Darmstadt gibt 40 Prozent der Kredite an die Hessenkasse ab / Kämmerer: Eine Riesenchance
Mitte September wird Darmstadt auf einen Schlag 40 Prozent seiner Schulden los. Dann startet die vom Land getragene Hessenkasse, die Darmstadts sogenannte Kassenkredite von 276 Millionen Euro übernimmt. Kämmerer André Schellenberg (CDU) begrüßt die Teilnahme an dem Entschuldungsprogramm des Landes ohne Wenn und Aber.
DARMSTADT - Mitte September wird Darmstadt auf einen Schlag 40 Prozent seiner Schulden los. Dann startet die vom Land getragene Hessenkasse, die Darmstadts sogenannte Kassenkredite von 276 Millionen Euro übernimmt. Kämmerer André Schellenberg (CDU) begrüßt die Teilnahme an dem Entschuldungsprogramm des Landes ohne Wenn und Aber. Das sei "absolut sinnvoll" und "eine Riesenchance für die Stadt", sagt er. Damit mache man einen wesentlichen Schritt zur Konsolidierung des Haushalts. Auch das Stadtparlament hat der Ablösung der Kredite mit großer Mehrheit zugestimmt. Die Gesamtverschuldung der Stadt lag Ende 2017 bei 681 Millionen Euro. Darin enthalten waren die Kassenkredite, die Kredite für Investitionen und die Darlehen der städtischen Eigenbetriebe.
Umsonst gibt es die anstehende Entschuldung weder für Darmstadt noch für die anderen hessischen Kommunen, die in den Genuss des Landesprogramms kommen. So muss sich die Stadt die kommenden 30 Jahre an der Tilgung der Kredite beteiligen. Zugleich entfällt ab nächsten Jahr die Möglichkeit, Finanzlöcher im Haushalt weiter mit Kassenkrediten, die vergleichbar mit einem Dispokredit sind, zu stopfen.
Schellenberg räumt ein, dass die Kassenkredite von vielen Kommunen zur dauerhaften Deckung von Defiziten im Haushalt missbraucht worden seien. Probleme damit gebe es vor allem in Hessen und Nordrhein-Westfalen. Auch in Darmstadt wurden in der Vergangenheit immer wieder neue Darlehen aufgenommen, um damit Etatlücken zu füllen. Deshalb sei es "völlig richtig", dass die Landesregierung sich darum jetzt kümmere, betont der CDU-Politiker. Das Land biete den Städten und Gemeinden damit "Hilfe zur Selbsthilfe" an. Ursprünglich waren Kassenkredite dazu gedacht, kurzfristige Liquiditätsengpässe im Ergebnishaushalt zu überbrücken.
DIE FINANZIERUNG DER HESSENKASSE
Kassenkredite waren ursprünglich zur Überbrückung kurzfristiger Liquiditätsengpässe bei der Finanzierung laufender Ausgaben in öffentlichen Haushalten gedacht. Sie sind vergleichbar mit Dispokrediten bei Privatleuten und Unternehmen. Den Kassenkrediten stehen im Gegensatz zu Investitionskrediten keine damit geschaffenen Vermögenswerte wie Gebäude oder Straßen gegenüber.
Mit der Hessenkasse löst das Land Mitte September die Kassenkredite von rund 200 hessischen Kommunen ab. Für die Entschuldung stehen bei einer Laufzeit von 30 Jahren 5,1 Milliarden Euro zur Verfügung.
Finanziert wird die Hessenkasse durch den Eigenbeitrag der begünstigten Kommunen, die über 30 Jahre jährlich 25 Euro pro Einwohner abführen. Damit tragen sie zu 41 Prozent zur Finanzierung bei. Dazu kommen Mittel nach dem Bundesteilnahmegesetz, mit denen der Bund Kommunen unterstützen will (24 Prozent). Das restliche Geld stammt aus dem Landesausgleichsstock (acht Prozent), der aus dem Kommunalen Finanzausgleich gespeist wird, aus dem Landesanteil des Fonds Deutsche Einheit (16 Prozent) und aus weiteren Landesmitteln (elf Prozent).
Die Vorteile der Hessenkasse für die etwa 200 teilnehmenden Kommunen liegen auf der Hand. Sie müssen sich im Schnitt nur zu 41 Prozent mit eigenen Mitteln an der Ablösung der Kredite beteiligen. Dazu führen sie in den kommenden 30 Jahren jährlich 25 Euro pro Einwohner an die landeseigene Wirtschafts- und Infrastrukturbank ab, die von Städten und Gemeinden Kassenkredite in Höhe von 5,1 Milliarden Euro übernimmt. In Darmstadt liegt der Eigenanteil nach Schellenbergs Berechnungen sogar nur bei 31 Prozent. Grund dafür ist vor allem die vergleichsweise hohe Kreditsumme bei einer an der Einwohnerzahl orientierten Tilgung, die sich auf 3,9 Millionen Euro im Jahr beläuft. Zugute kommt Darmstadt auch, dass dabei die Einwohnerzahl vom 31. Dezember 2016 zugrunde gelegt wird. Damals lebten 155.000 Menschen in der Stadt, heute sind es bereits über 160.000.
Weiteres Plus des geregelten Kreditabbaus ist der Wegfall des Zinsrisikos. "Das Damoklesschwert künftig wieder steigender Zinsen wird von uns genommen", freut sich Schellenberg. Nach den Berechnungen des Kämmerers müsste die Stadt, wenn sie die Kredite von 276 Millionen Euro bis 2048 in Eigenregie tilgen würde, dafür bei einem angenommenen Zinssatz von 2,5 Prozent 372 Millionen Euro aufbringen. In die Hessenkasse muss sie für die Ablöse der Darlehen dagegen nur 117.000 Euro einzahlen.
Damit die Hilfsaktion eine einmalige Sache bleibt, verschärft das Land das Haushaltsrecht - allerdings nicht nur für Kommunen, die bei der Hessenkasse dabei sind, sondern für alle. So müssen ab dem kommenden Jahr die Haushalte von Städten und Gemeinden ausgeglichen sein. "Es trifft alle", sagt Schellenberg. "Man muss dann konsolidieren." Die Aufnahme von Krediten sei künftig allenfalls noch in Ausnahmefällen, etwa bei Naturkatastrophen, möglich. Mit Blick auf den Darmstädter Etat gibt sich der Kämmerer zuversichtlich: "Wir kriegen das hin, aber es wird eine Herausforderung sein."
Der Termin zur Ablösung der Kassenkredite verzögert sich entgegen ursprünglichen Planungen vom 1. Juli auf Mitte September. Für Darmstadt und den laufenden Haushalt hat das nach Schellenbergs Worten keine großen Auswirkungen. Die Anträge zur Teilnahme an der Hessenkasse hat der Kämmerer gestellt, den positiven Bescheid des Landes erwartet er im Juli.