Die Pandemie hat das Leben in Darmstadt stark eingeschränkt. Steigende Inzidenzen und Maskenpflicht prägten 2022. Ein Rückblick.
Darmstadt. Als die Heiner ins Jahr 2022 hineinrutschen, tun sie dies mit weniger Bombast als sonst. Geradezu bescheiden sind die Neujahrswünsche: endlich das dritte Corona-Jahr überwinden, die Hoffnung, dass Omikron milder verlaufen würde als Delta und hoffentlich sind die Masken bald im öffentlichen Raum passé. Ein kurzer Urlaub wäre auch schön. Schließlich sind ja rund 70 Prozent der Bevölkerung zu diesem Zeitpunkt geimpft. Vieles, aber nicht alles davon wird in Erfüllung gehen.
Die selbstgesteckten Vorsätze werden vor beschaulicher Runde gefasst – höchstens zu zehnt (geimpft oder genesen, Unter-14-Jährige nicht mitgezählt) – und wie 2020 erleuchten kaum Raketen den Nachthimmel, denn es gibt ein Feuerwerksverkaufsverbot. Was dort knallt, sind also höchstens Altbestände oder Importwaren. Nicht aufgehört haben die Wortneuschöpfungen, die seit Anbeginn der Pandemie durchs Land ziehen: Boostern ist zum Jahresanfang 2022 angesagt. Früher hätten die meisten damit einen Energy-Drink assoziiert, nun ist es die Drittimpfung. Ebenso wenig ist ein „Hotspot“ ein öffentlicher W-LAN-Punkt, sondern eine Kommune mit einer Inzidenz von 350 an drei aufeinander folgenden Tagen. Vokabeln, die heute prähistorisch wirken.
Inzidenzen in ungeahnten Höhen
Und doch sind die schlimmsten Inzidenzen noch gar nicht ausgestanden. Gegen Omikron sind die früheren Peaks in den Grafiken nicht mehr als Sandhügelchen. Darmstadt geht mit einer Inzidenz von 261 ins neue Jahr – das klingt viel, sollte sich aber nur einen Monat später fast verachtfachen. Noch hoffen die Verantwortlichen in Verwaltung und natürlich die Bürger, dass der Hotspot-Kelch an ihnen vorübergehen wird. Ein tollkühner Wunsch, der sich eine Woche nach Silvester in Luft auflöst.
Die Allgemeinverfügung tritt ab dem 9. Januar in Kraft. Und es gilt wieder vieles von dem, was den Heinern schon aus 2021 bekannt war: Maskenpflicht in der Fußgängerzone, 2G-Plusregeln in Innenbereichen (also auch mit tagesaktuellen Tests), Alkoholverbot an belebten Plätzen. Der 7. Februar geht für Darmstadt als Allzeit-Höchstwert in die Geschichte ein (Inzidenz: 1961,4) danach verliert Omikron etwas an Heftigkeit, wobei die wiederkehrenden Höcker, die allesamt höher sind als alles, was noch 2020 und 2021 als Maximum galt, nicht ausbleiben.
Omikron ist viel ansteckender, führt aber in Relation zur Gesamt-Prävalenz aber seltener zu schweren Erkrankungen. Es gibt angespannte Situationen, von denen der Krisenstab der Stadt berichten wird. Keine Dramatik wie in den beiden Vorjahren, aber absolute Wachsamkeit. Denn es gibt weiterhin schwere bis tödliche Verläufe – 89 Menschen haben in diesem Jahr im Zusammenhang mit dem Virus ihr Leben verloren. 2021 waren es 100.
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Hinzu kommen die bekannten Schwierigkeiten: Angespannte Personallagen auf den Intensivstationen, die „kritische Infrastruktur“ macht im Frühjahr die Runde. Feuerwehr, Polizei, Energieversorger und der Gesundheitssektor müssen funktionstüchtig bleiben, denn wer in Quarantäne muss, fehlt an anderer Stelle. Manche Notfallpläne, die in den Schubladen liegen, erlauben es den Mitarbeitern, auch in der Dienststelle zu nächtigen. Die Infrastruktur hält, so viel vorweg.
Auch die Sorgen von Einzelhandel, Gastronomie und weiteren Gewerbetreibenden werden mit dem Frühjahr kleiner, es gibt Silberstreife am Horizont: Anfang Februar kippt die Stadt die 2G-Kontrollen im Einzelhandel, die Bändchen, die den Status der Kunden anzeigen sollen, sind wenige Tage darauf obsolet, denn das Land kassiert die eigene Hotspot-Regel wieder ein.
Die Lockerungen kommen in Wellen
Das freut neben Kulturbetrieben auch Fußballer – bis zu 50 Prozent der Plätze dürfen in den Stadien besetzt werden. Im März, April und Mai geht es dann Schlag auf Schlag: Die Maskenpflicht entfällt ab dem 2. April weitestgehend und gilt in ausgewählten Bereichen (ÖPNV, Arztpraxen, Altenheimen), einen Monat später entfällt die Testpflicht in Schulen, Präsenzunterricht ist die Regel, es gelten verkürzte Quarantänezeiten (fünf Tage). Am Ende der Lockerungen, die nur kurzzeitig im Juli etwa durch Besuchsverbote wie am Klinikum einen kleinen Rückschritt erfahren, wird sogar das Ende der Selbst-Isolation stehen.
Es ist ein Sommer mit Urlaub, Volksfesten und Massenansammlungen (volles Stadion, Schlossgraben- und Heinerfest, Weihnachtsmarkt). Dr. Cihan Celik, seit diesem Jahr Sektionsleiter Pneumologie am Klinikum, erhält die Silberne Verdientplakette der Stadt; geimpft wird neben den Arztpraxen stationär noch im der Ambulanz des Gesundheitsamts. Das Darmstadtium als überregionales Impfzentrum ist längst Geschichte.
Und auch im Winter tritt die anfangs befürchtete Überbelegung mit Corona-Patienten bislang nicht ein. Das war im Dezember 2021 prekärer, als alle Intensivbetten im Versorgungsgebiet 6 belegt waren, 17 Corona-Intensivpatienten zählten die Kliniken damals. Laut Divi-Intensivregister (Stand 30. Dezember) werden in Darmstadt-Stadt von 58 Intensivpatienten sechs wegen Covid-19 behandelt, zwei Patienten davon mit invasiver Beatmung. Gleichwohl sind nur 3,3 Prozent der Betten zu diesem Zeitpunkt frei.
Corona und seine Folgen bleiben auch 2023 sichtbar: im Gesundheitssektor und teilweise im öffentlichen Bild. Denn im ÖPNV ist die Maske weiterhin Pflicht. Dieser Wunsch hat sich also nicht erfüllt.