Mehr als 200 Menschen sind bei der Kundgebung auf dem Karolinenplatz dabei. Im Anschluss zieht eine spontane Demo durch die Darmstädter Innenstadt.
. DARMSTADTMan kann ein beklemmendes Gefühl bekommen, wenn man über den Karolinenplatz blickt. Menschen, die Hände gefesselt auf dem Rücken, liegen schweigend nebeneinander auf dem Bauch. Einige knien, einer hat den linken Arm erhoben, mit geballter Faust. Am Ostrand hat eine Gruppe ein 20 Meter langes Transparent entrollt auf dem "A riot is the language of the unheard" steht. Aus einen Lautsprecher hört man unter anderem die Worte "I have a dream". Es ist die Rede, die der US-Bürgerrechtler Martin Luther King 1963 vor dem Lincoln Memorial in Washington gehalten hatte.
Es ist eine angemeldete Kundgebung am Montagabend auf dem Karolinenplatz. Organisiert vom Darmstädter Paisano Pililao, um ein Zeichen gegen Polizeigewalt und Alltagsrassismus zu setzen: "Donnerstag habe ich die Idee gehabt und Freitag habe ich die Kundgebung bei der Stadt angemeldet." Er habe aber etwas anders als üblich machen wollen, sagt er. Rund 250 Menschen sind gekommen, um schweigend und symbolisch gefesselt gegen Rassismus und Polizeigewalt zu protestieren, während Paisano Pililao die Martin Luther King-Rede und Musik wie "We are the world" oder "Sound of Silence" abspielt. Die Teilnehmer haben Transparente und Schilder dabei, auf denen unter anderem "Knüppelbande", "justice knows no colors", "Rassismus tötet" oder "Black Lives Matters" steht.
"Ich bin oft auf Demos und dann ist das die übliche Parade", erklärt Paisano Pililao die eher leise Kundgebung. "Ich finde, man kann aber auch ein Zeichen setzen, indem man in der Masse still ist." Er sei in keiner Organisation, er habe einfach etwas unternehmen wollen.
Auch in Corona-Zeiten mit Abstandsgeboten sei dieser Protest notwendig, sagt ein anderer Teilnehmer. "Geschichtlich sind dem Rassismus mehr Menschen zum Opfer gefallen als dem Coronavirus", findet er. Nach einigen Minuten richten sich die Liegenden auf, um zu knien, später stehen sie aufrecht, stumm lauschen sie der Musik.
Nach etwa einer Stunde - Paisano Pililao hatte gerade die Kundgebung mit einer Durchsage beendet - will ein junger Mann im Sweatshirt über die Lautsprecher-Anlage zu einem spontanen Protestzug durch die Innenstadt aufrufen. Was Paisano Pililao aber ablehnt. Der junge Mann versucht daraufhin, die Demo kurzfristig bei zwei Polizeibeamten anzumelden. Doch in Darmstadt ist dafür das Ordnungsamt zuständig - und zwar mit mindestens 48 Stunden Vorlauf.
Dennoch ziehen letztlich 90 Personen über Friedensplatz, Luisenplatz durch die Rheinstraße bis zur Berliner Allee und wieder zurück. Begleitet von den Polizeikräften mit einem halben Dutzend Fahrzeugen, die sich auf dem Karolinenplatz im Hintergrund gehalten hatten. Auf dem Zug durch die Innenstadt rufen die Demonstrierenden unter anderem die Parolen "No justice, no peace" und "Nazis raus". Wieder zurück auf dem Karolinenplatz erklärt der junge Mann im Sweatshirt dieser Zeitung, dass er die Demo nicht organisiert habe. "Die Leute sind spontan losgelaufen, weil sie ihre Kritik an rassistischen Polizeiapparat kundtun wollten", sagt er. Laut Polizei hat es bei der Demo keine Zwischenfälle gegeben. "Es ist friedlich gelaufen", so der Einsatzleiter. "Von daher haben wir das laufen lassen." Zudem seien wenige Autos unterwegs gewesen.