Die Schader-Stiftung hat die „Darmstädter Tage der Transformation“ ausgerufen. Gesucht werden Konzepte für die Stadt der Zukunft.
DARMSTADT. Was ein „Stummes Schreibgespräch“ ist, war am Dienstagabend bei der Schader-Stiftung zu erfahren. Ganz still ging es allerdings nicht zu, eher murmelnd bewegten sich die Gäste zwischen fünf Thementischen und hinterließen dort schriftlich ihre Gedanken. Etwa zum Wohnen: „Große Firmen und Universitäten ziehen Menschen an, sorgen aber für keinen Wohnraum“, hat jemand aufgeschrieben. Und ein anderer fügte hinzu: „Kein unbegrenztes Wachstum.“
Wie kann der Wandel zu mehr Nachhaltigkeit in einer Stadt wie Darmstadt gelingen? Dieser Frage widmeten sich mehr als hundert Experten und Interessierte der Stadtgesellschaft auf Einladung der Schader-Stiftung in Kooperation mit dem Darmstädter Öko-Institut. Der Fachdialog war Auftakt der viertägigen „Darmstädter Tage der Transformation“, mitveranstaltet vom Frankfurter Institut für sozial-ökologische Forschung, dem Institut für Politikwissenschaft der Technischen Universität Darmstadt und dem Wuppertal-Institut für Klima, Umwelt, Energie.
Chancen auf Wohlstand für alle Menschen
Dessen Präsident und wissenschaftlicher Geschäftsführer, Uwe Schneidewind, warf zum Einstieg einen neuen Begriff ein, mit dem die Veranstaltung auch überschrieben war: Zukunftskunst. „Wir brauchen einen anderen Zugang zu dieser Diskussion“, befand er. Es müsse weggehen vom Moralinsauren im Nachhaltigkeitsdiskurs, auch angesichts des „plötzlich massiven Umkippens in eine Stimmungsdemokratie“.
Fast schwärmerisch umriss der Wirtschaftswissenschaftler und Nachhaltigkeitsforscher die Chance auf ein würdevolles Leben, die sich für alle zehn Milliarden Menschen auf der Welt angesichts des technologischen und wirtschaftlichen Fortschritts erstmals ergäben. Die große Herausforderung dabei sei, das in eine ökonomische Logik zu übersetzen – im Hinblick auf Investoren und auch den Bürger. „Das ist sozusagen das Hauptkampffeld.“
Für die in seinen Worten „große Transformation“, die er auch in seinem Buch beschreibt, seien Wenden in etlichen Bereichen notwendig – von Ernährung über Energie bis zu Industrie. Die Frage sei: Was ist das Verständnis eines urbanen Wohlstands einer Stadt wie Darmstadt in der Zukunft? Und wer sind die Akteure in diesem Prozess?
Oberbürgermeister Jochen Partsch äußerte sich ambivalent. „Wir wollen an die Moderne positiv herangehen mit Robustheit und Resilienz“, befand er. Doch die Umsetzung gestalte sich schwierig. Beispiel: Verkehr. Da gebe es ein gutes Konzept für nachhaltige, urbane Mobilität des Städtetags. „Es ist allen völlig klar, dass wir uns vom Auto verabschieden müssen.“ Aber viele wollten darauf nicht verzichten.
Unbestritten sei auch, dass der öffentliche Nahverkehr ausgebaut werden muss. Doch werde das vom Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz gebremst. „Und selbst wenn man sich über einzelne Fragen prinzipiell einig ist, kann man sich über konkrete Projekte erbittert streiten“, befand Partsch und nannte da das Ausbauprojekt Lichtwiesenbahn. „Ich bin dafür; ich kenne aber viele kluge Leute, die das anders sehen.“
Von zwei Seiten zu betrachten sei auch der dynamische Wachstumsprozess einer Stadt wie Darmstadt. Der bringe auch Schattenseiten mit sich, etwa hohen Verkehrsdruck oder Wohnungsmangel. Und hier liege der Fokus – auch bei der aktuellen Veranstaltung – problematischerweise viel zu stark auf der Stadt. „Wir müssen die räumliche Dimension, die ländliche Region, hier viel stärker einbeziehen“, befand der OB.
„Inspirierend“ fand diese Worte Jana Kutschmann, beim anschließenden „Stummen Schreibgespräch“ anzutreffen am Thementisch „Mobilität“. „RMV-Ticket-App bezahlen nach Kilometern“ und das „Landesticket“ hat die Studentin des Risiko- und Nachhaltigkeitsmanagements an der Hochschule Darmstadt unter die Frage nach Erfolgen geschrieben. „Ich habe kein Auto“, nannte sie ein Beispiel, wie sie selbst zur Verkehrswende beiträgt. „Und ich habe mir zum Ziel gesetzt, nicht mehr zu fliegen.“