In der Einrichtung im Fiedlersee in Arheilgen ermöglicht der neue „beschützende Bereich“ Demenzkranken größtmögliche Freiheit. Dazu gehören nicht nur großzügige Räumlichkeiten.
Von Bettina Bergstedt
DRK-Geschäftsführer Jürgen Frohnert, Pflegedienstleiterin Heike Müller und Einrichtungsleiter Beat Hillinger (von links) unterhalten sich in der großen Wohn- und Gemeinschaftsküche im Seniorenheim.
(Foto: Andreas Kelm)
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ARHEILGEN - Großzügig erstrecken sich die Räumlichkeiten im Erdgeschoss über eine weite Fläche, am Nachmittag erscheinen sie auch an trüben Tagen in warmem Licht. Abgedämpftes Gelb an den Wänden, ein heller Fußboden, Sofas und Sessel geben ein paar Farbpunkte: Die Räume strahlen Ruhe aus und schaffen eine behagliche Atmosphäre, durch die großen Fenster sieht man ins Grüne.
Es sind 20 Bewohnerinnen und Bewohner, die im DRK-Seniorenheim von der oberen Etage in den neuen geschützten Bereich ziehen, hinzu kommen neun weitere Demenzkranke. Diese 29 Menschen werden in zwei Gruppen aufgeteilt, von denen jede ihren eigenen Tagesraum, in dem gegessen, gebastelt und gekocht wird, hat. Dazwischen liegen großzügige Einzelzimmer mit Bad und sparsamer Möblierung, damit die Bewohner ihr eigenes Lieblingsstück, vielleicht den alten Ohrensessel, mitbringen können. Die Grundausstattung mit Stuhl, Schrank, Bett und Kommode ist vorhanden.
Beat Hillinger, dem Einrichtungsleiter des DRK Seniorenheims Fiedlersee, geht es aber nicht nur um schöne Räume: „Hier haben wir für die Menschen mit gerontopsychiatrischen Veränderungen einen Bereich geschaffen, in dem wir sie besonders unterstützen können“. Das beinhaltet einen guten Betreuungsschlüssel. Zwischen vier und sechs Pflege- und Betreuungskräfte werden auf der Station sein, hinzu kommen Praktikanten, FSJ-ler und andere temporär eingesetzte Kräfte. „So können wir mit erhöhter Aufmerksamkeit auf die Bewohner achten und eingehen“, sagt Pflegedienstleiterin Heike Müller.
DER ANSATZ
Der Werdenfelser Weg ist ein verfahrensrechtlicher Ansatz im geltenden Betreuungsrechts (nach § 1906 Abs. 4 BGB), der von Fixierung, Medikamenteneinsatz und anderen Maßnahmen (Gurte, Bettgitter u.a.) absehen will. Freiheitsentziehende Maßnahmen sollen auf ein unumgängliches Minimum zur Vermeidung von Eigen- und Fremdgefährdung reduziert werden. (bbeg)
Zuvor lebten sie in größeren gemischten Gruppen, für viele Demenzkranke war eine Orientierung dort schwierig. Und besonders Orientierung ist ein häufiges Problem unter Menschen mit Demenz. Nicht nur die größere Gruppe schafft zusätzlich Irritation, auch der Tag-Nacht-Rhythmus gerät häufig durcheinander und gerade nachts werden die Bewohner unruhig. „Deshalb haben wir hier ein zirkadianes Lichtsystem eingerichtet“, so Hillinger. Das zeichnet den Tagesablauf nach – mit höherem Blaulichtanteil am Morgen und am Nachmittag/Abend mit mehr Rotlicht. Wenn die Sehkraft nachlässt, bekommen die Menschen am Abend schnell Angst, das verstärkt ihren oft unkontrollierten Bewegungsdrang. Noch hinzu kommt, dass die Bewohner sich morgens den Kaffee selbst zubereiten und Brötchen aufbacken, so unterstützt der Morgenduft den Tagesbeginn.
Das neue Betreuungssystem setzt auf Strukturierung des Tagesablaufs und ist auf mehr Freiheit ausgerichtet. Dafür gibt es für jene Demenzkranken, die gerne unterwegs sind, elektronische Armbänder (Transpondersystem), die anzeigen, wenn der Patient das Haus verlässt. „Hier steht niemand mehr vor verschlossenen Türen, nach dem ‚Werdenfelser Weg‘ wird hier niemand mehr weggesperrt. Aber wir wissen Bescheid und können entsprechend reagieren“, sagt der Einrichtungsleiter.
Im Jahr 2010 wurden die ersten Überlegungen für den neuen Demenzbereich gestartet, erläutert Geschäftsführer Jürgen Frohnert, nach zwei Eigentümerwechsel habe man nun einen geeigneten Eigentümer, die Firma Hensel, gefunden. Sozialdezernentin Barbara Akdeniz nannte die Rahmenbedingungen bei der Besichtigung der neuen Räume als ideal: „Gerade der Stadtteil Arheilgen ist mit Demenz-AG und Rundem Tisch ein guter, offener Ort für eine Station, wie Menschen sie brauchen.“