Samstag,
21.11.2020 - 06:00
4 min
Die bittere Wahrheit sagen

Von Stefan Schröder
Chefredakteur VRM

Das Echo war für Darmstädter eng mit der Holzhofallee verbunden. (Fotos: VRM)
Darmstadt - Die Amerikaner brachten bei Kriegsende nicht nur Coca-Cola und Kaugummi nach Europa. Ihnen haben die deutschen Zeitungsleser auch einen ganz besonderen – den angelsächsischen – Stil zu verdanken. Beim Einmarsch der US Army im Frühjahr 1945 hatten die meisten Zeitungen zwischen Wiesbaden, Darmstadt und Kassel ihr Erscheinen bereits eingestellt. Aus gutem Grund. Für die Nationalsozialisten war der Einfluss auf die Zeitungen wesentlicher Bestandteil der Massenmanipulation. „Der Presseeinfluss auf die Masse ist der weitaus stärkste und eindringlichste, da er nicht vorübergehend, sondern fortgesetzt zur Anwendung kommt“, hatte Hitler in „Mein Kampf“ formuliert.
Sein Propagandaminister Joseph Goebbels hatte mit der Gründung des Reichsministeriums für Volksaufklärung und Propaganda direkt nach der Machtergreifung 1933 die Gleichschaltung der Medien in Deutschland eingeleitet. Seit 1943 gab es keine einzige Zeitung mehr, die auch nur annähernd unabhängig berichtete. Für die amerikanischen Presseoffiziere lautete daher der Auftrag: Nazi-Verlage schließen, demokratische Verleger und Journalisten finden und neue Zeitungen gründen. Seit dem späten Frühjahr 1945 grasten die Amerikaner mit teils erstaunlich gut geführten Listen über verlässliche Leute die Städte ihrer Besatzungszone ab – auf der Suche nach Widerstandskämpfern, Nazi-Opfern und verlässlichen Demokraten. Der Aufbau eines unabhängigen Pressewesens war Teil der Reeducation.
Sein Propagandaminister Joseph Goebbels hatte mit der Gründung des Reichsministeriums für Volksaufklärung und Propaganda direkt nach der Machtergreifung 1933 die Gleichschaltung der Medien in Deutschland eingeleitet. Seit 1943 gab es keine einzige Zeitung mehr, die auch nur annähernd unabhängig berichtete. Für die amerikanischen Presseoffiziere lautete daher der Auftrag: Nazi-Verlage schließen, demokratische Verleger und Journalisten finden und neue Zeitungen gründen. Seit dem späten Frühjahr 1945 grasten die Amerikaner mit teils erstaunlich gut geführten Listen über verlässliche Leute die Städte ihrer Besatzungszone ab – auf der Suche nach Widerstandskämpfern, Nazi-Opfern und verlässlichen Demokraten. Der Aufbau eines unabhängigen Pressewesens war Teil der Reeducation.
Instrument der Presse für Militärregierung wichtig
Ziel war, das alte System der Parteipresse zu verhindern, das in der Weimarer Republik zur Blockbildung und Polarisierung beigetragen hatte. Die Besatzer achteten peinlich genau darauf, wie sich die Zeitungslandschaft neu zusammensetzte. Ohne Lizenz der Amerikaner konnte bis zur Gründung der Bundesrepublik 1949 kein Deutscher eine Zeitung gründen. Die Pioniere bildeten oft Koalitionen, die nur die NS-Gegnerschaft einte. Dass der Militärregierung das Instrument der Presse wichtig gewesen sein muss, zeigt die Geschwindigkeit, mit der die Lizenzen ausgegeben wurden. Zwischen Sommer und Herbst 1948 erhielten 58 Zeitungen in der US-Besatzungszone (bestehend aus den heutigen Ländern Hessen, Bayern, Baden-Württemberg) die Erlaubnis zum Druck.
