Seit Kurzem statten Banken ihre Kunden mit einer NFC-fähigen Girocard aus, die das kontaktlose Bezahlen ermöglicht. Doch wie weit kommt man damit in einer Stadt wie Darmstadt...
DARMSTADT. Morgens, halb zehn in Darmstadt. Der Hunger treibt mich in die Innenstadt. "Kartenzahlung wird hier nicht akzeptiert", sagt mir die Verkäuferin einer Bäckerfiliale. Normalerweise kein Problem, denn Bargeld gehört eigentlich immer in mein Portemonnaie. Heute jedoch will ich herausfinden, wie weit das kontaktlose Zahlen in der Digitalstadt Darmstadt angekommen ist.
Deutschland hängt beim Thema kontaktloses Bezahlen hinterher. In Großbritannien feiert diese Bezahlvariante bereits ihr elfjähriges Bestehen. Nun versucht die Sparkasse, die Technik auch in Deutschland zu etablieren und andere Banken ziehen mit: Auch viele Karten anderer Banken sind bereits für das kontaktlose Bezahlen ausgelegt. Für Oliver Berg, Leiter mediale Vertriebswege der Sparkasse Darmstadt, ist das der erste Schritt, um das kontaktlose Bezahlen in Deutschland zu etablieren. "Die Volksbanken ziehen mit und wir reden davon, dass circa 60 Prozent der Terminals im Handel auf kontaktloses Zahlen umgerüstet wurden", sagt Berg.
Das kontaktlose Bezahlen funktioniert per Near Field Communication, kurz NFC. Es beschreibt die Kommunikation zwischen zwei Elementen, die sich nahe beieinander befinden. Also zum Beispiel die Bankkarte und das Bezahlterminal an der Kasse. Ob die Girocard NFC fähig ist, kann an einem W-LAN ähnlichem Symbol neben dem Chip erkannt werden. Auch das Bezahlen per Handy ist möglich. Dafür brauchen die Nutzer einen Onlinebanking-Zugang, müssen mindestens 18 Jahre alt sein und benötigen ein NFC fähiges Android-Handy mit der Androidversion 5.0 oder höher.
Zurück in die Darmstädter Innenstadt: Mein Brötchen habe ich beim Bäcker nicht bekommen. Eine große Bäckerei in Darmstadt hat bereits auf die Terminals für das kontaktlose Bezahlen umgestellt, doch für andere zählt nur Bares. Meine Hoffnungen ruhen nun auf dem Mittagessen. Gängige Fast-Food-Ketten akzeptieren das Bezahlen per NFC, doch das war noch nie mein Fall. Lieber eine klassische Currywurst mit Pommes. Doch auch hier akzeptiert die Verkäuferin keine Karte. "Irgendwann wird es kein Bargeld mehr geben, aber bis dahin wollen wir keine Kartenzahlung."
In der Statistik der Bundesbank vom Juni 2018 ist vom Verschwinden des Bargelds noch nichts zu sehen. Im Jahr 2017 waren Münzen und Geldscheine mit 74 Prozent der getätigten Zahlungen immer noch klar das bevorzugte Zahlungsmittel der Deutschen. Insbesondere Kleinbetragszahlungen bis fünf Euro und Ausgaben bis 50 Euro werden größtenteils in bar beglichen. Beim Umsatz hat das Bargeld allerdings das Nachsehen. Erstmals seit dem Beginn der Erhebungen ist der Bargeldanteil am Umsatz der Geschäfte auf unter 50 Prozent gefallen.
Doch warum sollten denn die Kunden und Händler ihr Leben überhaupt bargeldlos bestreiten? "Der größte Vorteil ist das Thema Geschwindigkeit", erklärt Andreas Berg von der Sparkasse. "Die Kartenzahlung hat generell Vorteile für die Händler und den Kunden. Die Kunden haben weniger Bargeld in der Tasche und für die Händler gibt es weniger Bargeldlogistik."
