Da kann noch was draus werden

„Alles soll zweckentfremdet werden“: Sigrid Spohr (links) und Ina Stoppels von „Ubuntu“ stellen ausgediente Materialien und Fundstücke zur Verfügung, um Neues daraus zu schaffen. Foto: Guido Schiek

Am Mollerplatz in Darmstadt macht das „Haus der 1000 Dinge“ auf, ein Gebrauchtmarkt für Bastel- und Baumaterial aller Art. Anregungen bietet ein „Erfahrungsfeld der Sinne“.

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DARMSTADT. Wenn die Ubuntu-Frauen einen Besucher bitten, Platz zu nehmen, sollte man genauer hinschauen. Schöner runder Kaffeetisch aus hellem Holz –„war mal eine große Kabeltrommel“, sagt Sigrid Spohr; quergelegt ein prima Cafémöbel. Die bunten Hocker? „Auch Kabeltrommeln“, nur kleiner, jetzt mit geblümten Stoffen bezogen. Die massiven Regalstützen an der Wand? „Alte Brockhaus-Lexika“, braucht kein Mensch mehr, hochgestapelt tragen sie jetzt jede Menge Querbretter mit buntem Bastelkarton. Aus allem kann noch was werden: Das ist die Botschaft im „Haus der 1000 Dinge“, das der Ubuntu-Verein in der Mollerstraße derzeit einrichtet.

„Alles soll zweckentfremdet werden“: Sigrid Spohr (links) und Ina Stoppels von „Ubuntu“ stellen ausgediente Materialien und Fundstücke zur Verfügung, um Neues daraus zu schaffen. Foto: Guido Schiek
„Alles soll zweckentfremdet werden“: Sigrid Spohr (links) und Ina Stoppels von „Ubuntu“ stellen ausgediente Materialien und Fundstücke zur Verfügung, um Neues daraus zu schaffen. Im Badezimmer ihres Kaufhauses darf mit Wasser experimentiert werden. Fotos: Guido Schiek

Am Samstag, 31. August, macht das dreigeschossige Kreativ-Kaufhaus um 15 Uhr auf. Am gleichen Tag feiert die Ubuntu-Werkstatt schräg gegenüber ihr Zehnjähriges.

Für alle, die kreativ mit Alltagsmaterialien umgehen, ist Ubuntu am Mollerplatz seit zehn Jahren eine beliebte Adresse. Jetzt macht der Verein einen Quantensprung. Der große Altbau in der Mollerstraße 23, den die evangelische Michaelsgemeinde für zunächst zwei Jahre vermietet, soll ab diesem Wochenende als Kaufhaus, Ideenbörse und Erlebnisraum dienen. Im Erdgeschoss richten die vier Frauen, die das Haus betreiben, gerade ein helles, freundliches Café ein. Hier erzählen Sigrid Spohr, studierte Ernährungswissenschaftlerin, und Ina Stoppels, Kreativ-Therapeutin und Ethnologin mit holländischen Wurzeln, von ihrem „Sechser im Lotto“.

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Material zum Bauen und Basteln bekommt der Verein in solchen Mengen, dass die Werkstatt schon lange zu klein ist. „Sieben Umzugskartons pro Wochen bekommen wir im Schnitt“, sagt Spohr. Firmen, Freunde, Familien wollen Krempel loswerden. Alles „zu schade zum Wegwerfen“, sagen die Frauen. Also nehmen sie die Sachen auseinander, sortieren sie mit einer Handvoll Helferinnen nach Bestandteilen. Entsprechend schaut es im „Haus der 1000 Dinge“ nun aus.

Plastik, Papier, Metall, Textilien, Holz in allen Maßen und Gewichten stapelt sich säuberlich in den Regalen, auch alle selbstgebaut, klar. Neuware, Gebrauchtes, Schrott – „das ist aber nicht zum Reparieren gedacht“, betont Ina Stoppels, „alles soll zweckentfremdet werden.“

Auch schöne Fundstücke aus der Natur können verbastelt werden. In Kästen und Körben liegen sie am Fenster des Wintergartens, mit Blick in den grünen Gemeindegarten: Muscheln, Schnecken, Hölzchen, Federn. Stoppels entdeckt ein paar bunte Vogelfedern: „von meiner Großtante, die einen Papagei hat“.

In diesen Schätzen sollen vor allem Kunden graben, die größere Projekte planen. Spohr sagt: „Unser Angebot ist vor allem für Kitas und Schulen gedacht, die Material für ihre bildnerische Arbeit brauchen.“ Aber auch Familien können sich anmelden, Kindergruppen, Fortbildungswillige auf Suche nach kreativen Impulsen. Wer noch keine echte Idee hat, dem kann vor Ort geholfen werden.

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Eine Bücherei mit Kunstbänden soll Inspiration liefern. Und wer handfeste Anregungen braucht, kann im ersten Stock ins „Erfahrungsfeld der Sinne“ eintauchen. Beispielsweise im ehemaligen Badezimmer des Hauses. Dort gründelt ein dicker Fisch kopfüber im Bällebad und soll Lust aufs Experimentieren mit Wasser machen.

Den Ubuntu-Frauen werden die Ideen jedenfalls nicht so schnell ausgehen. Und das Material auch nicht. Wenn im Erdgeschoss die Regale von der Kundschaft geleert werden, wird oben schon der Nachschub gesichtet, sortiert, in phantasievolle Gefäße gefüllt.

Ein echtes Gemeinschaftswerk ist das Ganze, sagt Stoppels. Passt zur Philosophie des Hauses. Den Begriff „Ubuntu“ hat sie der Zulu-Sprache entlehnt: ein Wort für „Menschlichkeit“ und dafür, „dass wir uns alle als Teil einer Gemeinschaft fühlen“. Schwer zu übersetzen. Aber begreifen kann man es – im „Haus der 1000 Dinge“.