Auf den Einzug in die typisch amerikanisch geschnittenen Wohnungen ihres Mehrfamilienhauses in der Lincoln-Siedlung freuen sich Barbara Köderitz (rechts) und Andrea Walther mit Tochter Esra, dem jüngsten Mitglied des Heinersyndikats. Foto: Daniel Baczyk
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DARMSTADT - In der Lincoln-Siedlung haben die Abrissbagger viel Arbeit. Die hinterlassenen Wohnblocks der Amerikaner treffen weder vom äußeren Erscheinungsbild noch vom Zuschnitt der Wohnungen her den deutschen Geschmack im 21. Jahrhundert. Entlang der Heidelberger Straße haben einige Häuser immerhin eine zehnjährige Gnadenfrist erhalten.
Block 4423 aber soll dauerhaft stehen bleiben. „Für uns war von Anfang an klar, dass das Haus erhalten wird“, sagt Barbara Köderitz. „Wir wollen schließlich nachhaltig leben. Und außerdem wären Abriss und Neubau auch zu teuer gewesen.“
Die 56 Jahre alte Universitäts-Angestellte spricht für das Wohnprojekt Heinersyndikat, das jetzt einen Bauantrag für das Mehrfamilienhaus an der Einsteinstraße eingereicht hat – als erstes Projekt für gemeinschaftliches Wohnen in der Lincoln-Siedlung. Mitte 2018 wollen 23 Erwachsene und zwölf Kinder die Wohnungen in Block 4423 beziehen.
DIE PROJEKTE
In der Lincoln-Siedlung können mehrere Wohnprojekte ihre Konzepte vom gemeinschaftlichen Wohnen verwirklichen. Außer dem Verein Heinersyndikat haben Wohnsinn Bessungen und Zusammenhaus Lincoln den Zuschlag erhalten. Kein Wohnprojekt im eigentlichen Sinn ist die Neue Wohnraumhilfe, die ebenfalls Wohnungen übernehmen wird. Das Heinersyndikat lädt ein zum „Offenen Wohnzimmer“ mit Führung: am Freitag, 26. Januar 2018, ab 15 Uhr im Wohnhaus Einsteinstraße, Wohnblock 4423. (db)
Im Wohnhaus sind noch Zimmer frei
Bis dahin aber wartet noch viel Arbeit auf die Mitglieder des Vereins Heinersyndikat. Das dreistöckige Haus mit 1700 Quadratmeter Wohnfläche bleibt stehen, wird aber im Inneren umfassend umgebaut. Dabei viel in Eigenarbeit zu erledigen, gehört zur Grundidee des Wohnprojekts: „Das genaue Gegenteil einer Konsumhaltung“, sagt Köderitz.
Aus den bestehenden 18 Wohnungen – sechs an jedem der drei Treppenhäuser – sollen 16 bewohnte Wohnungen und zwei Gemeinschaftsräume werden. Die Aufteilung der Wohnungen wird sich dabei stark verändern.
Das Heinersyndikat plant drei Wohngemeinschaften mit jeweils fünf bis zehn Zimmern, die durch Zusammenlegung von Nachbarwohnungen gebildet werden sollen. Dafür werden Zwischenwände durchbrochen. Neu entstehen sollen zudem sieben Wohnungen für Ein-Personen-Haushalte. Darunter ist eine Sozialwohnung. der Rest sind, wie schon zu Zeiten der Amerikaner, Familienwohnungen.
Eine davon wird Andrea Walther mit ihrem Mann und zwei kleinen Töchtern beziehen. Das Modell ist für sie maßgeschneidert: „Ich möchte gerne in Gemeinschaft wohnen mit Menschen, die am Zusammenleben interessiert sind und mit denen der Grundkonsens stimmt“, sagt die 38 Jahre alte Lehrerin. „Ich will aber auch eine Familienwohnung, bei der ich die Tür zumachen kann.“
Für das Gemeinschaftsleben sollen zwei große Wohnungen hergerichtet werden: eine für interne Treffen, in der es auch Gästezimmer geben wird, „und ein Für-alle-Raum, mit dem wir uns als Projekt ins Quartier öffnen“, erklärt Köderitz.
Noch sind nicht alle Wohnungen im künftigen Quartier des Heinersyndikats voll belegt. „Wir haben noch Platz“, sagt Barbara Köderitz. Es gebe Wartelisten, die würden nun abgefragt. „Wir sind aber keine Vermieter“, betont sie. „Wir legen wert darauf, dass wir zueinander passen. Interessenten sollten bereit sein, Zeit zu investrieren. Das Heinersyndikat ist selbstverwaltet. Es gibt keinen Hausmeister und viel Arbeit. Deswegen wollen wir gerne Anpacker haben.“ Dabei gehe es nicht nur um handwerkliche Tätigkeiten: Auch die Buchhaltung oder die Planung von Veranstaltungen wollen erledigt werden.
Zeit muss auch investiert werden für die Entscheidungsfindung innerhalb der Gemeinschaft. „Wir wollen alles im Konsens entscheiden“, sagt Andrea Walther. „Jedes Mitglied der Gruppe muss mit der Entscheidung leben können. Das kann sehr aufwendig sein.“
Mitglieder werben um Kleinkredite
Bereits entschieden hat das Heinersyndikat, Eigentümer des selbst bewohnten Hauses werden zu wollen. 1,8 Millionen Euro kostet die Immobilie; weitere 1,2 Millionen werden für die Umbaumaßnahmen kalkuliert. Nach dem Vorbild anderer Syndikatsprojekte in Deutschland setzt der Verein für den Eigenanteil auf Direktkredite von Privatpersonen. An Infoständen und bei Veranstaltungen haben die Mitglieder um Kleinkredite geworben, die verzinst werden.
Ende voriger Woche verzeichnete das Heinersyndikat den 100. Kreditgeber. 769 000 Euro kamen bis dahin zusammen. Die Verhandlungen mit den Banken über ein Darlehen sollen bald beginnen.