Der Baum vor dem Bistro "La Maison du Pain" in der Wilhelminenstraße, für den die Stadt Darmstadt eine Fällgenehmigung erteilt hat, ist am Donnerstagmorgen gefällt worden. Am Mittwoch hatte die Stadt dem ECHO noch auf Nachfrage mitgeteilt, "ein Zeitpunkt für die Fällung" sei noch nicht festgelegt.
DARMSTADT - Der Baum vor dem Bistro "La Maison du Pain" in der Wilhelminenstraße, für den die Stadt eine Fällgenehmigung erteilt hat, ist am Donnerstagmorgen gefällt worden (wir haben berichtet). Auch den Pflanztrog der Erle am Wilhelminen-Buckel rissen Arbeiter ab. Die Stadt hatte dem ECHO noch am Vortag auf Nachfrage mitgeteilt, "ein Zeitpunkt zur Fällung" sei noch nicht festgelegt worden. Dass der Baum am Tag darauf entfernt wurde, nannte der Sprecher der Stadt, Klaus Honold, "Zufall".
Der Magistrat hatte die Entfernung des Baums in der Fußgängerzone erlaubt, um dem Gastronom des Lokals eine Bewirtschaftung seiner Gäste im Freien zu ermöglichen. Den Antrag zur Fällung hatte nicht der Betreiber des Lokals, sondern der Vermieter und Eigentümer der Wilhelminenpassage, Dogan Gülsen, gestellt. Für die Entfernung des Baums muss er eine Entschädigungszahlung von 10.000 Euro für Ersatzpflanzungen leisten. Gülsen wird nach der Vereinbarung auch die Kosten für den Umbau des Areals vor dem Lokal tragen. Die Fällerlaubnis hatte er Honold zufolge seit Mitte März.
Der Sprecher der Gülsen-Gesellschaft DCE Invest GmbH, Bastian Gaydoul, sagte, man habe schon vor einem Jahr mit der Stadt über die Fällung des Baums und die Einrichtung einer Außengastronomie gesprochen. Damals sei noch geplant gewesen, die Räume an ein Irish Pub zu vermieten.
Überraschend wurde der Baum vor dem Bistro "La Maison du Pain" in der Wilhelminenstraße gefällt. Foto: Daniel Baczyk
Der Uffbasse-Stadtverordnete Georg Hang sprach mit Blick auf die Fällung von einer "Unverschämheit, dass das sofort vollzogen wird". Zu der hohen Entschädigungszahlung sagte er, "die Sache hat ein Geschmäckle". Mit der Erteilung der Erlaubnis wird die in Darmstadt geltende Baumschutzsatzung nach Auffassung Hangs "konterkariert". Auch wenn die Satzung nur für Privatgrundstücke gilt, so sieht der Uffbasse-Abgeordnete doch "den Geist der Satzung beschädigt". Es gehe dabei um "prinzipielle Überlegungen" im Spannungsfeld von "grün versus Kommerz und öffentlich versus privat". Ausgleichszahlungen sehe die Satzung im übrigen nur vor, wenn es keine Ersatzpflanzung gebe.
BÄUME UNTER SCHUTZ
Die Baumschutzsatzung in der geltenden Fassung von 2004 stellt den Baumbestand auf Privatgrundstücken unter besonderen Schutz. Damit soll unter anderem das städtische Kleinklima verbessert, der Luftverschmutzung begegnet und der Lebensraum von Tieren erhalten werden. Die Satzung gilt nicht in öffentlichen Grünanlagen, Friedhöfen und auf öffentlichen Straßen, Wegen und Plätzen.
Geschützt sind Laubbäume mit einem Stammumfang von mehr als 60 Zentimetern und Nadelbäume mit mehr als 90 Zentimetern Umfang.
Sollen solche Bäume gefällt werden, muss der Eigentümer eine Genehmigung bei der Stadt einholen. Sie wird etwa erteilt, wenn der Baum krank ist, wenn dessen Entfernung aus überwiegenden öffentlichen Interessen erfolgt, wenn von dem Baum eine Gefahr für Menschen oder Sachen ausgeht oder er einem zulässigen Bauvorhaben im Weg steht.
Hang kündigte an, dass Uffbasse als Kooperationspartner der grün-schwarzen Koalition das Thema "politisch noch einmal auf den Tisch bringen" werde. Der Stadtverordnete, der zu der Baumfällung bereits eine Kleine Anfrage eingebracht hatte, hat der Stadt dazu weitere Fragen gestellt. So will er unter anderem wissen, wie es zu der Genehmigung kam und wer daran beteiligt war.
Hang befürchtet, dass mit der Erlaubnis ein Präzedenzfall für ähnliche Vorhaben in Zukunft geschaffen wurde. Uffbasse hatte kritisiert, dass im öffentlichen Raum Bäume gefällt würden "für eine gesteigerte Kommerzialisierung und privaten Gewinn".
Die Stadt hat das Erteilen der Genehmigung mit der Notwendigkeit einer Außengastronomie in der Fußgängerzone und speziell im Fall des "La Maison du Pain" begründet. So habe der Eigentümerwechsel und das neue gastronomische Konzept der Wilhelminenpassage zu einer "vollkommen neuen Ausstrahlungskraft" verholfen und dazu beigetragen, eine "funktionale Problemstelle" in der City zu beseitigen. Außengastronomie spiele bei dieser Belebung eine wichtige Rolle und sei "unterstützenswert". Zum "La Maison du Pain" hieß es, ohne eine Möglichkeit zur Außenbestuhlung seien "die Erfolgschancen des kombinierten Café/Bäckerei-Konzepts ungünstig zu bewerten". Man habe deshalb entschieden, "auf den einzelnen Pflanztopf unter der Bedingung der Möglichkeit einer ökologischen Überkompensation (Ausgleichszahlung) zu verzichten". Abgesehen davon sei "die Situation in der Wilhelminenstraße mit den Pflanztöpfen im Stil der späten siebziger Jahre ohnedies auf lange Sicht überarbeitungsbedürftig". Honold fügte hinzu, dass die Erlen in den Trögen in der Fußgängerzone eine Lebensdauer von zehn bis 15 Jahren hätten und dann stets ausgetauscht werden müssten.
Die Partei- und Fraktionsvorsitzende der Grünen, Hildegard Förster-Heldmann, nannte die Argumente der Stadt "schlüssig". Der Verlust der Erle sei durch die vereinbarten Ersatzpflanzungen leicht auszugleichen. Gleichwohl werde man "darüber noch einmal sprechen".