Bauverein Darmstadt bremst Solarprogramm aus

Obwohl die Stadt Mini-PV-Anlagen empfiehlt, dürfen Bauverein-Mieter diese nicht nutzen. Dieser Widerspruch verwundert Mieter, die gerne Panels anbringen würden.  Foto: Andreas Kelm

Die städtische Wohnungstochter hat Panel-Balkonanlagen für Mieter zunächst aus Sicherheitsgründen abgelehnt, arbeitet aber an Lösungen. Mieter zeigen sich dennoch irritiert.

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DARMSTADT. Die Gaskrise infolge des Ukrainekriegs macht es dringlicher denn je: Die Nutzung erneuerbarer Energien soll ausgebaut werden, auch in Darmstadt. So hat die Stadt vor einem Jahr ein Förderprogramm gestartet, das Bürgern Zuschüsse gewährt für Mini-Solarpanels auf Balkonen. 110 Anlagen wurden bislang realisiert. Allerdings nicht in Häusern der städtischen Bauverein AG, denn sie erlaubt das ihren Mietern bislang nicht.

Darüber wundert sich etwa Alfred Hensel. Er wohnt in einem Bauverein-Neubau in der Lincoln-Siedlung und möchte sich eine solche Fotovoltaikanlage anschaffen. Doch die Stadttochter hat seine Anfrage abgelehnt. Begründet wurde das schriftlich vor allem mit Sicherheitsbedenken, wie Risiken für die Haustechnik, Brandgefahren oder Fragen der Statik und Verkehrssicherung.

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„Diese Gründe sind lächerlich“, findet Hensel. Und er sei nicht der Einzige. In der Nachbarschaft gebe es weitere Interessenten, die auch Absagen erhalten hätten. „Damit konterkariert der Bauverein nicht nur die Förderpolitik der Stadt, sondern auch die Intentionen der Klimawende“, moniert der Mieter.

Bürgerinitiative klärt über Vorteile auf

Unverständlich findet man das auch bei der Bürgerinitiative „Heiner*Energie“, Partner der Stadt bei der Umsetzung des Förderprogramms. „Die Begründungen sind für uns nicht nachvollziehbar“, sagt Marie Mittenzwei, die sich bei der Initiative engagiert und selbst eine Balkonsolaranlage für ihre Bauverein-Wohnung in Bessungen realisieren will.

Sie von Heiner*Energie erlebten zwar immer mal wieder Einzelvermieter, die Bedenken sehen hinsichtlich der Mini-Solaranlagen. „Aber auch mangels Wissens“, meint die Ingenieurin. Wie die Initiative auf ihrer Homepage informiert, braucht es für diese Solarpanels lediglich eine passende Steckdose. Als erstes aber müsse man E-Netz-Südhessen als örtlichen Netzbetreiber kontaktieren und erhalte dort alle weiteren Infos.

Zugang soll allen ermöglicht werden

So empfiehlt E-Netz, für die Umsetzung einen Installateur hinzuzuziehen, um eine spezielle Einspeisesteckdose setzen zu lassen. Für diese steckerfertigen Anlagen mit einer Leistung bis 600 Watt, die das Förderprogramm bezuschusst, werde ein vereinfachtes Anmeldeverfahren angeboten. „Wir haben einen ganz unbürokratischen Weg gewählt“, sagt Gert Blumenstock von der Entega-Pressestelle. Man müsse nur ein ausgefülltes Anmeldeformular zusenden, dann werde das bewilligt.

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Zu bedenken sei, dass man keinen alten Stromzähler habe, der rückwärts laufen könne im Falle einer Stromeinspeisung. Doch den tausche E-Netz dann kostenlos gegen einen neuen ein. „Als Nachhaltigkeitskonzern begrüßen wir den Ausbau an erneuerbaren Energien“, betont der Sprecher. „Das gilt auch für die Mini-PV-Anlagen.“ 550 seien seit 2012 im südhessischen Entega-Versorgungsgebiet realisiert worden.

Städtischer Bauverein AG lässt noch auf eine Lösung warten

Weitgehend unproblematisch sieht die Mini-Solarpanels auch Thomas Bellmer vom Eigentümerverband „Haus und Grund“: „Ich sehe keinen Grund, warum ein Vermieter sich da grundlegend verweigern sollte.“ Auch er plädiert dafür, einen Installateur zu involvieren, damit das fachgerecht ist und nichts passieren kann. „Die Verkehrssicherungspflicht hat erstmal der Vermieter“, sagt der Geschäftsführer. „Aber man kann ja Vereinbarungen treffen.“ Etwa, was eine erweiterte Haftpflichtversicherung angeht.

Laut Maria Mittenzwei ist auch das geklärt. „Das ist über die Haftpflicht abgedeckt“, versichert sie. Gegebenenfalls koste das ein paar Euro mehr. Für sie bleibt daher unverständlich, dass der Bauverein sich quer stellt. Zwar habe die städtische Wohnungstochter inzwischen bekundet, an einer Lösung zu arbeiten, doch Nachfragen über die letzten Wochen hätten kein Ergebnis gebracht.

„Wir erarbeiten derzeit eine Richtlinie für die Anbringung von Mieter-Solarmodulen an Balkonen“, erklärt die Bauverein-Kommunikationsabteilung hierzu auf Zeitungsanfrage. Die Situation sei rechtlich sehr komplex bezüglich der Verkehrssicherungspflichten und Haftungsfrage. „Das Solarmodul ist Eigentum des Mieters, wird aber mit der Immobilie verbunden.“ Sollte es zu einem Schaden kommen, etwa durch Herabstürzen, stelle sich die Frage, ob Vermieter, Mieter oder beide dafür haften müssten. Auch müsse sichergestellt sein, dass durch den Anschluss an das Stromnetz keine Schäden entstehen. Fest stehe schon jetzt: „Die Anbringung wird einer Genehmigung bedürfen, auf Grundlage einer Sicherheitsprüfung, zudem muss die Zusage einer mieterseitigen Haftpflichtversicherung vorliegen, dass von der Anlage ausgehende Risiken abgedeckt sind.“