Wie fragil die Zusammensetzung der Gründungsmannschaften – in der Urkunde als Zulassungsinhaber bezeichnet – war, zeigte sich sogleich bei der Frankfurter Rundschau, die am 1. August 1945 als erste im späteren Hessen an den Start ging. Wenig später schon schied der Journalist Paul Rodemann im Streit aus dem Gründerteam aus. Ihm boten die Amerikaner zum Ausgleich an, gemeinsam mit dem Schriftsteller Johann Sebastian Dang die Lizenz für eine Zeitung in Darmstadt zu übernehmen – die Geburtsstunde des Darmstädter Echo.
Eine Schlüsselrolle bei der Konzeption eines demokratischen Hessen spielte James R. Newman. Als der promovierte Pädagoge aus Kentucky 1952 in die Staaten zurückkehrte, genoss er bei den Deutschen Kultstatus. Im Rang eines Colonel (Oberst) gehörte der 43 Jahre alte Amerikaner zum United States -Forces in the European Theatre (USFET), der Organisation, die im zerstörten Deutschland Verwaltungs- und Versorgungsfragen beantworten sollte. Im Juni 1945 sortierten die Alliierten ihre Besatzungszonen neu. Die Amerikaner zogen aus Sachsen und Thüringen ab, erhielten im Gegenzug ihren Zipfel von West-Berlin, auf dem westlichen Rheinufer machten sie den Franzosen Platz. Die Militärregierung zog daher unter Leitung Newmans am 10. Juli von Neustadt in der Pfalz nach Wiesbaden, das noch relativ viele unzerstörte ¬Gebäude für die Beherbergung der Army bot.
Wie fragil die Zusammensetzung der Gründungsmannschaften – in der Urkunde als Zulassungsinhaber bezeichnet – war, zeigte sich sogleich bei der Frankfurter Rundschau, die am 1. August 1945 als erste im späteren Hessen an den Start ging. Wenig später schon schied der Journalist Paul Rodemann im Streit aus dem Gründerteam aus. Ihm boten die Amerikaner zum Ausgleich an, gemeinsam mit dem Schriftsteller Johann Sebastian Dang die Lizenz für eine Zeitung in Darmstadt zu übernehmen – die Geburtsstunde des Darmstädter Echo.
Eine Schlüsselrolle bei der Konzeption eines demokratischen Hessen spielte James R. Newman. Als der promovierte Pädagoge aus Kentucky 1952 in die Staaten zurückkehrte, genoss er bei den Deutschen Kultstatus. Im Rang eines Colonel (Oberst) gehörte der 43 Jahre alte Amerikaner zum United States -Forces in the European Theatre (USFET), der Organisation, die im zerstörten Deutschland Verwaltungs- und Versorgungsfragen beantworten sollte. Im Juni 1945 sortierten die Alliierten ihre Besatzungszonen neu. Die Amerikaner zogen aus Sachsen und Thüringen ab, erhielten im Gegenzug ihren Zipfel von West-Berlin, auf dem westlichen Rheinufer machten sie den Franzosen Platz. Die Militärregierung zog daher unter Leitung Newmans am 10. Juli von Neustadt in der Pfalz nach Wiesbaden, das noch relativ viele unzerstörte ¬Gebäude für die Beherbergung der Army bot.
Kollektiven Erinnerungen bei Mainzer Nachbarn
Mit dem Neuzuschnitt der Zonen verlor Hessen-Darmstadt seine rheinhessischen Gebiete, die Region Hessen-Nassau musste auf den nassauischen Teil des Westerwaldes verzichten. Dass bei dieser Gelegenheit die rechtsrheinischen Mainzer Stadtteile Amöneburg, Kastel und Kostheim der Stadt Wiesbaden zugeschlagen wurden, nimmt sich in diesem Zusammenhang eher geringfügig aus, hat aber in der kollektiven Erinnerung der Mainzer Nachbarn tiefe Spuren hinterlassen.
