Einwohner tranken früher der Gesundheit zu Liebe auch billigen Wein. „Beym Nidel“ wurde die Leiche einer Kindsmörderin verscharrt.
Von Hans-Fritz Lang
Steinmauern erinnern in der Gemarkung Galgenberg nahe der B 426 bei Lengfeld noch an die vergangene Weinbauzeit.
(Foto: Guido Schiek)
Jetzt teilen:
Jetzt teilen:
HERING - Die Anfänge des Weinbaus am Otzberg liegen nach Untersuchungen des Heimatforschers Dr. Axel Gleue aus Hering weit zurück. Demnach stiftete im Jahre 1322 die Abtei Fulda vier Morgen Wingert zu Klingen für die neu zu bauende Kapelle auf dem Hering, gedacht als Besoldungszulage für einen Geistlichen. Aus dem Jahre 1454 findet Gleue im Hessischen Staatsarchiv eine Urkunde, die den an diese Fläche anschließenden Wingert auf Ober-Klinger Gemarkung betrifft.
Und in einer Steuerliste des Oberamtes Otzberg aus dem Jahre 1721 ist er auf alle noch vorhandenen Weingärten dieses Jahres gestoßen. So lagen sie auf dem Hering „Im losen Bangerth“ und „Auf der Bernarth“. Für Nieder-Klingen werden genannt „Die Kratz“, „Im Wingertsberg“ und „Die holler Wingert“ sowie „obid dem Läußbaum der Feldtwingert“ und „Die Haagweingärten“. In Ober-Klingen gab es „Die Bruchweingärten“ und Weingärten „In der Meilhecken“. Die Flächen der beiden Klingen gehören zu einer einst ausgedehnten Weinbaufläche am Westhang des Otzbergs, die auch den alten Heringer Pfarrwingert beinhaltete, erklärt Gleue. Die Weingärten östlich der Ortslage von Lengfeld blieben hier unerwähnt. Am Hang zum Otzberg aber lagen die Lengfelder „Geisweingärten“ und eine Fläche „Beym Nidel“, hat der Heringer Heimatforscher bei seinen Recherchen zudem erfahren.
Auch wenn die Lage einiger Weingärten in der Steuerliste als „gut“ eingestuft wird, geht er davon aus, dass es nicht um die Herstellung qualitativ hochwertiger Weine ging. „Aber auch Weine minderer Qualität waren der Gesundheit damals zuträglicher als das in den Dörfern geförderte Grundwasser“, macht Gleue deutlich und erinnert daran, dass zu Anfang des 20. Jahrhunderts die Haushalte in den umliegenden Gemeinden dann an Wasserleitungen angeschlossen waren und der Weinanbau am Otzberg damit endgültig zum Erliegen kam.
Anders sei die Situation auf der Veste Otzberg mit ihrem guten Brunnenwasser gewesen. Im Jahre 1714 hätten die Invaliden am Hang 13 Morgen Land zur Nutzung als Gartenfläche gerodet, wobei auch ein Wingert war, den der Kommandant privat nutzte. Erst im Jahre 1796 wurde er aktenkundig, als es am 23. Oktober zu einem „Diebstahl von Trauben im Garnisonsgarten“ gekommen war. Die Soldaten konnten sich Wein beim Marketender auf der Veste kaufen, den dieser aber nachweislich von auswärts bezog, weiß Gleue.
Die mit den Feldbereinigungen zu Beginn des 20. Jahrhunderts entstandenen Flurbezeichnungen würden auf ehemalige Weinbauflächen in den Otzberger Gemarkungen verweisen. So sei aus dem Lengfelder Weingarten „Beym Nidel“ der etwas kleinere „Galgenwingert“ geworden, und es liegt für den Heimatforscher nahe, dass die Bezeichnung auf die beiden Säulen des dortigen Galgens Bezug genommen hatte.
In diesem Zusammenhang berichtet er von einer Tragödie, die im Lengfelder Kirchenbuch festgehalten ist. Der Witwe Anna Catharina Heuß wurde nämlich im Jahre 1654 der Prozess wegen dreifachen Kindsmordes gemacht, was sie schließlich auch zugab. Sie hatte nacheinander ihre drei unehelichen Kinder nach der Geburt „jämmerlich mit ihrer eigenen Handt ermordet“ und beseitigt. Das Gericht erkannte auf Tod durch Enthaupten, das Urteil wurde 1655 auf dem Galgenberg vollzogen. Den Leichnam der Witwe Heuß verscharrte man in einem ihr gehörenden Teil des Weingartens „Beym Nidel“. Der Vollständigkeit halber erwähnt Gleue, dass der Erzeuger der ermordeten Kinder der gewesene Lengfelder Schultheiß und Familienvater Hans Flick war. „Nach Zahlung von 100 Thalern Strafe und öffentlicher Kirchenbuße wurde er zu seiner Frau entlassen und mehrte die Anzahl seiner Kinder“ so Gleue.
Zur Beantwortung der Frage, inwieweit der in den Otzberger Schankwirtschaften verzapfte Wein aus heimischem Anbau stammte, wirft Dr. Gleue abschließend noch einen Blick auf die kleine Ortschaft Hering. Die Abrechnung des sogenannten Ohmgeldes gebe Hinweise auf die damaligen Trinkgewohnheiten und lasse vermuten, dass Wein zugekauft werden musste.