ICE-Neubaustrecke: Eine Konsenstrasse für die Gemeinden im Landkreis Darmstadt-Dieburg gibt es nicht
Von Thomas Bach
Redaktionsleiter Darmstadt-Dieburg
Symbolfoto: dpa
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WEITERSTADT/GRIESHEIM - Im nächsten Jahr will sich die Bahn laut Sprecherin Regina Marusczyk auf eine Präferenztrasse festlegen, was die Anbindung der Strecke Mainz - Darmstadt an die ICE-Neubaustrecke Frankfurt - Mannheim angeht. Ob sie damit allen Befindlichkeiten gerecht wird, ist kaum anzunehmen. "Es ist komplex", sagt der Weiterstädter Bürgermeister Ralf Möller (SPD). Denn die drei Varianten - nördlich von Weiterstadt, südwestlich davon oder entlang der A 67 - stoßen auf unterschiedliche Resonanz. Eine Konsenstrasse gibt es nicht.
Nur eins steht mittlerweile fest: Technisch machbar sind alle Überlegungen. Das teilt die Bahn auf ECHO-Nachfrage mit. Zu einem früheren Zeitpunkt gab es Bedenken wegen Höhenunterschieden bei einzelnen Trassenführungen. Nun ist klar: Alle Varianten können vom technischen Standpunkt her realisiert werden. Das bestätigt auch Ralf Möller. Er gehört der Arbeitsgruppe des Beteiligungsforums an, die sich mit der Streckenführung in Darmstadt und Umgebung beschäftigt.
Bleiben andere Argumente, die darüber entscheiden müssen, welche Trasse gebaut wird. So etwa die der Streckenlänge und des Flächenverbrauchs. Die Klein-Gerauer Spange entlang der A 67 etwa verbraucht viel Fläche (mehr dazu auf dieser Seite), ist aber die Variante, die Weiterstadt bevorzugen würde. "Wohl wissend, dass es Griesheim und Groß-Gerau nicht wollen", sagt Ralf Möller. Büttelborn hat sich offiziell nie erklärt, die Skepsis gegen die Spange ist aber auch dort groß. Gegenargumente sind dort ein großer Tunnel zwischen Groß-Gerau und Büttelborn unter der A 67 hindurch sowie eine Trassenführung nahe an der Ortsbebauung.
VON 2,3 BIS 12,5 KILOMETER
Die drei Varianten für die Anbindung der Neubaustrecke an die Gütertrasse bei Weiterstadt unterscheiden sich deutlich in Länge und Flächenverbrauch. Die Anbindung nördlich von Weiterstadt kommt auf etwa 2,3 Kilometer Länge, verbraucht etwa 3,5 Hektar Fläche und tangiert kein Schutzgebiet. Die A 5 würde im Tunnel unterfahren. Die Verbindung südwestlich von Weiterstadt kommt auf eine Länge von 7,2 Kilometer, verbraucht etwa 15,5 Hektar Fläche, tangiert ebenfalls kein Schutzgebiet und würde die A 5 ebenfalls im Tunnel unterfahren. Das ist die Variante, die Weiterstadt vehement ablehnt. Die Klein-Gerauer Spange, die Griesheim ablehnt, ist etwa 12,5 Kilometer lang, verbraucht etwa 25 Hektar und tangiert ein Überschwemmungsschutzgebiet. Zudem müsste hier das Autobahnkreuz Darmstadt unterfahren werden, was einen längeren Tunnel als bei den anderen Varianten bedeuten würde. (tb)
Dieses Argument ist auch für Griesheim maßgeblich, denn eine nahe Trasse bringt Lärm mit sich. "Es geht um Lärmschutz und um Umweltbelange", sagt der Griesheimer Bürgermeister Geza Krebs-Wetzl (CDU): "Dort ist auch unser Stadtwald, es bleibt ein Einschnitt in die Umwelt."
"Erbitterter Widerstand der Weiterstädter"
Eine Variante weiter nördlich wäre für ihn auch vorstellbar. Aber nicht zu weit nördlich, denn die Trasse, die südwestlich von Weiterstadt entlang führt, "wird am erbitterten Widerstand der Weiterstädter scheitern", sagt Ralf Möller. Käme diese Trasse, sei Weiterstadt "mitten im Gleisdreieck" eingekesselt und auch der beste Lärmschutz helfe nicht mehr viel, argumentiert er. Weiterstadt beruft sich auf das sogenannte "Bündlungsgebot", demnach Verkehrswege zusammengelegt werden sollen - so wie die neue ICE-Strecke, die entlang der A 5 entstehen wird. Also soll der Anschluss an sie auch entlang der A 67 führen.
Wie Krebs-Wetzl ist auch Möller gespannt darauf, welche Trasse die Bahn bevorzugen wird. Am logischsten wären die Varianten nördlich von Weiterstadt, denn hier sind Streckenlänge, Flächenverbrauch und damit auch die Kosten am niedrigsten. Damit ist aber wieder Weiterstadt nicht glücklich, denn hier gibt es die geringsten Änderungen an der Bestandsstrecke - und an einer Bestandsstrecke gibt es keinen Anspruch auf Lärmschutz. Und das vor dem Hintergrund, das bis 2030 eine Verdopplung der Tonnage beim Güterverkehr prognostiziert ist. Und nachts sollen vor allem Güterzüge aus Richtung Mainz in Richtung Mannheim geführt werden - als Teil des Genua-Rotterdam-Korridors.
Es ist also ein komplexes Thema. Beide Verwaltungschefs sagen jedoch, dass für ihre Begriffe nicht alle Möglichkeiten für eine Trassenführung in Betracht gezogen werden. "Die Bahn ist verpflichtet, für die Bürger dieser Region eine Lösung aufzuzeigen, die für alle die geringstmögliche Belastung bringt", sagt Geza Krebs-Wetzl. Bislang habe sich bei den Varianten wenig bewegt. Das sagt auch Ralf Möller: "Wir sollten offen sein nach allen Seiten." Er fordert deshalb einen Projektbeirat, bei dem die Bahn im Gegensatz zum jetzigen Beteiligungsforum nicht Herrin des Verfahrens wäre, sondern auch nur ein Projektbeteiligter unter vielen. "Das wäre eine völlig andere Herangehensweise", sagt er.
Präsentiert die Bahn nun eine Präferenztrasse, die einer Kommune absolut nicht zusagt und setzt sie dann auch aus Zeitgründen um, weil der Lückenschluss zwischen Nordsee und Italien nicht ewig auf sich warten lassen kann, könnten Klagen den Bau hinauszögern. "Das ist zwar absolut nicht unser Ziel", sagt Möller, "aber wir sind bereit, notfalls auch richtig viel Geld in die Hand zu nehmen, um unsere Interessen zu wahren."