Sie macht aus Grünabfall Kohle und ist dabei eine von sieben Anlagen weltweit, die von der Bloomberg-Stiftung gefördert wird – aus gutem Grund. Wie die Karbonisierung funktioniert.
Von Guido Schiek (Fotos) und Birgit Femppel
Die Häckselmischung landet in den blauen Containern.
(Foto: Guido Schiek)
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DARMSTADT - Das technische Wunderwerk steht hinter den Rottehallen der Kompostierungsanlage und ist ganz schön bunt. Vier dunkelblaue Container, je zwei pro Meiler, nehmen das wohlriechende gereinigte Schnitzelmaterial auf. 10 bis 40 Millimeter groß darf das Gehäcksel sein, zwischen hölzernen Stückchen sieht man auch immer wieder Nadelbaumzweigchen. Aus diesen blauen Containern führen zwei grasgrüne Förderanlagen in je einen dunkelgrünen Container, in dem das Material auf eine einheitliche Restfeuchte von 23 bis 24 Prozent getrocknet wird, erläutert der stellvertretende EAD-Betriebsleiter Wolfgang Krause. „Wenn es nasser ist als 25 Grad, wird das nichts“, stellt er fest.
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Dergestalt durchgetrocknet kommt das Gehäcksel oben in die beiden silbernen Meiler, durchläuft dort einen thermischen Prozess namens Pyrolyse und kommt unten als Kohle wieder raus. Geplant sind zwei Qualitäten, „eine sehr gute und eine gute“, wie Krause sagt. Die sehr gute kann zum Beispiel als Futterkohle, ein Zusatz in der Tiernahrung, zum Einsatz kommen. Die gute wird schon jetzt mit Substrat vermischt und in Landwirtschaft und Privatgärten als Langzeitdünger ausgebracht. Der EAD ist noch am Ausprobieren der jeweils richtigen Grundmischung, sagt Krause.
Die Häckselmischung landet in den blauen Containern. Foto: Guido Schiek
Eine grasgrüne Förderschnecke bringt das Material in den dunkelgrünen Trocknungscontainer. Foto: Guido Schiek
Das getrocknete Material kommt in den silbernen Meiler (Mitte hinten) der von der blauen Brennkammer (rechts) am Laufen gehalten wird. Ist die Pyrolyse abgeschlossen, hat man Kohle, erläutert der stellvertretende EAD-Betriebsleiter Wolfgang Krause. Foto: Guido Schiek
In dem Container befindet sich der Wärmetauscher, auf das Dach kommt eine Turbine. Die Abwärme aus der Brennkammer (links) erzeugt Strom, der die Turbine antreibt und geht in die Trockenkammer, nicht verbrauchte Abwärme geht durch den Kamin. Foto: Guido Schiek
Kohle aus Abfall: So sieht das Produkt aus Grünschnitt aus. Foto: Guido Schiek
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Abwärme ist „gut genug für drei, vier Schulen“
In den Meilern wird das Rohmaterial von einer dunkelblauen Brennkammer auf 750 bis 800 Grad erhitzt und gleichzeitig unter Druck gesetzt. So entsteht sogenanntes Schwachgas, das dazu eingesetzt wird, das Material am Brennen zu halten.
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Die Abwärme, rund 800 KW (Krause: „gut genug für drei, vier Schulen“) soll dann in den hellgrünen Container nebenan geleitet werden, der einen Wärmetauscher enthält – und eine Mikrogasturbine auf dem Dach, wenn sie denn aus China mal geliefert wird (Krause rechnet mit Dezember). Diese Mikrogasturbine erzeugt 150 KW Strom. „800 kommen an, 150 gehen in die Turbine, der Rest geht in den Trockner oder zum Kamin raus“, erläutert Krause den Weg. Fernwärme? „Wäre eine Möglichkeit“, sagt er.
4000 Tonnen Grünabfall ergeben 1000 Tonnen Kohle
4000 Tonnen Grünabfall erzeugen jedenfalls 1000 Tonnen Kohle im Jahr, die hinter der Anlage in Silos gelagert, in Big Packs gefüllt und auf Paletten versandfertig gemacht werden. Nicht ohne allerdings nochmal befeuchtet zu werden, damit sie sich nicht selbst entzündet.
Das Besondere der Anlage aber, weshalb sie als eine von nur sieben weltweit von der US-amerikanischen Bloomberg-Stiftung mit 400.000 US-Dollar gefördert wird, liegt in der geplanten Kreislaufwirtschaft: Aus Abfall, den die Darmstädter aus ihren Gärten anbringen, wird der Rohstoff Kohle, der aufgrund seiner Großporigkeit Wasser und Nährstoffe speichert und Schadstoffe und CO2 langfristig bindet. Mit der Pflanzenkohle sollen Stadtbäume und Grünflächen eine größere Widerstandsfähigkeit im Klimawandel entwickeln und Wasser bei Starkregen langsamer abfließen lassen.
Der „regenerative Kreislauf zur Resilienz von Stadtbäumen“, wie Wolfgang Krause es nennt, ist auf mehrere Jahre angelegt. Wirkung und Wirtschaftlichkeit werden von der Uni Stuttgart evaluiert. Für die Entwicklung weiterer Anwendungsbereiche soll ein Förderantrag beim Bund gestellt werden. So ist Pflanzenkohle in Australien statt Sand beim Straßenbau im Einsatz, denkbar ist aber auch die Beimischung in Baumaterialien.
„Ein Produkt für die Zukunft“, nennt es EAD-Betriebsleiterin Sabine Kleindiek, entwickelt von Hessens erster Kompostierungsanlage. Kohle aus einem Rohstoff, der täglich verfügbar ist, staunt der Hauptgeschäftsführer des Kommunalen-Unternehmerverbands Ingbert Liebing. Ein bisschen stolz klingt es schon, wenn der stellvertretende Betriebsleiter Krause sagt: „Das hat noch niemand gemacht im Bereich des Abfalls.“