Ein breites Darmstädter Bündnis hat beim Protestmarsch am Mittwoch gegen die Kriminalisierung und Vorverurteilung der „Letzten Generation“ aufgerufen. So ist die Demo verlaufen.
Darmstadt. „Wir lassen uns nicht einschüchtern“, sagt Fridays For Future (FFF) Darmstadt. Die Gründe für die Demo am Mittwoch um 17 Uhr auf dem Friedensplatz in Darmstadt sind hinreichend bekannt. Am 24. Mai meldete die Tagesschau „Bundesweite Razzia gegen die ‚Letzte Generation‘“. In mehreren Bundesländern wurden im Auftrag des bayerischen Landeskriminalamts 15 Wohnungen von Aktivistinnen und Aktivisten durchsucht; der Verdacht: Bildung oder Unterstützung einer kriminellen Vereinigung nach Paragraf 129 des Strafgesetzbuches. „Zahlreiche“ Strafanzeigen aus der Bevölkerung 2022 führten dazu, dass nun gegen sieben Beschuldigte ermittelt wird.
Die Homepage der „Letzten Generation“ wurde abgeschaltet, weil Spendengelder in Höhe von 1,4 Millionen Euro, so der Vorwurf, für Straftaten eingesetzt worden seien: Klebaktionen auf den Straßen oder der Versuch, die Ölpipeline Triest-Ingolstadt zu sabotieren. Es gibt aber auch die anderen Schlagzeilen: „Autofahrer treten Aktivisten der ‚Letzten Generation‘“. Wer handelt da aus „Notwehr“? Die Autofahrer, die an der Weiterfahrt behindert werden und treten oder die Klimaaktivistinnen, die der Regierung vorwerfen, ihrem Regierungsauftrag „Klimaschutz“ nicht gerecht zu werden und die Zukunft aller kommenden Generationen aufs Spiel zu setzen?
Bildergalerie
„Wir kritisieren die Vorverurteilung der Aktivist*innen als Mitglieder einer kriminellen Vereinigung aufs Schärfste. Wir sind schockiert über die harten Repressionen und die Anfeindungen durch Politiker*innen gegen Klimaaktivist*innen“, so lauten die Solidaritätsbekundungen, zu der sich ein ganzes Bündnis von Organisationen zusammengeschlossen hat, von FFF über die Linke, Verdi bis zur HG Nachhaltigkeit Darmstadt. Laut Polizeiführer Weinbach ist das Polizeiaufgebot überschaubar, die Teilnehmerzahl wird auf 150 bis 180 geschätzt, seitens der Demonstrierenden auf 250.
„Protest muss stören“, sagt FFF, „muss laut und unbequem sein, denn die Politik handelt nicht, trotz einer immer stärker eskalierenden Klimakatastrophe - es braucht den Druck von der Straße “. Kati von der Interventionistischen Linken stellt die Frage: „Wo herrscht denn Gewalt gegen Menschen aufgrund des Klimawandels? Was sind die Folgen für den Globalen Süden im Vergleich zu ein paar Stunden im Stau?“ Auch Antje Sander von Parents for Future spricht von einer „absurden Situation. Es werden die falschen kriminalisiert.“ Es sei die fossile Industrie und deren Lobby, die sehr gut verdiene und straff organisiert sei, die Politik und Medien beeinflusse, und darüber hinaus die Definition vorgebe, was „kriminellen Ungehorsam“ ausmache ‒ dabei aber für die dramatischen Folgen des Klimawandels besonders im Globalen Süden verantwortlich sei.
Appel gegen weitere Einschränkungen des Protests
Mit der weiterhin hohen CO2-Emissionen erreiche die Konzentration des Klimagases einen neuen Höchststand von 421 Parts pro Million, es dürften aber nur 350 sein. „Ich bin sauer!“, ruft Antje Sander ins Mikro und erntet Applaus, „das ist eine ignorante und menschenverachtende Politik.“ Markus Zwillig von Attac wendet sich in seiner Rede explizit gegen den Paragrafen 129. „Attac wurde die Gemeinnützigkeit entzogen, jetzt folgt eine noch krassere Form von Diskriminierung“, die protestierenden Organisationen „dürfen nicht weiter eingeschränkt werden.“
Reaktion auf Protest der „Letzten Generation“ unverhältnismäßig
Maria Pohl ist alleine zur Demo gekommen. „Man mag über die Protestformen der ‚Letzten Generation‘ unterschiedlicher Meinung sein, aber auch ich finde die Reaktionen unverhältnismäßig.“ Zwei junge Frauen auf der Straße finden die Protestformen „nicht so toll, weil sie eher schaden als helfen“. Dass der Klimawandel vom Westen verursacht würde, finden sie auch, aber friedlicher Protest wäre ihnen lieber. Serdar Dogrun, Inhaber der Pizzeria Zizos in der Elisabethenstraße, hat, als der Demonstrationszug dort vorbeikommt, erst gar kein Verständnis für die Klebaktionen. Meint dann aber, dass er sich eigentlich noch nie so richtig mit dem Problem des Klimawandels beschäftigt habe. Er findet die Aktionen erstmal „doof, aber vielleicht ändere ich meine Meinung ja noch.“
Nach Razzia: Letzten Generation plant bundesweit Protestmärsche. Sehen Sie sich jetzt das Video an.