Generationengespräch - Wie sich die Arbeit des Journalisten verändert und warum es immer noch ein toller Beruf ist.
Von Michaela Kriewitz und Jens-Jörg Wannemacher
Sportchef Jens-Jörg Wannemacher und Lokalredakteurin Michaela Kriewitz.
(Foto Wannemacher: Jan Huebner // Foto Kriewitz: Marcel Großmann)
Jetzt teilen:
Jetzt teilen:
Darmstadt - Die Medien sind im Wandel. Das macht sich auch in der Arbeit bemerkbar. Im Generationengespräch tauschen sich der langjährige Sportredakteur Jens-Jörg Wannemacher und die frischgebackene Lokalredakteurin Michaela Kriewitz über ihren Beruf und die Zukunft der Branche aus.
Michaela: Jens, im kommenden Jahr gehst du in die passive Phase der Altersteilzeit und im Anschluss in Rente: Hast du denn keine Lust mehr zu arbeiten?
Jens: Doch, doch. Auch nach 35 Jahren als Redakteur habe ich immer noch Lust zu arbeiten, zweifellos. Aber ich bin jetzt seit fast 40 Jahren in dem Beruf – und irgendwann kommt eben die Zeit zu gehen. Bei uns stehen große Veränderungen an im kommenden Jahr. Das soll mein Nachfolger selbst in die Wege leiten, da möchte ich mich in den Unruhestand zurückziehen. Ich hoffe aber, dass ich in irgendeiner Form – vielleicht als freier Autor – weiterschreiben kann. Das würde mir sonst definitiv fehlen. Wie bist du eigentlich zum Journalismus gekommen?
Michaela: Naja, ich war schon immer neugierig, habe gerne geschrieben und recherchiert. Nach einem Praktikum bei einer lokalen Wochenzeitung habe ich dort als freie Mitarbeiterin angefangen und neben Schule beziehungsweise Studium geschrieben. Irgendwann habe ich mich dann bei der VRM für ein Volontariat beworben und das hat glücklicherweise geklappt. Und jetzt bin ich Redakteurin. Das war genau die richtige Entscheidung.
Jens: Was magst du denn besonders an unserem Job?
Michaela: Für mich ist es ein absoluter Traumjob. Er ist abwechslungsreich und man muss sich mit den unterschiedlichsten Themen auseinandersetzen. Was ich jetzt schon in der kurzen Zeit von meinem Volontariat gemerkt habe: Die Arbeit an sich verändert sich rasend schnell. Aber da hast du sicher als langjähriger Redakteur einen besseren Überblick, oder?
Jens: Das ist bei mir natürlich eine lange Strecke, aber die größte Veränderung war: Anfangs gab es nur Print – Online war in den Achtzigerjahren, als ich angefangen habe, kein Thema. Auch war alles viel lockerer, das muss man ganz klar sagen. Ob es besser war, steht auf einem anderen Blatt. Der Rückblick verklärt nun mal so einiges.
„Sportjournalist ist ein geiler Beruf“
Michaela: Was genau meinst du damit?
Jens: Beispielsweise Fußball, Zweite Liga mit dem SV Darmstadt 98 in den Achtzigerjahren. Da ist man nach dem Schlusspfiff auf das Spielfeld gelaufen, konnte mit den Spielern und dem Trainer reden – das ist heute undenkbar. Die äußeren Bedingungen haben sich verändert. Und die Arbeitsweise wegen Online: Früher bist du zum Spiel gegangen, hast dir das Samstagsmittags angeschaut und dann sonntags in der Redaktion in Ruhe geschrieben. Heute schreibst du während des Spiels, bis fünf Minuten nach Spielende geht der Text an die Online-Redaktion. Dann geht es von vorn los mit den Stimmen zum Spiel und der Überarbeitung des Textes für Print.
Michaela: Wenn du dich heute noch mal entscheiden könntest, würdest du wieder den Beruf des Journalisten wählen?
