Am besten seriös auffallen

aus 75 Jahre Darmstädter Echo

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In der digitalen Welt gelten oft ganz eigene Regeln. Foto: hanohiki stock.adobe

In einer dynamischen Welt wird es für Journalisten zunehmend schwieriger, gegen laute und vor allem unreglementierte Medien anzukommen.

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Darmstadt. Reizüberflutung – kaum ein Wort beschreibt so gut, was viele Menschen mittlerweile empfinden, wenn sie den Fernseher anschalten oder ihren Internetbrowser öffnen. War man früher auf einen der Programmpunkte im Drei-Kanal-Fernsehen angewiesen, gibt es im Zeitalter der Satellitenschüsseln per se hunderte frei empfangbare Sender. Und seit wenigen Jahren sind mit Streaming-Plattformen wie Netflix, Amazon Prime und Co. regelrechte Schwarze Löcher hinzugekommen. Wer nicht aufpasst, wird vom unendlichen Angebot dieser Plattformen oder des World Wide Web förmlich aufgesaugt. Denn „on demand“ bedeutet alles zu jeder Zeit und ohne physisches Ende – wie ein Fass ohne Boden. Gleiches gilt natürlich für das Internet mit seinen schier unendlichen Datenmengen. Die Selbstdisziplin rückt dadurch zusehends in den Fokus. Auch weil im digitalen Geschäft für die großen Player offensichtlich ganz eigene Regeln gelten. Doch was haben diese Dinge mit seriösem Journalismus zu tun? Mehr als man glaubt, leider. Denn digital führt auch für einen ¬modernen Nachrichtenverlag kein Weg an Facebook vorbei. Reichweite ist die Währung des digitalen Zeitalters – weil davon nicht nur Werbeeinnahmen abhängen, sondern damit vor allem die Chance einhergeht, viele Menschen zu erreichen. Und da ist Facebook nun mal (noch) der König am Markt.

Schminktipps, Gaming-Videos oder unseriöse Menschen

Es ist zugegebenermaßen ziemlich skurril, auf eine Plattform angewiesen zu sein, die man nahezu nicht beeinflussen kann. Auf der man als journalistisches Medium in der gleichen Timeline landet wie Schminktipps, Gaming-Videos oder schlicht und ergreifend irgendwelche unseriösen Menschen, die Unwahrheiten verbreiten. Einen Schiedsrichter gibt es bei Facebook jedenfalls nicht. Das Unternehmen sieht sich als Dienstleister zwischen Sender und Empfänger, das mit den Inhalten nichts zu tun hat – und deshalb auch nur gegen ganz Übles vorgeht. Auch wenn dieses großzügige Vorgehen natürlich auch journalistische Beiträge betrifft, unterliegen diese jedoch an ganz anderer Stelle selbstverständlich einer Regulatorik. Jedes geschriebene Wort von Journalisten muss am Ende vor dem Presserat oder deutschen Gerichten vertreten werden können – und das ist auch gut so. Insofern laufen Journalisten ohnehin nicht Gefahr, ins ¬Bodenlose abzurutschen. Doch die Grenzen sind auch hier mitunter variabel, wie man es von einschlägigen Medienhäusern ja schon kennt. Am einfachsten wäre es natürlich, möglichst laut zu brüllen – mit einer reißerischen Überschrift oder extremen Bildern. Die Chance wahrgenommen zu werden, würde definitiv steigen. Doch will man in diesem Umfeld wirklich der lauteste Löwe sein, der zwar von allen wahrgenommen, aber weniger geachtet als gefürchtet wird? Natürlich nicht. Im Zentrum von seriös arbeitendem Journalismus muss also die Information ¬stehen – nicht mehr und nicht weniger.

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Hoffen auf regulatorisches Eingreifen der Politik

Also heißt es: Am besten seriös auffallen. Nicht durch Lautstärke oder steile Thesen, sondern vielmehr durch Substanz und Kreativität. Das bringt womöglich nicht sofort punktuell die meisten Klicks. Doch es stärkt die Aspekte, für die man wahrgenommen werden möchte und für die unsere Leser in einer immer unübersichtlicheren Welt am Ende sehr dankbar sind – hoffentlich. Bleibt einem modernen Medienunternehmen am Ende also nur, auf das regulatorische Eingreifen von übergeordneter politischer Stelle zu hoffen. Und das Fundament der eigenen Glaubwürdigkeit und Zuverlässigkeit kontinuierlich zu stärken. Um Menschen in immer dynamischeren Zeiten einen wichtigen Halt zu bieten – unabhängig, neutral, faktenbasiert. Auffallen darf man dabei natürlich trotzdem, wie unsere Beispiele von ungewöhnlichen Print-Überschriften zeigen.