Die Schulmensen sind bei den Schülern unbeliebt. In ganz Darmstadt nehmen nur 14,6% der Schüler das Angebot ihrer Schulen wahr. Schuld sind auch die Eltern.
Von Patrick Körber
Leiter Lokalredaktion Darmstadt und Südhessen
Quelle: Städtisches Schulamt Darmstadt, Foto: André Hirtz
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DARMSTADT - Die Stadt hat seit Anfang der 2000er Jahre rund 13,5 Millionen Euro in den Bau von Schulmensen investiert, berichtet Schuldezernent Rafael Reißer (CDU). Weitere Investitionen von 12,5 Millionen Euro sind bis 2020 geplant. Im Verhältnis dazu sind die Zahlen, wie viele Schüler überhaupt in der Mensa essen gehen, zum Teil ernüchternd.
Beispiel Georg-Büchner-Schule (GBS): Im Schnitt gehen dort lediglich 32 Schüler pro Tag essen. Freitags sind es sogar nur 19. Bei 464 Schülern in der Sekundarstufe 1, also ohne Oberstufe, macht das einen Anteil von lediglich 6,9 Prozent Kindern und Jugendlichen aus, die mittags in der Schule essen. Würde man die Oberstufenschüler noch mitzählen, läge der Anteil der Mensanutzer sogar nur bei 4,1 Prozent. In anderen Worten: Nur jeder 25. Schüler nutzt die Mensa. Ähnlich schlecht steht die Gutenberg-Gesamtschule da, knapp fünf Prozent genießen dort das Mensaessen.
Eltern sind auch verantwortlich
Es geht auch anders, das zeigen Justus-Liebig-Schule, Ludwig-Georgs-Gymnasium und Viktoriaschule. Hier nutzt mehr als jeder fünfte Schüler der Sekundarstufe 1 das Angebot eines warmen Mittagessens. Dass es nicht nur am Caterer liegen kann, zeigen die Unterschiede zwischen Eleonorenschule und Justus-Liebig-Schule. Die benachbarten Gymnasien werden vom selben Caterer aus Bensheim mit warmen Essen beliefert. Trotzdem gehen an der "Elo" nur halb so viele Schüler essen. Warum das so ist, kann "Elo"-Schulleiter Stefan Hein, der seit diesem Sommer neu an der Schule ist, nicht beantworten. "Uns wäre aber daran gelegen, dass mehr Schüler mittags essen." Das Essensangebot selbst hält Hein für gut, auch die Mensa sei in sehr gutem Zustand. In erster Linie sieht der neue Schulleiter die Eltern in der Pflicht: "Es ist die Entscheidung der Eltern, ob das Kind mittags in der Schulmensa isst."
==Kommentar: "Schulkultur" von Patrick Körber==
Angesichts der Investitionen von 26 Millionen Euro in die Schulmensen bis zum Jahr 2020 sind die Nutzerzahlen zum Teil erschreckend niedrig. Die Stadt hat viel Geld in die Hand genommen, um die Mensen zu bauen, die Küchen sogar nach den Bedürfnissen des jeweiligen Caterers ausgestattet. Die Gründe warum die eine Schulmensa funktioniert, die andere aber nicht so gut angenommen wird, sind mannigfach. Ganz viel hat die Nutzung der Mensa offensichtlich mit der Schulkultur zu tun. Lehrer sind für die jüngeren Schüler Vorbilder, die beitragen können, dass mittags gemeinsam gegessen wird. Offenbar hilft es auch, wenn die Nachmittagsbetreuung organisatorisch auf den Mensabetrieb abgestimmt ist. Wenn die Schulen ein Interesse daran haben, dass möglichst viele Kinder ein warmes und gesundes Essen einnehmen, sind sie gut beraten, von den Positivbeispielen in der Darmstädter Schullandschaft zu lernen. Dass sich die Stadt nun mehr reinhängt und Wert auf Qualität beim Schulessen legt, ist richtig. Ziel sollten einheitliche Qualitätsstandards für alle Schulmensen sein. Denn hinter allem steht die Gesundheit der Kinder. Wie die Schuleingangsuntersuchung zeigt, ist jedes zehnte Kind übergewichtig.
