Der Schach-Bot "CrazyAra", entwickelt von Darmstädter Informatik-Studenten, ist so schlau, dass er sogar den Weltmeister im Einsetzschach schlägt.
DARMSTADT. CrazyAra schlägt JannLee. Oder anders gesagt: Künstliche Intelligenz zeigt dem mehrfachen Weltmeister im Einsetzschach seine Grenzen auf. Mit ihrem im Rahmen einer Semesterarbeit entwickelten Schach-Bot bewiesen Johannes Czech, Alena Beyer und Moritz Willig, dass sie ihr Programmierhandwerk beherrschen. Das Besondere: Die drei Master-Studierenden des Fachbereichs Informatik an der TU Darmstadt trainierten ihren Bot anhand zigtausender abgeschlossener Partien und imitierten so im Grunde menschliches Spielverhalten.
"Daher stammt auch das "Ara" im Namen unseres Schach-Bots", erklärt Alena Beyer. "Papageien können ja ebenfalls Menschen nachmachen." Das "Crazy" wiederum bezieht sich auf die im Deutschen als Einsetzschach bezeichnete Variante "Crazyhouse". Dabei erhält ein Spieler die von ihm geschlagene Figur des Gegners in der eigenen Farbe ausgehändigt, die er dann wieder im Spiel einsetzen kann. "Da die Variantenzahl dabei so hoch ist", funktionieren klassische Programmierverfahren nicht mehr", sagt Johannes Czech, "Es geht also nicht so sehr um Variantenberechnung, sondern mehr um Intuition."
Mehr als eine halbe Million Partien gelernt
Ein halbes Jahr lang haben die drei Studenten an "CrazyAra" gearbeitet. Dabei konnten sie auf eine Schachbibliothek mit kodierten Regeln zurückgreifen. Dann bekam CrazyAra mehr als eine halbe Million heruntergeladener Crazyhouse-Partien zum Lernen. Dabei sind in mehreren Schichten angelegte künstliche neuronale Netzwerke in der Lage, Schlussfolgerungen aus vergangenen Zügen und Spielen zu ziehen und so vorausschauende Entscheidungen zu treffen. "Die Suche nach dem nächsten Zug muss deshalb nicht immer wieder von vorn beginnen", erklärt Johannes Czech.
Die Arbeit am CrazyAra hatten sich die drei Studierenden aufgeteilt: Jeder hat Teilaufgaben gelöst. In gemeinsamen Projektmeetings wurden Probleme besprochen und wenn nötig gemeinsam nach Lösungen gesucht. Das gesamte Know-how wurde auf Johannes Czechs' Standardrechner zusammengeführt. "Die Möglichkeit, auf große Rechenzentrumskapazitäten zurückzugreifen, hatten wir nicht", berichtet er. "So hat das Training von CrazyAra etwas länger gedauert." Dem durchschlagenden Erfolg des Projekts hat das aber nicht geschadet.
Auf den war das Trio eigentlich auch gar nicht aus. "Unser Ziel war zunächst nur, einen halbwegs guten Bot zu programmieren, der in der Lage ist, gegen uns zu gewinnen", erzählt Johannes Czech. Schach ist für ihn ebenso wie für Moritz Willig eher eine Nebensache. Alena Beyer widmet sich in ihrer Freizeit lieber der Musik: "Es ist auch nicht notwendig, ein Schachspezialist zu sein. Die eigentliche Aufgabe ist das Programmieren." Irgendwann entstand dann die Idee, den Bot gegen den Weltmeister im Crazyhouse-Schach antreten zu lassen: "Wir hatten den Eindruck, dass dabei beide Seiten eine faire Chance hatten." Dass CrazyAra dabei das Rennen gemacht hat, habe eindrucksvoll gezeigt, dass ein Bot eigenständig nur durch die Analyse der menschlichen Spielweise lernen kann.
Das Ergebnis beeindruckte auch die Projektbetreuer Kristian Kersting und Johannes Fürnkranz. Die veröffentlichten zu der Arbeit, "die sonst von Giganten wie Google dominiert wird", eine Pressemitteilung, die der Projektgruppe bereits einen Regionalfernsehauftritt beschert hat. Ansonsten nehmen die drei das Ergebnis ihrer Arbeit eher gelassen. Schließlich steht für alle drei nun die Masterarbeit an. Nur Johannes Czech wird sich dafür weiterhin mit dem Schach-Bot beschäftigen. Elena Beyer und Moritz Willig werden sich schwerpunktmäßig Visualisierungsfragen zuwenden.
Und CrazyAra? Der wird weiter seine Kräfte messen: 317 Spiele hat er bereits absolviert. Dabei, so gibt Johannes Czech zu bedenken, könne er durchaus Opfer seines eigenen Erfolgs werden: "Denn je stärker ein Bot ist, desto geringer das Interesse anderer, mit ihm zu spielen." Schließlich ist keiner gern immer nur der Verlierer.