In meinem Portemonnaie ist zwar weniger Bargeld und es lässt sich sogar bequem in der Gesäßtasche tragen, doch ebenso leer ist mein Magen. Zum Glück haben die großen Supermarktketten in Deutschland inzwischen auf die Zahlung per NFC umgestellt. Der Bezahlvorgang geht dabei zügig voran. Karte anhalten, wenige Sekunden warten und schon gibt es ein optisches und akustisches Signal, welches das Ende des Bezahlvorgangs anzeigt. Unter einem Wert von 25 Euro entfällt darüber hinaus die Eingabe der PIN. Schnell ist das kontaktlose Bezahlen also, aber auch sicher?
Schutzhüllen verhindern unbefugten Zugriff
Professor Ahmad-Reza Sadeghi, Director des System Security Lab an der Technischen Universität Darmstadt, kennt die Gefahren des kontaktlosen Bezahlens. Falsche Bezahlterminals können unbemerkt an die Karte gehalten werden und so einen Bezahlvorgang auslösen. "Abhängig von der Ausrüstung des Angreifers, zum Beispiel mit stärkeren Sendern, größeren Antennen und sensibleren Empfängern, können diese Vorgänge auch aus größerer Entfernung ausgelöst werden", sagt Sadeghi. Das kontaktlose Bezahlen per Smartphone sei noch unsicherer. Doch die Nutzer können sich auch gegen Angriffe schützen. "Mehrere NFC-Karten im Portemonnaie reichen schon als Störquelle, ansonsten gibt es Schutzhüllen, die die Kommunikation unterdrücken", erklärt Sadeghi. "Bei der Nutzung der Smartphone-App muss darauf geachtet werden, regelmäßig Updates durchzuführen. Außerdem sollte vor der Nutzung einer der kontaktlosen Zahlungs-Apps selbst recherchiert werden, wie sicher diese ist." Zudem gibt es auch die Möglichkeit, den Vorgang am Handy per Fingerabdruck bestätigen zu lassen.
Große Warenhäuser, Elektromärkte oder Parfümerien akzeptieren das Bezahlen per NFC. Doch das soll nicht alles sein. Auf Großveranstaltungen in Darmstadt soll künftig ebenfalls das kontaktlose Bezahlen möglich sein. Den Start in Darmstadt machte das Weinfest am vergangenen Wochenende. "Mit dem Pilotprojekt, das von der Digitalstadt Darmstadt gesteuert wird, geht das traditionsreiche Weinfest neue, innovative Wege", erklärt Anja Herdel, Weinfestorganisatorin der Digitalstadt Darmstadt. Sechs der insgesamt 27 Winzer auf dem Fest wurden mit den passenden Geräten ausgestattet. Im Gegensatz zu dem Kassieren im Einkaufsmarkt ist das kontaktlose Bezahlen auf dem Weinfest nicht schneller. "Die Barzahlung ist auf jeden Fall schneller", sagt Frank Langer vom Weingut Abteihof St. Nicolaus. "Bis man den Betrag in das Gerät getippt, dem Kunden die Karte gegeben und auf den Bon gewartet hat, das dauert einfach."
Trotzdem sehen die Winzer auch Vorteile. Michael Lucius, der an seinem Stand ebenfalls das bargeldlose Bezahlen ermöglicht, findet die neue Methode gut. "Für die Kunden ist es einfacher. Außerdem müssen sie nicht ständig zur Bank rennen, wenn das Bargeld alle ist", erklärt er. Für ihn ist klar: "Das bargeldlose Bezahlen wird sich in den nächsten Jahren etablieren." Es braucht wohl noch Zeit.
Das Fazit: Mit dem kontaktlosen Bezahlen kommt man zumindest in Darmstadt schon weit. Das liegt vor allem an den großen Ketten. Doch wer in kleineren Läden einkaufen möchte, wird auf Bargeld bis auf Weiteres nicht verzichten können.
Von Marcel Großmann