Nach zwei Jahren Corona-Pause dürfen die Darmstädter wieder ihr geliebtes Fest feiern. Das tun sie mit Begeisterung – und mit einer Portion Demut.
DARMSTADT. Bis die Heiner so richtig in Schwung kommen, klatschen, singen – und es sie bei einem Tanz der ukrainischen Gruppe „Dzhereltsya Karpat“ von den Sitzen holt, dauert es an diesem Eröffnungsabend ein bisschen. Aber schließlich hat man sich ja auch drei Jahre lang nicht in dieser Zusammensetzung gesehen, die für den Donnerstagabend so typisch ist: Da kommen fesche Darmstädterinnen mit Sonnenhut ins Gespräch mit TU-Studenten, die unweit der Uni keinesfalls mit solch einem Remmidemmi gerechnet haben; da stehen die Darmstädter Grünen in starker Besetzung umeinander und besprechen die Vorteile des Radfahrens – und das nicht nur während des fünftägigen Heinerfests; und an anderer Stelle plaudern Vorstände von Sparkasse und Heag mal außerhalb des Büros über dies und das.
„Aber schließlich feiern wir ja auch drei Feste“
Bis der Oberbürgermeister das Fest an diesem Abend offiziell eröffnet, dauert es am Donnerstag etwas länger als sonst. „Aber schließlich feiern wir ja auch drei Feste“, sagt Jochen Partsch. „Das 70., das 71. und das 72.“ Während die anderen ausgefallen oder als „Miniversion“ gefeiert wurden, sollen die Heiner diesmal nachholen, was sie 2020 und 2021 verpasst haben. Das hätten nicht nur sie verdient, sondern auch die Schausteller, die eine echte Durststrecke hinter sich haben, sagt der OB.
Doch der Reihe nach. Um kurz vor 18 Uhr ist ein Großteil der weißen Stühle noch leer, die ansonsten gerne schon eine halbe Stunde vor Beginn des Programms belegt sind. Aber die Sonne scheint auch noch unerbittlich vom Himmel, was übrigens erstaunlich viele der gediegenen Herren aus den Chefetagen nutzen, um mal eine Short zum weißen Hemd zu tragen. Den braunen Beinen sieht man an: Da wird auch mal im Homeoffice gearbeitet.
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Schnell füllen sich aber die Sitze, als Andreas Richter, der ruhig und souverän den Abend moderiert, die Gäste zusammen trommelt. Kaum sitzen sie, trommeln andere – und wie! Die von den Heinern heiß geliebte Truppe „Tarumba Percusion“ aus der spanischen Partnerstadt Logrono ruft erst mal ein lautes „Vamos“ ins Publikum, und dann legen sie los. Das Publikum lockert sich, so kann‘s weitergehen. „Viva la Heinerfest!“, ruft ein Trommler.
Auf der Bühne geht es international zu
Überhaupt geht es auf der Bühne sehr international zu. Nach den Spaniern wird diese von Keli Rosa und Alvaro del Norte aus San Antonio geentert. Sie stimmt ihr Saiteninstrument und plaudert derweil in schönstem Texanisch mit dem Publikum, das nicht so recht folgen kann, doch das macht eigentlich nichts. Hauptsache, man ist wieder zusammen. „Es hat einem ja schon ganz schön was gefehlt“, hört man an allen Ecken und Enden.
Das kann man wohl sagen, so auch Heinerfestpräsident Wolfgang Koehler, der aber betont: „Wir feiern im Bewusstsein dieses Wahnsinnskriegs.“ Natürlich solle Karussell gefahren und an Biertischen geplaudert werden. „Aber alles mit Demut.“ Mit Demut hat auch zu tun, dass in diesem Jahr das Feuerwerk entfällt, dafür Kirchenglocken läuten.
Auch Ukraine ist Thema
Dies bedenken die Gäste mit Applaus. Und wer noch Zweifel hat („des hätt‘ mer trotzdem mache könne“), schämt sich wenig später. Da nämlich kommen 24 Jugendliche aus der Ukraine in ihren farbenprächtigen Kostümen auf die Bühne und legen zunächst einen hinreißenden Tanz hin. Danach stimmen sie eine Ode an ihr Heimatland an, bewegen sich bedächtig hin und her, im Hintergrund schwenken Tänzer die ukrainische Flagge. Schweigen im Publikum, ein paar Tränen fließen. Dann stehen alle auf und signalisieren: Wir sind bei euch!
Schließlich muss Moderator Richter etwas auf die Tube drücken, denn um halb acht soll ja der Zapfhahn ins Fass gehauen werden, damit das Bier endlich offiziell fließen kann. Davor wird der frühere Oberbürgermeister Peter Benz zum „Bekennenden Heiner“ gekürt. Die Laudatio hält der amtierende OB, der dem „langjährigen politischen Weggefährten“ höchsten Respekt zollt. Der Geehrte ist gerührt, bedankt sich und zitiert aus einem Brief des früheren ECHO-Lokalchefs, Klaus Staat. Dieser habe ihn zum „Hosenbandorden des Heinerfests“ beglückwünscht. Schöner könne man es nicht sagen – es ist ja in der Tat so was wie der Verdienstorden des Heinerfests. Peter Benz, gebürtiger Arheilger, bedankt sich einwandfrei heinernd und schenkt dem OB eine Lektion in Heinerdeutsch. „Des mache-mer.“