Der Diesel wird zur Stinkbombe

Alltag in der Heinrichstraße: Der Verkehr staut sich. Oberbürgermeister Jochen Partsch und Umweltdezernentin Barbara Akdeniz (beide Grüne) nehmen nach der Vertagung des Dieselurteils Stellung. Fotos: Andreas Kelm

Dem Oberbürgermeister und der Umweltdezernentin war die Anspannung des Tages beim Betreten des Magistratsaals durchaus anzumerken - und richtig zufrieden waren beide zu Beginn...

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DARMSTADT. Dem Oberbürgermeister und der Umweltdezernentin war die Anspannung des Tages beim Betreten des Magistratsaals durchaus anzumerken - und richtig zufrieden waren beide zu Beginn der Pressekonferenz nach der Vertagung des Urteils in Wiesbaden auch nicht wirklich: Es stehen weitere Beratungen zwischen der Klägerin, der Deutschen Umwelthilfe, und dem beklagten Land Hessen an und Jochen Partsch machte gemeinsam mit Barbara Akdeniz (beide Grüne) deutlich, dass es sich Darmstadt nicht nehmen lassen wolle, "als unmittelbar betroffene Stadt an den Gesprächen teilzunehmen", wie es Partsch deutlich formulierte.

Es knirscht derzeit gewaltig zwischen dem Grünen-Oberbürgermeister und seinen Parteifreunden in der Hessischen Landesregierung, den beiden Ministern Tarek Al-Wazir (Wirtschaft und Verkehr) und Priska Hinz (Umwelt). "Das Land hat gegen den Willen der Stadt eine Einbahnstraßenregelung für die Heinrichstraße gebracht und Tempo 30 dort abgelehnt, das ist ein Unding", kritisierte der Oberbürgermeister. Ein "fatales politisches Signal aus Wiesbaden" sei zudem, Fahrverbote in der Hügelstraße auch für nachgerüstete Euro 4 und Euro 5 Diesel-Pkw zu verhängen." Der Oberbürgermeister beklagte offen den aus seiner Sicht unverständlichen Kollisionskurs des Landes: "Die Ministerien wissen alles besser und sagen, sie machen auch das mit der Einbahnstraße in der Heinrichstraße trotzdem."

Dass das Verwaltungsgericht eine Entscheidung vertagt habe und es nun zu weiteren Gesprächen komme, zeige, dass "der Strategie des Landes weder das Gericht noch die klagende Deutsche Umwelthilfe umfänglich gefolgt" seien. Partsch und Akdeniz lobten, dass vom Gericht die Anstrengungen der Stadt zur Luftreinhaltung und zu einer "zukunftsfähigen Mobilität, wie sie der städtische Green City Plan festlegt", gewürdigt wurden. Sie kündigten an, sich erneut an die beiden grün geführten Ministerien in Wiesbaden zu wenden, "um eine angemessene Beteiligung der Stadt zu erreichen."

Für Umweltdezernentin Akdeniz ist klar, dass für die Bewertung der bereits ergriffenen Maßnahmen "nur die Messwerte der amtlichen Messstation in der Hügelstraße maßgeblich" sei, weil diese Messstation nicht nur eine entsprechend weit zurückreichende Datenfülle biete, sondern auch nur ausschließlich an diesem Standort die Ermittlung von Stundengrenzwertüberschreitungen möglich sei, die sich dort in den vergangenen Jahren positiv entwickelt haben.

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Partsch und Akdeniz bezeichneten den vom Land Hessen dem Umweltbundesamt erst im September nachgemeldeten Passivsammler als "ungeeignet und weder repräsentativ für die Stadt noch für die Hügelstraße. "Die dort ermittelten Stickoxidwerte geben keine Auskunft über die Qualität der Atemluft in Darmstadt insgesamt, weil sich die für Darmstadt berechneten und gemessenen Grenzwertüberschreitungen auf lediglich zwei eng begrenzbare Straßenabschnitte besonders belasteter Straßen beschränkten", ging Partsch ins Detail und forderte, "die Relevanz der Passivsammler in der Hügelstraße erneut zu überprüfen."

Umweltdezernentin Akdeniz zeigte sich schließlich zuversichtlich, mit dem städtischen Green City Plan "bald die Grenzwerte für Stickstoffdioxid zu unterschreiten". Oberbürgermeister Partsch kündigte an, gegenüber dem Land noch einmal in die Offensive zu gehen: "Unsere klare politische Forderung ist, beteiligt und angehört zu werden."

Von Frank Horneff und Lars Hennemann