Landgericht verurteilt Büttelborner wegen Angriffs auf Weiterstädter Nebenbuhler zu drei Jahren und neun Monaten Haft. Der Vorsitzender Richter sieht in der Attacke eine klassische Beziehungstat.
Von Marc Wickel
Der Angeklagte und sein Verteidiger, der Rechtsanwalt Hermann Hädicke.
(Archivfoto: Marc Wickel)
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DARMSTADT/WEITERSTADT - Das Landgericht Darmstadt hat einen 22 Jahre alten geständigen Büttelborner wegen gefährlicher Körperverletzung zu drei Jahren und neun Monaten Freiheitsstrafe verurteilt. Der junge Mann mit einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung hatte am 9. Juli 2019 einen 37 Jahre alten Weiterstädter in dessen Wohnungsflur mit Messern angegriffen und mit acht Stichen verletzt.
„Das ist eine klassische Beziehungstat“, sagte der Vorsitzende Richter Volker Wagner in der Urteilsbegründung. Der Angeklagte war drei Wochen vor der Tat nach eineinhalb Jahren Beziehung von seiner 22 Jahre alten Freundin verlassen worden. Und die hatte eine – jetzt noch bestehende – Beziehung mit dem Weiterstädter angefangen, den der Angeklagte aber für einen Typen hielt, „der sich auf jüngere Frauen stützt“.
Dass die 22-Jährige den Angeklagten verlassen hatte, weil er sie zunehmend kontrollierte, habe der Angeklagte jedoch nicht einsehen wollen, so Volker Wagner. „Das lassen sich Frauen nur bedingt gefallen“, erinnerte der Richter daran, dass eine frühere Beziehung des Angeklagten ähnlich verlaufen sei. „Die Liebe erkaltete, weil er die Frauen für seine Schulden und Probleme verantwortlich machte“, blickte Wagner auf die Aussagen der beiden Frauen zurück. Diese Haltung des jungen Angeklagten, seine Schwierigkeiten stets auf äußere Missstände zu projizieren hatte der psychiatrische Gutachter auf eine narzisstische Persönlichkeitsstörung zurückgeführt.
Als die Ex-Freundin am 9. Juli 2019 nicht mehr auf Anrufe und Texte des Angeklagten reagierte und dieser glaubte, dass sie mit dem Weiterstädter chatte oder telefoniere, hakte es beim 22-Jährigen aus. Er bedrohte den 37-Jährigen und kündigte an, ihn zu töten. Der wiederum schrieb zurück, er werde mit ihm „den Boden aufwischen“, er solle ruhig kommen. „Hier ist eine ganz erhebliche Mitverantwortung des Opfers“, hatte der Verteidiger diesen Ablauf bewertet, so habe er den Angeklagten geradezu angefeuert. „Zwei Gockel auf dem Misthaufen, würde man in Bayern sagen“, kommentierte der Vorsitzende Richter die Situation vor der Attacke.
Schließlich stand der Angeklagte mit zwei blanken Messern in den Ärmeln vor der Dachgeschosswohnung des Geschädigten und klingelte. Der öffnete und verbarg seinerseits nach Überzeugung des Gerichts ein Messer hinter seinem Rücken. Es kam zum Kampf, der Weiterstädter verlor sein Messer, der Büttelborner stach achtmal zu, das Opfer gab auf, der Angreifer hörte auf und konnte noch auf der Flucht festgenommen werden. Ein Nachbar hatte Polizei und Rettungsdienst gerufen. Der Geschädigte kam ins Klinikum Darmstadt, das er schon am nächsten Tag verlassen konnte.
Mit dem Urteil blieb die Kammer zwischen den Plädoyers des Staatsanwalts und des Verteidigers. Beide hatten die Tat als gefährliche Körperverletzung gesehen, aber Verteidiger Hermann Hädicke hatte auf maximal dreieinhalb Jahre plädiert, Staatsanwalt Ansgar Martinson auf viereinhalb Jahre.
Dass die Tat von keiner Seite mehr als der angeklagte versuchte Totschlag gesehen wurde, lag daran, dass Zeugenaussagen zeigten, dass der Angeklagte von sich aus aufgehört hatte, den Geschädigten zu attackieren. „Als das Blut spritze, trat eine gewisse Ernüchterung ein“, formulierte es Richter Wagner. „Sehen Sie zu, dass Sie Ihre Lehre beenden“, riet er dem Angeklagten. „Sie stehen mit der Strafe vor einem Neubeginn.“