Darmstadt ist kein Fahrrad-Eldorado

Zwischenstopp am Freiberger Platz: Kongressteilnehmer mit Verkehrsplanerin Karin Weber (rote Hose). Foto: Andreas Kelm

Rund 430 Kongressteilnehmer aus dem In- und Ausland nehmen Darmstadts Verkehrspolitik unter die Lupe. Ihr Fazit: Es gibt noch viel zu tun. Aber: Die Richtung stimmt.

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DARMSTADT. Aktuelle Radverkehrsprojekte waren am Samstag Ziel einer im Rahmen des bundesweiten Umwelt- und Verkehrskongresses BUVKO veranstalteten Fahrradexkursion. Das Fazit der rund 20 Teilnehmer: Darmstadt ist kein Fahrrad-Eldorado, es gibt noch viel zu tun. Aber: Die Richtung stimmt.

Zu diesem Urteil kommt beispielsweise Torben Hedderich aus Frankfurt. Wie einige andere hat er in Darmstadt studiert, kennt die Situation von früher und meint: „Es hat sich schon einiges zum Positiven verändert.“ Vor allem die Fahrradstraßen findet der beim ADFC und Radentscheid Frankfurt engagierte Fahrradaktivist gut.

Im Kreuzungsbereich Pankratiusstraße/Rhönring erntet Exkursionsleiterin Karin Weber nicht nur von ihm viel Anerkennung. Die selbstständige Verkehrsplanerin hat selbst an der Ausgestaltung des Übergangs von der Fahrradstraße in den Bürgerpark mitgewirkt und ist mit dem Ergebnis mehr als zufrieden: „Für Radfahrer und Fußgänger wurde eine eigene Ampelphase eingerichtet“, erklärt sie und fügt gleich das selbst für die Planer überraschende Ergebnis hinzu: „Die Leistungsfähigkeit der Kreuzung ist dadurch insgesamt gestiegen.“

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Die grüne Fahrbahnmarkierung der Fahrradstraßen in Kreuzungsbereichen kommt ebenfalls gut an. Darüber, dass diese in Teilbereichen der Pankratiusstraße noch immer fehlt, gehen die Exkursionsteilnehmer großzügig hinweg. Auch das „Darmstädter Kuriosum“, dass die über die Wilhelminenstraße führende Nord-Süd-Radwegeverbindung an der Fußgängerzone abrupt endet, wird gelassen zur Kenntnis genommen und die Räder werden wie vorgeschrieben geschoben. Vorgezogene Abstellstreifen vor Ampelanlagen, wie beispielsweise an der Kreuzung Groß-Gerauer Weg/Holzhofallee oder Moltkestraße/Haardtring finden hingegen ein eindeutig positives Echo. An der Karlstraße weist ein aus Berlin angereister Teilnehmer außerplanmäßig auf die vorbildliche Führung der Radler hin: Eine vorgezogene Haltefläche sorgt hier für einen gefahrlosen Übergang von einem mit Schutzstreifen versehenen Straßenabschnitt in einen ungekennzeichneten Bereich.

Am Groß-Gerauer Weg und der Rüdesheimer Straße erläutert Karin Weber die „Duale Lösung“: Da der alte Radweg zu schmal ist, wurde die Radwegebenutzungspflicht aufgehoben. Piktogramme auf der Fahrbahn zeigen an, dass dort auch Fahrräder unterwegs sein können. „So lassen sich unterschiedliche Nutzungsansprüche erfüllen“, sagt die Verkehrsplanerin. Schließlich seien Radfahrer ja eine sehr heterogene Gruppe – von Schulkindern über den ambitionierten Sportler bis hin zum Senior. Timm Kress vom Darmstädter Radentscheid kann der Lösung dagegen nichts Positives abgewinnen: „Damit sind Konflikte sowohl mit Fußgängern wie mit Autofahrern programmiert.“

Ramón Briegel aus Kassel berichtet ebenso wie ein Teilnehmer aus Dresden, dass man dort eher auf gemeinsam von Fußgängern und Radfahrern benutzte Wege setzt – was in der Gruppe auf ein eher skeptisches Echo trifft. Die Neugestaltung der Heidelberger Straße kommt dagegen besser an: Hier haben Radfahrer ab der Landskronstraße stadteinwärts eine abgegrenzte Fahrspur für sich, die zudem noch mit einem Schutzabstand zu den am Fahrbahnrand parkenden Autos versehen ist. „Hier wurde eine Pkw-Spur beseitigt, was zu erheblichen Diskussionen führte“, informierte Karin Weber, „aber mittlerweile fallen die Reaktionen überwiegend positiv aus.“ Dass an der Rheinstraße Darmstadts erster geschützter Fahrradstreifen entstehen soll, wird mit spontanem Applaus bedacht. Doch auch der Ausruf „Oh Gott, so viele Poller“ ist zu hören, als Karin Weber eine Fotomontage vorzeigt, die die zukünftige Situation visualisiert.

Dass von den bereits vor zig Jahren angekündigten sechs Fahrradstraßen erst drei realisiert sind, dass es bei der seit Jahren angedachten Umfahrung der Fußgängerzone über Zimmer- und Grafenstraße nicht vorangeht, erklärt Karin Weber mit Personalmangel und Umstrukturierungsprozessen in der Verwaltung. Das kommt den Teilnehmer durchaus bekannt vor. „Die Förderung des Radverkehrs ist ein zäher Prozess“, weiß nicht nur Ramón Briegel zu berichten.