Johannes Tiedje reist nach Nepal, erkennt dort ein riesiges Müll-Problem – und gründet einen Verein zur Abhilfe.
Von Kerstin Schumacher
Lokalredakteurin Darmstadt
Eine Mülldeponie in Nepal (oben): Der Unrat, meist Plastik, wird einfach in der Natur aufgeschüttet. Recycling gibt es nicht. Links ist ein Fluss voller Abfall in der nepalesischen Hauptstadt Kathmandu zu sehen, rechts sucht eine Ziege nach Nahrung.
(Fotos: Johannes Tiedje)
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DARMSTADT - Nach dem Studium ein bisschen ausspannen, die Seele baumeln lassen, die Welt entdecken: Wie so viele junge Leute nutzte Johannes Tiedje nach seinem Abschluss an der Evangelischen Hochschule die neu gewonnene Freiheit für eine Auszeit. Den 29-Jährigen verschlug es im Frühjahr 2016 nach Asien, sechs Monate Berge, Dschungel und Meer. „Ich wollte einfach reisen, ohne besondere Intention.“ Doch das sollte sich bei seiner ersten Station in Nepal schnell ändern.
Weil dem Darmstädter „das bloße Rumhängen“ zu langweilig gewesen wäre, hat er in dem südasiatischen Binnenland zunächst Freiwilligenarbeit geleistet. „In Jhuwani habe ich jungen Erwachsenen Englischunterricht gegeben.“ Das im Süden des Landes gelegene Dorf gehört zu der Gemeinde Ratnanagar, in der etwa 80 000 Menschen wohnen. Ratnanagar wiederum gehört zum Distrikt Chitwan, welcher im Terai liegt, dem tief liegenden Flachland im Süden Nepals. Dort leben die meisten Nepalesen. Und dort ist die Verschmutzung durch Unrat am größten.
Picknick im Unrat
„Überall liegt Müll rum, meist Plastik“, erinnert sich Tiedje an seine ersten Eindrücke in dem Entwicklungsland: auf Straßen, in Flüssen, im Gebüsch. „In Nepal gibt es überhaupt kein Müll-System.“ Das Land ist zu arm, die Regierung, derer es in den vergangenen 27 Jahren 26 gab, ist zu instabil. „Die Politik hat andere Sorgen als Müll.“ Zumal den Menschen dort die Problematik gar nicht bewusst ist. „Die Leute wissen gar nicht, was sie sich und der Umwelt antun.“ Denn die Verschmutzung durch Plastik ist nicht nur ein ästhetisches Problem. „Die biologisch-chemische Komponente ist viel wichtiger.“ Denn Bakterien zersetzen Teile des Plastiks, Toxine gelangen als Nanoplastik ins Grundwasser und verbreiten sich in der gesamten Biosphäre. Die Folge: „Tiere, Menschen und Pflanzen werden krank.“
Eine Mülldeponie in Nepal (oben): Der Unrat, meist Plastik, wird einfach in der Natur aufgeschüttet. Recycling gibt es nicht. Links ist ein Fluss voller Abfall in der nepalesischen Hauptstadt Kathmandu zu sehen, rechts sucht eine Ziege nach Nahrung. Fotos: Johannes Tiedje
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Nach dem ersten Schock gewöhnt sich Tiedje zunächst an den Anblick, doch ein Schlüsselerlebnis verändert seinen Blick. „Mit meinen Schülern wollte ich picknicken“, erzählt Tiedje. Sie schlugen dafür einen heiligen Ort in der Nähe vor. „Darunter habe ich mir weiß Gott was vorgestellt.“ Schöne Natur auf jeden Fall, eine kleine Idylle. Doch als die Gruppe dort ankommt, ist alles vermüllt. Und das Schlimmste: „Das war für die jungen Leute völlig normal.“ Tiedje beschließt mit der Gruppe, dort erst einmal aufzuräumen. Und für sich entscheidet der junge Mann, die Sache professionell anzugehen. Er begeistert den Schulleiter für sein Vorhaben, gemeinsam knüpfen sie in den nächsten Monaten ein Netzwerk, stellen Mülleimer auf, halten Vorträge, sammeln öffentlich Müll und verteilen Jutebeutel, um die Flut an Einweg-Plastiktüten einzudämmen. „Der Schlüssel ist Aufklärungsarbeit.“ Um dem Projekt einen offiziellen Charakter zu geben, gründet Tiedje im Juni 2018 in Darmstadt den Verein „Jepp – Jhuwani Environment Protection Programme“, das Jhuwani Umweltschutz-Programm.
DER VEREIN JEPP
Der Verein Jepp mit Sitz in Darmstadt ist noch auf Spenden angewiesen, um seine Projekte zu finanzieren: Volksbank Darmstadt, DE 97 5089 0000 0071 7218 09.
Die Homepage des Vereins: www.jhuwani- environment.com
Künftig soll die Finanzierung des Vereins auf breitere Füße gestellt werden. 2019 wollen die Verantwortlichen öffentliche Fördergelder generieren. Langfristig plant Jepp den Aufbau eines „Social Business“, eine Mischung aus gewinn- und gemeinwohlorientiert. Gewinne werden dabei für wohltätige Zwecke genutzt. Dabei sollen auch Arbeitsplätze entstehen. Schon jetzt hat der Verein in Nepal vier bezahlte Angestellte. Die restliche Arbeit leisten Ehrenamtliche. (schu)
Nächstes Projekt ist eine Werkstatt
2018 folgt die Gründung einer Nicht-Regierungs-Organisation vor Ort. „Das war ein wichtiges Jahr für uns.“ Momentan arbeitet Tiedje, der Soziale Arbeit an der Evangelischen Hochschule Darmstadt studiert hat, zwar noch als Sozialarbeiter in Frankfurt. Doch den Job hat er zum 1. März gekündigt. „Ich will in die Entwicklungszusammenarbeit einsteigen und mich voll der Weiterentwicklung von Jepp kümmern.“ Nebenbei macht er schon mal seinen Master in Umweltwissenschaften an der Fernuniversität Hagen.
Einiges haben Verein und NGO schon erreicht, Weiteres soll folgen. Konkret planen Tiedje und seine Mitstreiter die Einrichtung einer Werkstatt. Unter dem Titel „Precious Plastic“ (Wertvolles Plastik) sollen vier Maschinen auf 35 Quadratmeter Altplastik recyceln. „Dort kann man grob gesagt altes Plastik schreddern, schmelzen und etwas Neues daraus machen“, erklärt Tiedje. Brotboxen, Schüsseln oder Rohmaterial für 3D-Drucker. Die Erzeugnisse sollen am Ende verkauft werden. Tiedjes Vision: „Wir schützen die Umwelt, schaffen Jobs und eine neue Wertschöpfungskette.“