Newman glich vollschlank mit Brille und Stirnglatze äußerlich nicht unbedingt einem Kampfkommandanten. Doch das gemütliche Äußere täuschte. Er baute sein Kommando von Wiesbaden so effizient und hartnäckig aus, dass der Oberkommandierende der US-Streitkräfte, General Dwight D. Eisenhower, am 19. September mit der Proklamation Nr. 2 entschied, aus den alten Regierungsbezirken Kassel, Darmstadt und Wiesbaden das Land Groß-Hessen entstehen zu lassen. Aus Newmans Kommando in Wiesbaden erwuchs die zuständige Militärregierung – unter anderem verantwortlich für Presseangelegenheiten.
Newman glich vollschlank mit Brille und Stirnglatze äußerlich nicht unbedingt einem Kampfkommandanten. Doch das gemütliche Äußere täuschte. Er baute sein Kommando von Wiesbaden so effizient und hartnäckig aus, dass der Oberkommandierende der US-Streitkräfte, General Dwight D. Eisenhower, am 19. September mit der Proklamation Nr. 2 entschied, aus den alten Regierungsbezirken Kassel, Darmstadt und Wiesbaden das Land Groß-Hessen entstehen zu lassen. Aus Newmans Kommando in Wiesbaden erwuchs die zuständige Militärregierung – unter anderem verantwortlich für Presseangelegenheiten.
Dem Wiesbadener Kurier blieb es vorbehalten, gleich in der ersten Nummer am
2. Oktober 1945 mit einer Exklusivnachricht aufzuwarten: Wiesbaden, so hieß es, werde Hauptstadt der neugeschaffenen Provinz Groß-Hessen. Am Tag zuvor waren gleich drei Colonels im Pressehaus an der Langgasse erschienen und hatten feierlich die Lizenz Nr. 18 an die Verleger Georg Alfred Mayer und Fritz Otto Ulm überreicht. In Darmstadt tauchte am 17. November eine Delegation der Amerikaner auf und drückte Rodemann und Dang die „License Nr. 35 W“ in die Hand. Das erste „Echo“ erschien am 21. November 1945.
Zum Geleit gab Newman den Jungverlegern in Hessen mit auf den Weg: „Die Zeitungs¬leute, die die jetzt freie deutsche Presse vertreten, haben die Aufgabe, die Wahrheit zu sagen, so bitter es für manche Deutsche sein mag. Die Zeitungen und das neugeschaffene Erziehungswesen müssen der deutschen Jugend helfen, solche Lehren vergessen zu
lernen, wie ‚Demokratie ist ein Zeichen von Schwäche‘…“ „Und die Jugend muß die
Lehre begreifen, daß es besser ist, in Frieden mit den Nachbarvölkern zu leben, als auf dem Schlachtfeld für einen fanatischen Führer zu sterben, dessen Kurzsichtigkeit Millionen junger Deutscher in den sicheren Tod führte.“
2. Oktober 1945 mit einer Exklusivnachricht aufzuwarten: Wiesbaden, so hieß es, werde Hauptstadt der neugeschaffenen Provinz Groß-Hessen. Am Tag zuvor waren gleich drei Colonels im Pressehaus an der Langgasse erschienen und hatten feierlich die Lizenz Nr. 18 an die Verleger Georg Alfred Mayer und Fritz Otto Ulm überreicht. In Darmstadt tauchte am 17. November eine Delegation der Amerikaner auf und drückte Rodemann und Dang die „License Nr. 35 W“ in die Hand. Das erste „Echo“ erschien am 21. November 1945.
Zum Geleit gab Newman den Jungverlegern in Hessen mit auf den Weg: „Die Zeitungs¬leute, die die jetzt freie deutsche Presse vertreten, haben die Aufgabe, die Wahrheit zu sagen, so bitter es für manche Deutsche sein mag. Die Zeitungen und das neugeschaffene Erziehungswesen müssen der deutschen Jugend helfen, solche Lehren vergessen zu
lernen, wie ‚Demokratie ist ein Zeichen von Schwäche‘…“ „Und die Jugend muß die
Lehre begreifen, daß es besser ist, in Frieden mit den Nachbarvölkern zu leben, als auf dem Schlachtfeld für einen fanatischen Führer zu sterben, dessen Kurzsichtigkeit Millionen junger Deutscher in den sicheren Tod führte.“