Jens: Schwierige Frage. Wenn ich noch mal die Wahl hätte, würde ich nach wie vor am liebsten Lehrer werden. Das war für mich schon als Jugendlicher das Ziel. Ich habe da auch viele Vorbilder, vor allem meinen Vater. Im Nachgang – durch die Erfahrung der vergangenen 40 Jahre – muss ich aber sagen: Sportjournalist ist ein geiler Beruf. Ich habe dadurch sehr viel erlebt, das möchte ich nicht missen. Ich war bei neun Fußball-Welt- und Europameisterschaften und bin auch sonst sehr viel in der Welt herumgekommen. Ich schätze, dass ich über 1000 Lilien-Spiele geschrieben habe. Dazu habe ich natürlich – weit über den Fußball hinaus – viele, viele tolle Menschen kennengelernt. So einen abwechslungsreichen Beruf wie Journalismus gibt es wahrscheinlich kaum. Auch wenn der Druck in den vergangenen Jahren extrem gestiegen ist. Du bist ja noch relativ frisch in dem Beruf – wie empfindest du die ganzen Veränderungen?
Michaela: Wenn ich nur die vergangenen zwei Jahre meines Volontariats anschaue, da hat sich schon unheimlich viel getan: Arbeitsweisen und der Online-Auftritt haben sich geändert. Auch ganz allgemein beim digitalen Angebot der VRM hat sich viel getan. Das wird sicher in den nächsten Jahren noch wichtiger werden.
Jens: Glaubst du denn, dass deine Generation generell Zeitung digital liest?
Michaela: Ja, auf jeden Fall. Wenn ich allein meinen Freundeskreis anschaue: Da liest niemand die Zeitung in Papierform morgens am Küchentisch. Wir konsumieren Nachrichten digital, meist unterwegs übers Smartphone. Daher steht für mich fest: Die Zukunft der Zeitung ist definitiv digital.
Jens: Das ist der Punkt, wo sich unser „Lese-Alltag“ unterscheidet. Meine Kinder sind etwas älter als du, aber die leben das genauso.
„Die Leser erwarten, dass sie schnell informiert werden“
Michaela: Wie siehst du denn die Zukunft der Zeitung?
Jens: Ich hoffe, mit dieser Erwartung falsch zu liegen. Aber ich vermute, dass es in 20 Jahren keine gedruckte Zeitung mehr gibt. Ich würde es bedauern, da ich selbst ein typischer Printleser bin, der zum Frühstück Papier vor sich liegen haben möchte. Ich weiß aber, dass die komplette Veränderung hin zum Digitalen nicht mehr aufzuhalten ist. Ich befürchte aber, dass die Erlöse, die notwendig sind, um guten Journalismus zu ermöglichen, im Onlinebereich nicht zu erzielen sind. Hoffentlich irre ich mich, denn für mich geht nichts über guten, fundierten Lokaljournalismus.
Michaela: Es lässt sich ja auch schon jetzt erkennen, dass sich der Anspruch verändert. Die Leser erwarten, dass sie schnell informiert werden und über das Internet können Nachrichten viel aktueller verbreitet werden. Die Arbeit muss also viel schneller gehen. Im Prinzip, wenn man momentan die Zeitung in der Hand hat, liest man die Nachrichten von gestern. Das wird in Zukunft also noch direkter und schnelllebiger sein.
Jens: Genau darin sehe ich auch das Problem: Durch das „schnell, schnell“ wächst die Gefahr des Oberflächlichen, da Geschwindigkeit wenig Raum für aufwendige Recherche lässt. Das kann dann auf Kosten der Glaubwürdigkeit gehen.
Michaela: Das ist sicherlich eine Herausforderung, aber ich denke, dass das eine das andere nicht ausschließen muss. Natürlich muss alles richtig recherchiert sein, dafür bekommen wir ja auch eine gute Ausbildung. Für tiefgehende Geschichten gibt es ja schon jetzt entsprechende Online-Formate wie die VRM-Storys. Aber generell ist das etwas, an dem wir in den kommenden Jahren arbeiten müssen.
Jens: Zweifellos. Und das werde ich von der Ferne beobachten – im Zweifel eben auf der Digitalschiene (lacht).