Viele der 184 Platanen auf der Darmstädter Mathildenhöhe gehen langsam ein. Grund ist ein extrem verdichteter Boden. Wie der 1830 angelegte Hain vor dem Hochzeitsturm gerettet werden kann, will die Stadt mit Hilfe zweier neuer Gutachten entscheiden. Mit der Sanierung sei jedoch nicht vor 2020 zu rechnen, hieß es.
Von Patrick Körber
Leiter Lokalredaktion Darmstadt und Südhessen
Der Platanenhain auf der Mathildenhöhe ist in Gefahr. Nun geht es darum, wie die Bäume erhalten werden können. Foto: Torsten Boor
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DARMSTADT - Mit fünf neu aufgestellten Pollern will die Stadt ab sofort verhindern, dass Autos unbefugt in den Platanenhain auf der Mathildenhöhe fahren. "Es ist unerfreulich, dass weiter Fahrzeuge eingefahren sind, obwohl der Zustand der Platanen bekannt war", zeigt sich Oberbürgermeister Jochen Partsch (Grüne) am Dienstag bei einem Ortstermin verärgert.
Zu retten sind die teils schwer geschädigten Platanen dadurch nicht. Mehr als die Hälfte der 184 Platanen sind derart in Mitleidenschaft gezogen, dass das beauftragte Büro für Landschaftsarchitektur Ehrig und Partner, zu dem Ergebnis kam, dass rund 100 Bäume gefällt werden müssten. Die Leiterin des Grünflächenamts, Doris Fath, spricht von 79 stark geschädigten Platanen. Grund ist der hochgradig verdichtete Untergrund, der verhindert, dass die Bäume genügend Sauerstoff, Wasser und Nährstoffe aufnehmen können. Vor allem die Platanen in der Mitte des Hains sind laut Fath betroffen.
Doch Oberbürgermeister Partsch betont: "Es ist noch nichts entschieden." Also keine Fällung beschlossen. Stattdessen will die Stadt nun zwei weitere Gutachten einholen, wie die kaputten Bäume doch gerettet werden können. So soll ein Bodengutachten noch in diesem Jahr Aufschluss darüber geben, wie der Untergrund geschichtet ist und wie es um die Nährstoffversorgung bestellt ist. Dafür werde der Boden aufgegraben. Das erste Gutachten von Ehrig und Partner hatte nur Rammkernproben entnommen.
Der Platanenhain auf der Mathildenhöhe ist in Gefahr. Nun geht es darum, wie die Bäume erhalten werden können. Foto: Torsten Boor
Der Platanenhain auf der Mathildenhöhe ist in Gefahr. Nun geht es darum, wie die Bäume erhalten werden können. Foto: Torsten Boor
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Die Verdichtung des Bodens erkenne man auch daran, dass sich nach Regen riesige Pfützen auf dem sandigen Boden bilden, ohne dass das Wasser abläuft. Das sogenannte Terra-Lift-Verfahren, mit dem Pressluft in den Boden geleitet wird, um den Untergrund aufzulockern, sei schon ab 2013 ohne größeren Erfolg probiert worden, berichtet Fath. Ein Darmstädter Landschaftsgärtner hatte diese Möglichkeit gegenüber dem ECHO ins Spiel gebracht.
Das zweite Gutachten, das die Stadt nun beauftragen will, soll die Artenschutzaspekte berücksichtigen. Denn sollten seltene Vögel oder Fledermäuse in den Platanen nisten, könnte dies ein Hinderungsgrund sein, die Platanen zu fällen. Die Grünflächenamtsleiterin habe aber nicht den Eindruck, dass der Platanenhain von seltenen Vögeln und Fledermäusen bewohnt ist. Sollten keine besonderen Arten nachweisbar sein, könne das Gutachten noch dieses Jahr fertig sein. Wenn es aber Hinweise auf beispielsweise Fledermäuse gebe, dauere es ein Jahr, bis die Untersuchung abgeschlossen ist.
KOSTEN FÜR SANIERUNG
Sollten tatsächlich bis zu 100 Bäume gefällt und neu gepflanzt werden müssen, käme auf die Stadt ein Betrag von bis zu 180.000 Euro zu. Ein Baum mit einem Umfang von 18 bis 20 Zentimeter koste mit Einpflanzen und Substrat rund 1800 Euro, sagt Doris Fath, Leiterin des Grünflächenamts. Platanen könnten, wenn sie freistehen, über 300 Jahre alt werden. Die Platanen auf dem Hain seien eher Bonsais, die keinen Zuwachs hätten, so Fath.
Anfang des 19. Jahrhunderts war die namenlose Mathildenhöhe ein Hügel mit Obstgärten und Weinreben.
"Vor 2020 passiert nichts", sagt Fath. Fachlich vertrete das Grünflächenamt die Meinung, dass es besser sei, die kranken Bäume herauszunehmen und neu zu pflanzen. Auf die Frage, ob man die Bäume nicht auch einfach so lange stehen lassen könne, bis sie umzustürzen drohen, meint Fath: "Natürlich kann man das Siechtum der Bäume abwarten." Wenn man allerdings ein geschlossenes Blätterdach und ein vitales Bild des Hains erhalten wolle, müsse man die Bäume austauschen. "Wir werden die verschiedenen Aspekte bewerten, wenn die Gutachten vorliegen", sagt Partsch. Die schlussendliche Entscheidung werde im Stadtparlament gefällt.
Aus Sicht des Denkmalschutzes gibt es "keine Vorgaben", wie alt die Platanen sein müssen, sagt der städtische Kulturreferent Ludger Hünnekens. Man findet auch schon heute Platanen ganz unterschiedlicher Dicke auf der Mathildenhöhe. Bäume von 1830, als der Platanenhain angelegt wurde, gibt es allerdings nicht mehr. Die ältesten Bäume stammen laut Hünnekens aus der Zeit Anfang des 20. Jahrhunderts. In der Brandnacht von 1944 wurden zahlreiche Platanen geschädigt und neu gepflanzt, und auch in den vergangenen zehn bis 15 Jahren habe es immer wieder einzelne Neupflanzungen gegeben, betont die Verantwortliche für Darmstadts Grünflächen.
Für die Welterbe-Bewerbung mit dem Ensemble Mathildenhöhe sieht Oberbürgermeister Partsch keine Gefahr. "Die Zuwendung von Stadt und Bevölkerung ist eher positiv." Der Platanenhain ist neben einigen Mauerresten das älteste erhaltene bauliche Zeugnis der Mathildenhöhe. Um den Hain nicht weiter zu schädigen, hat die Stadt alle Veranstaltungen wie die Jugendstiltage auf dem Areal abgesagt.