie das Anwohnerparken oder Personenstandsurkunden künftig online beantragt werden können. "Unter vollem Schutz der persönlichen Daten", verspricht Oberbürgermeister Jochen Partsch.

Von Patrick Körber