An Darmstädter Grundschulen sind fast alle Lehrerstellen besetzt
Lesen, schreiben, rechnen lernen: Das können die jungen Darmstädter derzeit ziemlich verlässlich - an den Grundschulen sind fast alle Lehrerstellen besetzt. Zum Beginn des zweiten Halbjahres Anfang Februar konnten die Lücken, die es noch beim Schulstart im Spätsommer gegeben hatte, weitgehend gefüllt werden. Das ergab eine ECHO-Umfrage bei den Schulleiterinnen. Allerdings: Förderschullehrer fehlen überall. Und krank werden darf auch keiner - der Pool an Vertretungskräften ist leer, heißt es an vielen Grundschulen.
Von Thomas Wolff
Lokalredakteur Darmstadt
Wehe, wenn die nächste Grippewelle kommt: Dann dürfte es wieder übervoll werden in den Klassenzimmern, weil wegen des Mangels an Ersatzlehrern Klassen zusammengelegt werden müssen. Archivfoto: dpa
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DARMSTADT - Lesen, schreiben, rechnen lernen: Das können die jungen Darmstädter derzeit ziemlich verlässlich - an den Grundschulen sind fast alle Lehrerstellen besetzt. Zum Beginn des zweiten Halbjahres Anfang Februar konnten die Lücken, die es noch beim Schulstart im Spätsommer gegeben hatte, weitgehend gefüllt werden. Das ergab eine ECHO-Umfrage bei den Schulleiterinnen. Allerdings: Förderschullehrer fehlen überall. Und krank werden darf auch keiner - der Pool an Vertretungskräften ist leer, heißt es an vielen Grundschulen.
Rund 100 Pädagogen hatten noch am Anfang des Schuljahres hessenweit gefehlt. Diese Lücke ist nun "so gut wie geschlossen", teilt das Kultusministerium mit. Überschäumende Freude herrscht trotzdem an vielen Schulen nicht. Denn Kinder, Lehrer und auswärtige Helfer müssen trotzdem viel improvisieren, damit der Unterricht auch wirklich läuft wie geplant.
Beispiel Schillerschule: An der Grundschule im Martinsviertel werden knapp 400 Schüler in 17 Klassen unterrichtet, die 21 Lehrerstellen sind alle besetzt. Die Klassenräume des Altbaus in der Müllerstraße sind schon im Normalbetrieb "randvoll", sagt Schulleiterin Marion Aufleger. Wenn dann die Erkältungswelle durch das Lehrerzimmer schwappt, wird's noch voller: Als "akute Maßnahmen" werden dann einzelne Klassen aufgeteilt und anderen hinzugefügt. Fünf, sechs Schüler kommen dann nochmal im Klassenzimmer dazu. "Manchmal ist es nicht leicht, für die auch nur genügend Sitzplätze zu finden", sagt Aufleger. Ein gängiges Problem an vielen Schulen. Denn im Notfall eine Vertretung zu finden, ist schwierig wie nie.
Das bestätigt Ralph von Kymmel, Leiter des Staatlichen Schulamts, das für die Lehrerversorgung in Stadt und Kreis zuständig ist. Dort hielt man jahrelang eine "mobile Lehrer-Reserve" vor: Pädagogen mit abgeschlossener Ausbildung, die fest angestellt waren, um an zwei oder drei Schulen bei Bedarf einzuspringen. Doch diese Feuerwehr-Truppe ist arg ausgedünnt. Von den 17 Planstellen des Bezirks sind vier für die Stadt vorgesehen. Derzeit ist nur eine Einzige besetzt. Vor zehn Jahren, sagt von Kymmel, "konnten wir das immer besetzen". Heute könnten sich die jungen Lehrer gleich nach dem zweiten Staatsexamen eine Stelle an ihrer Wunsch-Schule aussuchen, ohne den Umweg als Reservist. Dieser Job "ist im Moment nicht so attraktiv", gibt von Kymmel zu. Wenn's brennt, müssen sich die Schulen anders behelfen, damit der Slogan der Landesregierung von der "verlässlichen Schule" sich im Alltag bewahrheitet.
Beispiel Erich-Kästner-Schule in Kranichstein: Die größte Grundschule der Stadt - 552 Schüler, 45 Lehrer, bis zu sechs Klassen pro Jahrgang - bildet bis zu drei Referendare gleichzeitig aus und versteht es, diese an sich zu binden. Letzte Woche haben die Kästners gerade wieder eine fertige Referendarin übernommen. Auch Pensionäre halten hier den Betrieb aufrecht. Ebenso unterrichten immer mal wieder Quereinsteiger, die zwar viel vom Fach verstehen, aber keine Pädagogik studiert haben - eine wechselhafte Erfahrung für Schüler wie Lehrer, sagt Direktorin Sabine Michel-Sturm.
Mit manchen habe sie "tolle Erfahrungen gemacht", sagt die Schulleiterin. Andere hingegen seien "pädagogisch nicht so vorbereitet, wie das wünschenswert wäre." In einigen Fällen habe es schon mal "einen totalen Einbruch gegeben".
Ersatzkräfte wirken überfordert vom Alltag
Kollegin Aufleger von der Schillerschule berichtet von Ersatzkräften, "die besonders mit verhaltensauffälligen Kindern nicht umgehen können". Von denen gebe es aber immer mehr an den Regelschulen. Andere Schulleiterinnen erzählen ebenfalls von überforderten Einspringern, die den Job unterschätzten und sich in autoritäre Gesten flüchteten.
Um Ersatz müssen sich die Schulen jeweils selbst kümmern. Überall das gleiche Problem: "Es gibt keine Poolkräfte mehr, die Listen sind leer", sagt Beate Jauch-Grimm von der Christian-Morgenstern-Schule.
So hangeln sich die Darmstädter Grundschulen durch die Erkältungszeit. Im Wissen, dass die Ausstattung immerhin besser ist als an manchen Schulen im Landkreis. Dort sei die Versorgung derzeit zwar auch gut, sagt das Schulamt. "Aber Stellen im Land zu besetzen ist inzwischen schwieriger geworden", sagt Ralph von Kymmel.
Dort suchen Lehrer und Eltern teils schon in den Sportvereinen nach Menschen, die den Kleinen beispielsweise das Schwimmen beibringen können - weil examinierte Pädagogen fehlen.
So füllt sich jede Schule ihren eigenen Pool nach Kräften. Und das Schulamt muss obendrein bangen, ob der hessische Lehrer-Nachwuchs, mühsam herangezogen, nicht lieber in Bayern oder Rheinland-Pfalz eine Anstellung sucht.