Weniger Lärm, weniger Risiken im Straßenverkehr in Darmstadt verspricht sich die Stadt von ihrer neuen Tempo-30-Initiative.
DARMSTADT. Geht doch: Mehr als ein Vierteljahr nach dem Tod einer 53 Jahre alten Frau auf dem Cityring drängt die Stadt Darmstadt jetzt auf eine Tempo-30-Zone an der Unfallstelle - ganztägig statt wie bisher nur nachts. Ein entsprechender Antrag liegt derzeit beim Regierungspräsidium, das die Sache entscheiden und anordnen muss.
Mehr Sicherheit soll das für alle Verkehrsteilnehmer bringen, besseren Verkehrsfluss, ebenso weniger Straßenlärm für die Anwohner. An vielen Fassaden zwischen Hügelstraße und Landgraf-Georg-Straße wurden Lärmpegel errechnet, die die erlaubten Grenzen überschreiten. Es bestehe "dringender Handlungsbedarf", sagt die Stadt jetzt. Den Rad-Aktivisten, die schon lange auf Tempo 30 drängen, geht das aber nicht weit genug.
Drei bis vier Wochen kann die Genehmigung durch das RP dauern, heißt es dort auf Anfrage. Wenn's denn so kommt wie von der Stadt jetzt forciert, dann sieht die Initiative "Radentscheid" einen "entscheidenden Fortschritt in Sachen Verkehrssicherheit", sagt Sprecher David Grünewald. "Es wird im Ergebnis sicherer für alle Verkehrsteilnehmer." Die Autofahrer kommen bei Tempo 30 flüssiger durch - das sagen Berechnungen des Bundesumweltamts, auf die sich die Stadt beruft. Die Bremswege verkürzen sich - gut für hunderte Fußgänger und Radler, die die mehrspurige Straße dort täglich ungeregelt queren. Denn der Anhalteweg für Autos (das ist die Reaktionszeit des Fahrers plus der Bremsweg des Wagens) wird bei Tempo 30 halbiert im Verhältnis zur derzeit erlaubten Höchstgeschwindigkeit - die wegen des Gefälles der Straße häufig überschritten wird.
Mehr als 20 Prozent sind zu schnell
Im Juni und August 2018 maß das Ordnungsamt, dass mehr als 20 Prozent aller Autos, die aus dem Tunnel in der Hügelstraße kommen und weiter Richtung Cityring fahren, zu schnell unterwegs waren. Spitze: 78 Sachen. Die Stadt verspricht deshalb, die Tempo-30-Zonen im gesamten Stadtgebiet "weiterhin konsequent zu überwachen", hieß es bereits im März. Doch für echten Schutz für Radler und Fußgänger sehen die Rad-Aktivisten noch weitere Anstrengungen notwendig.
So bleibt "die Forderung nach einer weiteren Überquerung an der Unfallstelle gültig", sagt Grünewald. Das lehnt die Stadt bisher ab. Rückstaus könnten die Folge sein, die über die Kreuzung Karlstraße/Nieder-Ramstädter Straße hinweg reichen und so auch Busse und Bahnen massiv behindern könnten. Derzeit, so heißt es, denkt eine Fachkommission über das Aufstellen weiterer Hinweisschilder nach, die deutlicher auf die nahe gelegene und ungefährliche Unterführung hinweisen. Die aber wird von vielen Passanten nicht genutzt.
Wirkliche Sicherheit könnte eine eigene, baulich getrennte Spur für Radfahrer auf der Kirch- und Holzstraße bringen. Die "schwimmen im Moment im Mischverkehr mit", sagt der Rad-Aktivist - umgeben von Autos mit Tempo 50, 60, 70. Er hält es "für durchaus denkbar, dass man dafür eine Spur wegfallen lässt". Das hatten Fachleute der Stadt schon vor zehn Jahren empfohlen. Die Kommune hält die gestiegenen Verkehrszahlen dagegen.
21.000 Fahrzeuge täglich
So bleibt einstweilen das Versprechen, dass es erstmal leiser wird am Cityring. Rund 21.000 Fahrzeuge täglich fahren im Schnitt auf der Kirch- und Holzstraße, davon rund 500 Lastwagen. Das gibt Dauerlärm: An zahlreichen Fassaden von Wohnhäusern entlang der Straße haben Fachleute ganztags einen Schallpegel von mehr als 70 Dezibel gemessen. Das entspricht etwa dem Krach eines Rasenmähers. Dürften motorisierte Fahrzeuge hier nur noch Spitze 30 fahren, gäbe es "eine Lärmreduktion von etwa drei Dezibel", hat das Vermessungsamt errechnet; so steht es in der Begründung des aktuellen Antrags. Klingt nicht nach viel, wird aber als deutlich leiser wahrgenommen, sagen Fachleute. Etwa drei Dezibel können den Unterschied machen zwischen normaler Gesprächslautstärke und sich anbrüllen.
Lange hatte die Stadt erklärt, es könne schwierig werden mit einer Ausnahme-Genehmigung an dieser Stelle. Auf Hauptstraßen sind generell 50 Sachen erlaubt, dazu zählt der Cityring. Aber die Zeichen stehen gut, dass es mit der Genehmigung jetzt doch klappen könnte: Das RP hatte die Tempo-Reduzierung vor einiger Zeit selbst vorgeschlagen, als Teil ihres "Lärmaktionsplans" für Stadt und Umland.