Darmstädter Fahrschule setzt auf einen Computersimulator zur Verkehrsgewöhnung
Von Vanessa Joneleit
Die 17-jährige Fahrschülerin Giulia Brattoli testet mit ihrem Fahrlehrer Claus Reibold den neuen Computersimulator. Foto: Karl-Heinz Bärtl
( Foto: Karl-Heinz Bärtl )
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DARMSTADT - Der Blinker ist gesetzt, die Ampel springt auf Grün, der Wagen biegt nach rechts. Und erfasst den Fußgänger, der die Straße gerade überqueren will. Dass sie auf den passierwilligen Herren achten muss, das war Giulia nicht bewusst. Die 17-Jährige ist Fahranfängerin, der Straßenverkehr für sie Neuland. Macht aber gar nichts, denn der Vorfall ist nicht real. Er spielt sich auf den Bildschirmen des Fahrsimulators ab, den die Fahrschule Reibold seit Kurzem ihr Eigen nennt – eine echte Besonderheit, wie die Fahrlehrer Claus Reibold und Michael Oechler berichten.
Unterstützung bei den ersten Schritten im Verkehr
„Wir sind die erste Fahrschule in Darmstadt, vermutlich sogar in ganz Südhessen, die mit einem Fahrsimulator arbeitet“, betont Inhaber Reibold. Auf das Gerät, das die Fahrschüler bei ihren ersten Schritten im Straßenverkehr unterstützen und als Grundlage für die praktische Ausbildung dienen soll, sei er im Rahmen einer Fahrlehrerfortbildung aufmerksam geworden. „Wir waren in Frankfurt, dort war ein solches Modell ausgestellt“, berichtet er, „eine Fahrlehrer-Kollegin aus Kaiserslautern schwärmte in den höchsten Tönen von dem Ding.“ Aus Angst, von Maschinen ersetzt zu werden, stoße die technische Neuerung vor allem bei älteren Kollegen schnell auf Ablehnung. Nicht so bei Claus Reibold: „Ich war sofort angetan, habe die vielen Vorteile gesehen.“ Und sich die Station der Firma Vogel schließlich stolze 22 500 Euro kosten lassen.
Der Nutzer des neuen Geräts bekommt das Gefühl, als sitze er in einem echten Fahrzeug: Vor drei Bildschirmen ist ein Fahrersitz mit Gurt angebracht, auch Lenkrad und Pedale, Handbremse und Blinker sowie ein Armaturenbrett mit Licht sind vorhanden. „Fast alles, was man auch zum echten Fahren benötigt“, wie Fahrlehrer Michael Oechler betont. Insgesamt beinhalte das Gerät sechs verschiedene Lektionen, die die Fahrschüler nacheinander durcharbeiten müssen. „Los geht es mit den Grundlagen. Diese beinhalten die richtige Sitzposition, das Bedienen der Pedale oder Lenkübungen“, erklärt Oechler. In den weiteren Lektionen gehe es dann beispielsweise um Abbiege-Vorgänge und Vorfahrtssituationen. Bei allen Übungen werde der Fahrschüler vom integrierten Computer mit Kamera kontrolliert – da schallt schon mal ein „Hoppla“ aus dem Lautsprecher, wenn der Schulterblick vergessen wird.
TAG DER OFFENEN TÜR
Am Samstag, 25. März, veranstaltet die Fahrschule Reibold in ihrer Filiale am Mathildenplatz 10 von 10 bis 17 Uhr einen Tag der offenen Tür, bei dem sich interessierte Besucher unter anderem über die Arbeit und das Angebot der Fahrschule informieren können. Auch der Fahrsimulator kann besichtigt und getestet werden.
Zum Aufbau des Geräts: Der Vogel-Fahrsimulator besteht aus einem Fahrersitz, einem Lenkrad, einem Armaturenbrett, Pedalen und drei Bildschirmen. Eine eigens entwickelte Software leitet die Schüler individuell durch die verschiedenen Einheiten, gibt Anweisungen und korrigiert, wenn nötig. (vjo)
Eine Einheit dauert etwa eine Dreiviertelstunde und entspricht damit einer echten Fahrstunde. „Die Schüler müssen ein Modul fehlerfrei durchfahren, um zum nächsten Modul zu gelangen“, erklärt Reibold; ein Mitarbeiter überwache das Training. Seien alle Lektionen durch, gehe es in den Straßenverkehr. Grundsätzlich sollten künftig alle Fahrschüler das Einstiegsprogramm nutzen, das im Paket zu zahlen und deutlich günstiger sei. Ausnahmen würden beispielsweise bei Schülern gemacht, die kein Deutsch sprechen.
Kein Ersatz für Praxisstunden
Dass der Simulator die praktischen Stunden ersetzt, sei aber keineswegs der Fall, wie beide Fahrlehrer ausdrücklich betonen. „Er soll auf die Praxis vorbereiten und bietet dabei viele Vorteile“, so Oechler. Zum Beispiel den, dass das Computerprogramm sämtliche möglichen Verkehrssituationen abbildet: „Da steht auch mal ein Polizist und regelt den Verkehr – das sind Situationen, die du so draußen ganz selten hast und entsprechend selten üben kannst. Bei der Fahrprüfung kann es dann aber passieren, dass man mit einer solchen Situation konfrontiert wird. Und dann womöglich nicht optimal darauf vorbereitet ist.“ Das Lernen erfolge am Fahrsimulator außerdem wesentlich stressfreier, beispielsweise könne das Anfahren geübt werden, ohne dass man sich dabei von hupenden Dränglern stressen lassen muss. „Mal ganz davon abgesehen, dass es die Umwelt schont“, ergänzt Reibold.
Dass das neue Gerät durchaus seinen Reiz hat, kann auch Giulia bestätigen. Die 17-Jährige hat ihre Theoriestunden bereits hinter sich gebracht und übt sich nun als erste Kandidatin im Lenken und Anfahren. Einer zeitigen Prüfung scheint bei so viel Übungsvielfalt nichts mehr im Wege zu stehen. Schon gar kein Fußgänger.