"Je angespannter der Wohnungsmarkt, desto brutaler ist die Abfrage der Makler", sagt Margit Heilmann vom Mieterbund Darmstadt. Den Verein erreichten zunehmend Anfragen, was Vermieter alles fragen dürften. Doch natürlich weiß auch die Juristin, dass ein Mieter kaum eine Chance auf die Wohnung hat, wenn er die Selbstauskunft nicht vollständig ausfüllt.
Von Patrick Körber
Leiter Lokalredaktion Darmstadt und Südhessen
Um überhaupt zu einem Wohnungsbesichtigungstermin eingeladen zu werden, muss man vorher oft eine Selbstauskunft ausfüllen. Foto: dpa
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DARMSTADT - Wenn Anja Siebert (Name von der Redaktion geändert) nicht so dringend eine neue Wohnung suchte, könnte sie über das ein oder andere sicherlich lachen, was sie bei Besichtigungsterminen erlebt hat. Zum Beispiel als die Darmstädterin von einem Vermieter gefragt wurde, ob sie gerne koche. "Ich habe gesagt, ich esse schon gerne regelmäßig warm." Dem Vermieter war das allerdings nicht so recht, denn die neue Einbauküche solle sich nicht so schnell abnutzen.
Neben solchen heiteren Erfahrungen ist Anja Siebert entsetzt, was Makler und Vermieter über ihre potenzielle Mieterin alles im Vorfeld erfahren wollen. "Manche Makler wollten sogar die Kontoauszüge sehen, um zu überprüfen wie viel Geld ich habe." Doch über was sich die junge Frau am meisten aufregt, ist der Selbstauskunftsbogen des Darmstädter Immobilienverwalters Manfred Strauss. In dem Bogen, der der Redaktion vorliegt, wird sogar die Frage nach der Religion gestellt. "Was geht es den Vermieter an, woran ich glaube", ist Siebert empört.
Die Geschäftsführerin des Mieterbundes Darmstadt, Margit Heilmann, bestätigt, dass die Frage unzulässig ist. "Generell ist die Frage nicht erlaubt." Auch der Geschäftsführer der Eigentümervertretung Haus & Grund Darmstadt, Felix Schaefer, hält die Frage nach der Religion für nicht relevant. "Die Religionszugehörigkeit wird überbewertet", meint der Jurist.
Der Hausverwalter Manfred Strauss ist sich auf Anfrage keiner Schuld bewusst. Dass er nach Religionszugehörigkeit aussortiere, bestreitet er. "Ich biete an, dass man das angibt. Das ist ganz freiwillig." Jeder müsse selbst entscheiden, was er ausfülle. "Ich habe Mieter aller Religionszugehörigkeit", meint Strauss. Zuletzt habe er an ein homosexuelles Paar aus Brasilien vermietet. Die Mieter müssten einfach zum Haus passen. Warum er dann nach der Religion frage, wenn es kein Selektionsmerkmal ist, beantwortet der Hausverwalter nicht direkt. Die Frage nach Religion sei nur eine Facette, "um ein Gesamtbild zu bekommen", so Strauss, der Mitglied im Immobilienausschuss der IHK ist.
"Je angespannter der Wohnungsmarkt, desto brutaler ist die Abfrage der Makler", sagt Heilmann vom Mieterbund. Den Verein erreichten zunehmend Anfragen, was Vermieter alles fragen dürften. "Für mich stellt sich die Frage eher dahingehend, bei was man lügen darf." Denn natürlich weiß auch die Juristin, dass ein Mieter kaum eine Chance auf die Wohnung hat, wenn er die Selbstauskunft nicht vollständig ausfüllt. Wo also darf man die Unwahrheit sagen, ohne Gefahr zu laufen, nachträglich gekündigt zu werden? Bei der Frage nach der Religion darf man Falschangaben machen. Auch den Grund für den Wohnungswechsel müsse man nicht wahrheitsgemäß angeben. Dennoch fragt dies sogar der städtische Bauverein in seinem Online-Formular ab.
"Soll man da sein Privatleben offenbaren, ob man sich gerade von seinem Mann oder Partner getrennt hat", ärgert sich Anja Siebert über die intime Frage. Die Pressesprecherin des Bauvereins, Maren Cornils, verweist darauf, dass dies eine freiwillige Angabe sei. Sei "dort beispielsweise vermerkt 'alte Wohnung zu laut wegen Innenstadtnähe', ist das eine wichtige Info, die hilft, auch hier die richtige - in diesem Fall also eine ruhige (...) Wohnung für den Mieter zu finden".
Die Frage nach Kindern, die mit einziehen, ist laut Mieterbund zulässig, könnte aber auch ein Kriterium sein, die Wohnung nicht zu vermieten. Aus Sicht des Bauvereins gibt es gute Gründe, das abzuprüfen: "Eine kinderreiche Familie in ein Haus zu setzen, in dem überwiegend ältere Mieter wohnen und das eventuell hellhörig ist, führt, so zeigt es die Praxis, oft zu Konflikten. Dies versucht die Bauverein AG als Vermieterin durch einen guten, nachhaltigen Mietermix zu vermeiden", so Cornils. Auch die Staatsangehörigkeit möchte der Bauverein kennen, bevor es zu einem Besichtigungstermin kommt.
Die Angabe zur Nationalität sei eine freiwillige Angabe. "Bei der Vermietung spielt die Nationalität keine Rolle", beteuert die Bauverein-Sprecherin. Das Wissen um die Nationalität könne aber hilfreich sein, wenn es um den Mietermix in Liegenschaften gehe, etwa um Kurden nicht in ein Haus mit überwiegend türkischstämmigen Bewohnern einziehen zu lassen. Heilmann vom Mieterbund hält die Frage für unzulässig, Schaefer von Haus & Grund für gerechtfertigt. Der Mieter müsse sich beim Abschließen des Vertrags schließlich ausweisen. Nicht erlaubt sind laut Mieterbund Fragen, ob man vorbestraft ist. "Die Strafe ist abgebüßt", so Heilmann. Ein Recht habe der Vermieter allerdings darauf, die Bonität zu überprüfen, etwa über einen GehaltsnachweisAuf die Frage, ob man Raucher sei, könne man die Unwahrheit sagen, wenn es unter 30 Zigaretten pro Tag sind. Heilmann bezieht sich bei ihren Ratschlägen auf diverse Gerichtsurteile.
Und was Anja Siebert, die seit Monaten nach einer passenden Wohnung sucht, ebenfalls extrem irritiert ist, dass sie beispielsweise über das Immobilienportal Immoscout ihr Gehalt und ihren Arbeitgeber offenbaren soll, in den meisten Fällen aber gar nicht ersichtlich sei, wer die Daten erhält. "Wir wissen nicht, was der Empfänger mit den Daten macht", sieht auch Margit Heilmann als Datenschutz-Problem.