Über die Zukunft Europas diskutierte im Gartensaal des Schlosses Heiligenberg der stellvertretende Vorsitzende des Europaparlaments, Alexander Graf Lambsdorff (links), mit Moderator, ECHO-Chefredakteur Lars Hennemann, und Besuchern. Foto: Karl-Heinz Bärtl
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JUGENHEIM - „Das Interesse an der Politik ist wieder da.“ Ein Indiz für die These von Alexander Graf Lambsdorff (FDP) war am Donnerstagabend die große Zahl an Zuhörern, die zum Vortrag des stellvertretenden Vorsitzenden des Europaparlaments in den Gartensaal von Schloss Heiligenberg gekommen waren. Die 180 Besucher fasste der historische Raum nicht und so mussten Vortrag und Diskussion in einen anderen Raum übertragen werden. Das große Publikum erwartete Antworten auf die Frage „Wie geht es weiter mit Europa nach Brexit, Trump und Co.?“
Bei allen Vorbehalten gegenüber dem US-amerikanischen Präsidenten sieht Lambsdorff durchaus einen Vorteil der Trumpschen Politik für den Zusammenhalt Europas: „Wir brauchten eine kleine Nachhilfe.“ Lambsdorffs Analyse geht jedoch weiter und soll zeigen, wie wichtig eine funktionierende Gemeinschaft ist. Denn für ihn steht fest: „Europas Freiheit ist bedroht, von außen und von innen“.
In fast jeder Himmelsrichtung sieht Lambsdorff Konfliktpotenzial. Im Osten mit Russland ein „illiberales und autoritäres System mit einer aggressiven Außenpolitik wie die Landnahme der Krim“, im Südosten die Türkei. Für den Liberalen ist das Land, „das die Abschaffung der Demokratie vollzogen hat“, kein Beitrittskandidat mehr. Von Süden komme der Einwanderungsdruck, im Westen stehe der Austritt Großbritanniens aus der EU bevor.
DISKUSSIONSFORUM AUF DEM SCHLOSS
Als eine Dialogplattform versteht sich das Forum Heiligenberg, eine im vergangenen Jahr gegründete Arbeitsgruppe der Stiftung Heiligenberg. Ziel sei die Bürgerverständigung, sagt der Forumsvorsitzende Gerd Zboril. Mit den Veranstaltungen will die Arbeitsgruppe den öffentlichen Diskurs vor allem über Europathemen fördern. Nächster Termin ist der „Tee im Schloss“ am Freitag, 8. September. Im Mittelpunkt steht dabei Südtirol. Das nächste Diskussionsforum ist für November geplant. (wog)
Aufkommende nationalistische Strömungen, die Abschaffung der Kontrollorgane in Polen und Protektionismus bedrohen nach Einschätzung Lambsdorffs die Europäische Union von innen heraus.
„Wie soll trotz aller Probleme die Integration gelingen?“, wollte der Moderator, ECHO-Chefredakteur Lars Hennemann, wissen. Drei Handlungsansätze sieht der stellvertretende Europaparlamentsvorsitzende. Im Zentrum steht die Sicherheit, mit mehr Befugnissen für Europol und Frontex. Lambsdorff fordert zudem eine stabile Währung. Von einem Zuhörer auf Griechenland angesprochen, plädierte er dabei für den Austritt des Landes aus der Eurozone.
Für die Lösung der Wirtschaftsprobleme sieht Lambsdorff, ganz Liberaler, im Wesentlichen zwei Mittel: ein großer europäischer Binnenmarkt und Wachstum: „Kein Mengenwachstum, sondern ein intelligentes Wachstum.“ Im wirtschaftsliberalen Sinne antwortete der Freidemokrat auch auf die Frage eines „Pulse-of-Europe“-Aktivisten, wie es möglich sein könnte, den Wohlstand in Deutschland so zu nutzen, „dass es in Europa besser wird“. Man müsse sich den Wohlstand erwirtschaften, lautete die Antwort.
Eine klare Haltung hat Lambsdorff bei der Rolle Deutschlands. Ein Land allein könne die Aufgaben nicht meistern. Deutschland und Frankreich nähmen dabei seit jeher eine Vorreiterrolle ein. Diese „partnerschaftliche Führung“ sieht er allerdings gestört. Kritik übt er an Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Beim Atomausstieg und bei der Flüchtlingspolitik habe es keine Rücksprache gegeben. „Ein solcher Anruf darf nicht vergessen werden“, forderte Lambsdorff.
Unabhängig solch strategischer Fragen sieht der Europaparlamentarier den Zwang, die Menschen noch weiter für Politik zu interessieren. Den Populismus sieht er nämlich als Reaktion auf ein Misstrauen in demokratische Prozesse. „Es muss Transparenz geschaffen werden, und wir müssen liefern“, fordert er von sich selbst und seinen Kollegen in der Politik. Seine Maxime: „Die Menschen müssen das Gefühl haben, es geht gerecht zu.“