Der Reinheimer Wochenmarkt ist eine ganz eigene Welt
Von Melanie Schweinfurth
Metzgermeister Michael Gensler ist auf dem Reinheimer Markt ein Händler der ersten Stunde. Foto: Melanie Schweinfurth
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REINHEIM - Für Josef Sabiniarz beginnt der Reinheimer Wochenmarkt meist auf die gleiche Weise: Etwa zwei Stunden bevor die Beschicker vor dem Rathaus ihre Marktstände und Verkaufswagen öffnen und die ersten Kunden empfangen, kommt für den Marktleiter der aufwendigste Teil des Tages. „Für den Wochenmarkt hat die Stadt einen Teil des Rathausparkplatzes zur Verfügung gestellt. Jeden Donnerstagnachmittag ab 12 Uhr ist dieser Teil des Parkdecks für Autofahrer tabu“, erläutert Sabiniarz und deutet auf ein Parkverbotsschild. Seit der Wochenmarkt im Sommer 2014 unter dem Dach der „Marktgilde“ wiederbelebt wurde, sei dies vermutlich das am häufigsten „übersehene“ Verkehrsschild in Reinheim.
Mittlerweile hätten sich Ort und Zeitpunkt herumgesprochen, sodass nun fast immer ein freundlicher Hinweis darauf genüge, dass am Donnerstagnachmittag das Parkdeck für den Wochenmarkt benötigt wird. „Manchmal sehe ich die Autofahrer am Nachmittag sogar wieder, wenn sie sich auf dem Wochenmarkt umsehen – dann natürlich zu Fuß“, sagt der Marktleiter schmunzelnd.
Wochenmärkte seien eine ganz eigene Welt, denen sich viele Kunden erst einmal annähern müssten. „Mit dem Einkauf im Supermarkt oder Discounter ist das nicht zu vergleichen. Jeder Markt ist anders und hat einen eigenen Charakter“, findet Josef Sabiniarz. Zwischen Händlern und Kunden entwickele sich mit der Zeit ein vertrauensvolles Verhältnis, das sich nicht allein auf den Warenkonsum beschränke.
„Die Menschen interessieren sich füreinander, man redet über Allgemeines oder auch mal über persönliche Dinge. Manche Kunden melden sich sogar bei ihren Händlern ab, bevor sie in Urlaub fahren, damit sie sich keine Sorgen machen“, erzählt Sabiniarz. Diese Art des Einkaufens habe eine Jahrtausendealte Tradition. Praktisch seit die Menschen sesshaft wurden und Waren produzierten, gibt es Märkte, die von Dorf zu Dorf zogen.
Auf dem Land und in den Städten waren die fahrenden Kaufleute wichtig, denn sie brachten nicht nur Lebensmittel und Gewürze in die Ortschaften, die die Bewohner nicht selbst produzieren konnten. Auch Stoffe, Leder, Werkzeuge und Haushaltswaren waren nur an den Markttagen zu haben. Neben Kaufleuten schlugen auch Handwerker ihre Zelte auf den Marktplätzen auf, um Defektes zu reparieren.
Kaufleute und fahrende Händler schlossen sich im Mittelalter zu „Gilden“ zusammen, die die gemeinsamen Interessen der einzelnen Mitglieder vertraten. Heute gibt es wieder eine „Marktgilde“, unter der auch die Reinheimer Marktbeschicker vereint sind. „In den achtziger Jahren kamen große Einkaufszentren auf der grünen Wiese in Mode. Die Kunden hatten kein Interesse mehr am Einkauf auf dem Wochenmarkt“, erinnert sich Josef Sabiniarz. Für die Händler begann daher eine schwierige Zeit – manche Wochenmärkte erlebten einen deutlichen Rückgang, andere wurden ganz aufgegeben.
Um dem Schwund entgegenzuwirken, die Märkte für Händler und Kunden wieder attraktiv zu machen, wurde 1985 die deutsche Marktgilde gegründet. Neben Reinheim steht der Wochenmarkt in Babenhausen unter deren Ägide. „Die Gilde übernimmt für die Standbetreiber alle organisatorischen Aufgaben, kümmert sich um die Kommunikation mit den Kommunen, um die Plätze, um Technik und Strom. Außerdem sorgt sie dafür, dass alle gesetzlichen Vorgaben eingehalten werden“, erläutert der Marktleiter.
Für Metzgermeister Michael Gensler, der vom ersten Tag an einen Stand auf dem Reinheimer Markt hat, ist es vorteilhaft, für alle Fragen einen Ansprechpartner zu haben und sich neben seinem Kerngeschäft nicht noch um die Werbung oder Verhandlungen mit der Kommune kümmern zu müssen. Unter dem Dach der Gilde, die viel Organisatorisches übernehme, könne er sich ganz seinen Kunden widmen.
Zu diesen zählt Ottmar Schuchmann, der seit eineinhalb Jahren regelmäßig auf dem Reinheimer Wochenmarkt einkauft. Zu Obst und Gemüse, Fisch und Fleisch, Brot und Kuchen gebe es in unregelmäßigen Abständen besondere Angebote wie den Messerschleifer. „Die Kunden bekommen ab und zu kleine Aufmerksamkeiten wie Einkaufstaschen oder es gibt besondere Wochenmarkttage mit Spezialitäten aus den Reinheimer Partnerstädten“, berichtet er.