Mit seinem Umsonstladen will der Verein Postsiedlung das solidarischen Miteinander im Quartier fördern. Im Januar soll es losgehen, jetzt wird renoviert.
Von Petra Neuman-Prystaj
Vor dem Umsonstladen zeigen die Postsiedler einige Stücke aus dem neuen Laden. Von links: Ega Rasch, Helge Rasch, Lars Berning, Hans-Joachim Gurt, Renate Aschoff, Detlef Wembacher, Ruth Wembacher und Initiator Bastian Ripper.
(Foto: Andreas Kelm)
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DARMSTADT - „Was hatten die für gute Torten, ein Gedicht!“ Die Frau im Rollstuhl trauert noch immer der Bäckerei Treusch an der Ecke Bessunger/Kattreinstraße nach. Als der Bäcker vor zwei Jahren starb, verwaiste sein kleiner Laden. Den Bessungern sind nicht nur seine Backwaren in bester Geschmackserinnerung geblieben, sondern auch das Engagement seiner Frau für notleidende Tiere, zu deren Gunsten sie Bücher und Kleinigkeiten verkaufte. „Der Treusch“ bot stets mehr als das tägliche Brot.
Endlich regt sich hinter dem Schaufenster wieder Leben: Die Räume werden von Mitgliedern des Vereins „Zusammen in der Postsiedlung“ unter dem Namen „Umsonstladen“ reaktiviert. Anknüpfend an die alten Zeiten, wollen sie einen gemütlichen Ort für den Nachbarschwatz schaffen. Gleichzeitig wird der Umsonstladen zum Umschlagplatz für gut erhaltene Gegenstände, die zum Wegwerfen zu schade sind und mit denen man andere glücklich machen kann.
Eine Alternative zur Überflussgesellschaft
Kleider und Schuhe haben dort keinen Platz, dagegen sind gespendete Bücher, Spielsachen und Haushaltsartikel willkommen. Geld wird – abgesehen von der stets aufnahmebereiten Spendenbox – keine Rolle spielen. Denn ein bisschen soll diese Alternative zur Überflussgesellschaft auch zum Umdenken beim Konsumieren erziehen. Zehn Ehrenamtliche werden sich während der Öffnungszeiten abwechseln und für geregelte Abläufe sorgen.
SEIT 2015
Der Verein „Zusammen in der Postsiedlung“ wurde im September 2015 von Bewohnern der Postsiedlung gegründet und hat zurzeit 54 Mitglieder.
Sein Anliegen ist es, die nachbarschaftlichen Beziehungen, aber auch den Natur- und Umweltschutz im Viertel fördern.
Infos über die Spendenplattform unter https://www.betterplace.org/de/projects/71966-ein-umsonstladen-fur-die-postsiedlung-und-darmstadt. (pep)
Am 1. Januar wird es richtig losgehen, vorher muss jedoch der 40 Quadratmeter große Verkaufsraum mit dem kleinen Nebenraum renoviert werden. Dies geschieht in Eigenhilfe, für das Material werden rund 1500 Euro gebraucht. Die alte Theke bleibt erhalten, Regale fehlen noch – und weiteres Geld: Im Startjahr 2020 sollen über 5000 Euro für Miete und Betriebskosten zur Verfügung stehen.
Bastian Ripper, Sprecher des Vereins, hofft, dieses Startgeld mithilfe von Crowdfunding (Gruppenfinanzierung) zusammenzubekommen. Das Management für kleine und Kleinstspenden übernimmt die gemeinnützige Spendenplattform betterplace, die auf diesem Gebiet in Deutschland Marktführer ist. Alle Einnahmen fließen dem Verein zu, Spender bekommen automatisch eine Spendenbescheinigung. Nach dem Startjahr soll der Laden von Spendern aus dem Quartier weiterfinanziert werden.
Der Umsonstladen ist der erste Teil eines ambitionierten Konzepts. Als Nächstes soll die alte Backstube für gemeinsame Backevents genutzt werden. Vorbild dabei sind die alten Dorfbackhäuser, in denen die Bewohner nicht nur Brote für die kommende Woche buken, sondern auch Nachrichten austauschten. Als dritter Schritt ist die Nutzung des ersten Stocks angedacht – vielleicht für ein Reparaturcafé oder die Organisation von Sharing-Modellen.
Der Verein „Zusammen in der Postsiedlung“ hat sich den Slogan „Solidarität findet Stadt“ gegeben und betreibt in der Binger Straße 8 b einen Quartierladen, der einen Seniorenmittagstisch und ein Freitagscafé anbietet. Die Postsiedlung, in der etwa 5300 Menschen leben, erstreckt sich circa 500 Meter rund um die Binger Straße bis zum Südbahnhof.