==Schulverpflegung==
Die Stadt Darmstadt hat ein Rahmenkonzept "Gesunde Schulverpflegung" aufgelegt. Ziel des Konzeptes ist es, vor allem auch die Schulkioske dazu zu bewegen, das Vertreiben von Softdrinks, Stückchen und Süßigkeiten zugunsten gesunder Produkte einzuschränken. Anreiz für Pächter sind niedrigere Mietpreise. Das Konzept gibt auch Tipps, wie Schulen ihre Caterer aussuchen sollten. Die Stadt empfiehlt, sich an die Qualitätsstandards der Deutschen Gesellschaft für Ernährung zu halten. Das bedeutet zum Beispiel: maximal zwei Mal pro Woche Fleisch, täglich ein vegetarisches Gericht, so oft wie möglich Rohkost und frisches Obst zum Nachtisch. Trinkwasser oder ungesüßte Tees sollten frei zugänglich sein. Auf Produkte mit Geschmacksverstärkern soll verzichtet werden. Hauptzielgruppe sind die 5. bis 8. Klassen. Für die Älteren sei die Mensa uncool, meint Bettina Kroh vom Schulamt.
Ulf Keller, kommissarischer Schulleiter an der benachbarten Justus-Liebig-Schule macht vor allem die organisatorischen Voraussetzungen geltend, warum das Mensaessen gut angenommen wird. "Wir haben schon sehr früh unter G8 eine konsequente Mittagspause eingeführt, damit allen Schülern genug Zeit zum Essen bleibt." Damit verbunden sei beispielsweise ein attraktives Nachmittagsangebot mit Hausaufgabenbetreuung. Was die Schule früh wieder aufgegeben hat, ist der Versuch, mit dem ganzen Klassenverband gemeinsam zu essen. Zu viele Schwierigkeiten habe es wegen Kindern gegeben, die nicht mittags an der Schule essen sollen. Und dann wäre da noch die Kommunikation: "Ich halte das Essen für sehr gut und kommuniziere das bei jeder Gelegenheit gegenüber den Eltern", sagt Keller.
Gut werden auch die Angebote an der Viktoriaschule angenommen. Die 5. und 6. Klassen essen in der "Hütte" und gehen dort auch in die Nachmittagsbetreuung. Zudem bietet die Schule noch eine eigene Cafeteria ("Viktoriastation"), die von einem hauseigenen Verein mit Ehrenamtlichen betrieben wird. "Da gibt es gutes und gesundes Essen", sagt Schulleiterin Dagmar Ohlenforst. Und nicht nur Essen, sondern auch mal Trost und Zuspruch für die Schüler. Ungesunde Süßigkeiten hat die Schule verbannt, "mit Erfolg", wie die Schulleiterin feststellt. Das gesunde Essen mit viel Obst werde sehr geschätzt.
Bislang gebe es keine vorgeschriebenen Qualitätsstandards für alle Schulkantinen, sagt die Leiterin des städtischen Schulamts, Bettina Kroh. "Noch zwingen wir nicht." Das liege auch daran, dass es zum Teil schon langlaufende Verträge mit den Caterern gebe. Als Anreiz werde aber die Pacht reduziert, wenn ein Caterer gesundes Essen anbietet.
Die Stadt ist über ihren Eigenbetrieb EAD seit 2016 sogar selbst Caterer mit 16,5 Vollzeitstellen - davon vier Köche. Bernhard-Adelung-, Erich-Kästner- und Georg-Büchner-Schule werden mit warmen Essen beliefert beziehungsweise wird vor Ort frisch gekocht. Der EAD hat zum Beispiel an der GBS einen Caterer abgelöst, wo laut Kroh zum Schluss nur noch zehn Schüler essen gegangen waren. Der Eigenbetrieb hält sich an die Vorgabe der Stadt, und kocht nach den Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung. Dass gesundes Essen ankommen kann, zeigt eine vom EAD angestoßene Befragung. 780 Schüler bewerteten das Essen, das an drei Schulen vor Ort gekocht wird, mit der Durchschnittsnote 2,19. Für Rafael Reißer und Kämmerer André Schellenberg, der für den Eigenbetrieb EAD zuständig ist, könnte das ein Zukunftsmodell sein. Wenn mehr Schulen dazukommen, sei eine Zentralküche auch aus Kostengründen eine Option. Um aber kostendeckend zu arbeiten, werde man die Essenspreise von derzeit 3,90 Euro auf mindestens 4,20 anheben müssen, sagt EAD-Chefin Sabine Kleindiek.