Darmstädter Forscher machen Plastikmüll zu neuen Werkstoffen

Christian Beinert, Abteilungsleiter Kunstoffverarbeitung am Fraunhofer LBF, zeigt ein Leichtbau-Batteriegehäuse aus Endlosfaser. Foto: Andreas Kelm

Kunststofftechnik hat in Darmstadt Tradition. Wie werden Kunststoffe nachhaltiger? Das erklären Wissenschaftler des Fraunhofer LBF.

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DARMSTADT. Auch wegen der Forschung an Kunststoffen bekam Darmstadt vor 25 Jahren den Namenszusatz „Wissenschaftsstadt“. Damals forschte an den Kunststoffen das Deutsche Kunststoff-Institut (DKI) in der Schlossgartenstraße. Seit 2012 ist das DKI Teil des Fraunhofer-Instituts für Betriebsfestigkeit und Systemzuverlässigkeit (Fraunhofer LBF). Forschungsschwerpunkt sind nachhaltige Kunststoffe.

Nachhaltigkeit könne man zum Beispiel dadurch erreichen, dass ein Kunststoff lange haltbar sei, erklärt Dr. Roland Klein vom Fraunhofer LBF. Oder dadurch, dass man den Kunststoff wiederverwenden kann, wie zum Beispiel den der bekannten PET-Getränkeflaschen. „Die werden ja nicht gespült, sondern kleingeschreddert“, erklärt der Chemiker das dahinter stehende Pfandsystem. Das Granulat kann man einschmelzen und wieder zu Flaschen oder beispielsweise Textilien machen.

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PET-Flasche wird zu Bauteil

Oder man macht daraus einen hochwertigeren neuen Kunststoff, der in Automotoren eingebaut werden kann. „Das nennen wir Upcycling“, sagt Klein. Aus PET, das als Flasche eigentlich nur ein Jahr halten muss, wird so ein Bauteil, das über 20 Jahre funktioniert. Dazu wird in diesem Fall das PET-Granulat mit Additiven wie zum Beispiel Glasfasern versehen, was den Kunststoff stabiler macht.

Oder man entwickelt einen Kunststoffeinsatz für Spülmaschinen – ein anderes Projekt, an dem das Fraunhofer LBF beteiligt ist. Der Einsatz sei erstmals zu 100 Prozent aus Recyclat, erläutert Professor Rudolf Pfaendner die Besonderheit. Die Eigenschaften des Recyclats seien so gut, dass es Neuware ersetzen könne.

Ein weiteres Forschungsfeld sind die biologisch abbaubaren Kunststoffe. „Die haben aber noch den Nachteil, dass der Abbau zu lange dauert“, blickt Pfaendner auf bisherige Entwicklungen. Aber man sei dabei, sie so einzustellen, dass sie nach einer bestimmten Zeit, beispielsweise drei Monate, schneller abbaubar sind.

Dass beim Kunststoffrecycling jeder mitmachen kann, ist auch ein Thema, das die Kunststofftechniker gerne hervorheben: durch Trennen der Abfälle und Sammeln der Verpackungen im Gelben Sack oder der Gelben Tonne.

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Recycling weiter forcieren

„Diese Kunststoffe sind alles thermoplastische Materialien“, nennt der Chemiker Pfaendner die große Gemeinsamkeit der Kunststoffverpackungen, die in den Gelben Sack kommen; die könne man daher alle einschmelzen. Aber die Recyclingquote liege nur bei rund 20 Prozent – was man durch bessere Sortierung steigern könne. Oder mit einem Pfandsystem. Bei den PET-Pfandflaschen liege der Rücklauf bei 90 Prozent, sagt der Kunststoffforscher.

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Auch der Einzelhandel kann durch seine Nachfrage zu mehr Recycling beitragen. Inzwischen wollen die Supermärkte ihrer Kundschaft vermehrt die Getränke in Flaschen aus recycelten PET anbieten, erzählt Pfaendner, daher sei inzwischen Recyclat knapper als neues PET.

Das Fraunhofer LBF hat über 500 Mitarbeiter und seinen Hauptsitz in der Kranichsteiner Bartningstraße. LBF steht für „Laboratorium für Betriebsfestigkeit“. Das Institut betreibt angewandte Forschung in den Gebieten Maschinen- und Anlagenbau, Automotive und Transportsysteme. Das Fraunhofer LBF war 1950 aus der Fusion zweier Ingenieurbüros entstanden. 1962 wurde es das zehnte Institut der Fraunhofer-Gesellschaft.