Bilder wie von einem anderen Planeten

Foto-Künstlerin Doris Schäfer (vorn im blauen Pullover) hat über 40 Jahre die Entwicklung im Steinbruch Roßberg künstlerisch begleitet. Foto: Melanie Schweinfurth Foto: Melanie Schweinfurth
ROSSDORF - „Nein, ich war nicht auf einem anderen Planeten“, sagt Doris Schäfer lachend auf die Frage einer Besucherin ihrer Ausstellung. Manchmal, fügt die Künstlerin an, habe sie sich auf der Suche nach Motiven aber durchaus so gefühlt, als betrete sie eine fremde Welt.
Doris Schäfer ist Fotografin, nutzt die Fotografie seit etwa 50 Jahren als künstlerisches Medium. Die bevorzugten Motive findet sie nicht an weit entfernten Plätzen, sondern direkt vor ihrer Haustür. Der „Roßberg“ am südöstlichen Rand der Gemeinde Roßdorf ist seit den frühen siebziger Jahren der Ort, der sie stets aufs Neue inspiriert, fasziniert und ihr künstlerisches Schaffen beeinflusst.
Dokumentation auch in geologischer Hinsicht
Für den Kulturhistorischen Verein Roßdorf geht die Arbeit von Doris Schäfer weit über die künstlerischen Aspekte hinaus. Denn die Bilder, die in mehr als 40 Jahren entstanden, dokumentieren die Entwicklung des Roßbergs in geologischer, ökologischer und kulturhistorischer Hinsicht.
„Die künstlerische Entwicklung von Doris Schäfer habe ich bewundernd verfolgt“, betonte Dr. Hans-Peter Harres, der zur Ausstellungseröffnung vor etwa 40 Gästen einleitende Worte sprach. Die wundervollen und exakten Zeichnungen von Pflanzen, Objekten und Gesichtern seien ebenso eindrucksvoll wie die Fotografien, die sich der „Schönheit des Verfalls“ widmeten. „Ihre Werke schlagen eine Brücke vom Werden zum Vergehen“, sagte Harres, der den Roßberg, die 45 Millionen Jahre alte Entwicklungsgeschichte des Vulkankegels und seine Nutzung als Steinbruch aus geowissenschaftlicher Sicht bestens kennt.
Das Unbekannte in einer vermeintlich vertrauten Umgebung zu entdecken und sichtbar zu machen, ist das Ziel der Roßdorfer Künstlerin. „Ich war schon als Kind oft im Steinbruch unterwegs, habe mit meinem Vater die Abbausohlen besucht“, erzählt sie.
Später hatte sie stets die Kamera im Gepäck, wenn sie den Roßberg zu allen Jahreszeiten aufsuchte, um dort die Wandlung der Natur und die Entwicklung des Geländes zu fotografieren.
Dabei entstanden keinesfalls bloße Abbildungen von Landschaft und Objekten. Vielmehr zeigen die Werke von Doris Schäfer fotografische Interpretationen der Lokalität, stellen die Realität in einen neuen künstlerischen Kontext und verändern die Wahrnehmung des Betrachters. Neben Collagen von Detailaufnahmen, die die 69-Jährige in den siebziger und achtziger Jahren noch analog fotografierte, Panoramabildern sowie Darstellungen von Pflanzen, Wasser und Erdreich gibt es ein Foto, das ein „Betreten-verboten-Schild“ zeigt. Dieses hat Doris Schäfer stets ignoriert.
Übers Betretungsverbot hinweggesetzt
Indem sie sich permanent über das Betretungsverbot hinwegsetzte, schuf sie etwas Einzigartiges von bleibendem Wert, denn vieles, was die Grafikerin und Mitbegründerin der Gruppe „Kunst von uns“ entdeckte und fotografisch festhielt, existiert heute nicht mehr.
Umso bedeutender sind ihre Werke für den Kulturhistorischen Verein, der die vor 240 Jahren begonnene Wandlung des Geländes zum Steinbruch und die Abbrucharbeiten – zuletzt durch die ehemalige Odenwälder Hartsteinindustrie – in den Fokus seiner historischen Dokumentation genommen hat.
Die Ausstellung mit dem Titel „Fotografische Aspekte des Basaltwerks im Vulkankegel des Roßbergs“ ist noch bis 5. November im Handwerksmuseum, Holzgasse 7, in Roßdorf zu sehen. Mehr Informationen: www.khvr.de