HERING - Mitunter ist es im Café des Museums der Veste Otzberg so voll, dass Burgherr Rolf Tilly über mehrere Regalmeter hinweg den Besuchern des „Sächelchesmarkts“ die Preise zurufen muss. Eine Dame interessiert sich für neun Weingläser mit schwarzem Stiel. Eigentlich sind die edlen Gläser von einem namhaften Hersteller und entsprechend wertvoll, doch das Set ist nicht vollständig. 20 Euro scheinen Rolf Tilly und der Interessentin daher angemessen.
Bei der Preisgestaltung haben Fachleute geholfen
Zum Bezahlen sind mehrere Besucherhände nötig, die den Geldschein nach vorn reichen. So geht es jeweils am Samstag- und Sonntagmittag einige Zeit weiter. Die geblümte Vase, die schön geschliffene Karaffe, die Kaffeebecher im Retro-Stil: Für beinahe jedes „Sächelchen“, das auf dem Markt angeboten wird, findet sich ein Abnehmer. Von der zeitweiligen Enge inmitten der zahllosen Glas- und Porzellanteile lassen sich die Kaufinteressenten nicht abschrecken. Ganz Geschickte schlängeln sie sich an Tischen und Regalen voll zerbrechlicher Waren entlang, ohne dass ein Glas, eine Schale oder ein Teller zu Bruch geht.
Vorab hat Tilly die Preise recherchiert und weicht davon nur ungern ab. Immerhin hat er in einigen Fällen Hilfe von Experten der Fernsehsendung „Kunst und Krempel“ erhalten. Trotzdem gibt es hier und da Artikel, für die die Marktbesucher selbst den Wert festlegen können oder feilschen dürfen. „Wir nennen uns bewusst Sächelchesmarkt und nicht etwa Floh- oder Krammarkt. Denn alles, was hier an drei Wochenenden angeboten wird, hat eine einwandfreie Qualität und nicht nur für Sammler einen ideellen und monetären Wert“, erklärt der Burgherr.
Rolf Tilly und Dirk sowie Susanne Diehl vom Förderwerk Natur richten den Markt seit 2009 gemeinsam aus. „Die Hälfte der Einnahmen geht an das Förderwerk Natur, das mehrere Naturschutzprojekte in der Region unterstützt oder erst möglich macht. Die andere Hälfte fließt in den Unterhalt des Museums“, erläutert Rolf Tilly, während er mit einigen Desserttellern die Lücke schließt, die durch den Verkauf der neun Weingläser entstanden ist.
Verkauft werden gespendete Sächelchen, wobei die meisten davon aus Haushaltsauflösungen stammen. Viele Besucher seien Stammkunden; die Neukunden erkennt man leicht daran, dass sie beim ersten Anblick der vielen kleinen und größeren Schätzchen ein verzücktes Leuchten in die Augen bekommen. Denn wo findet man noch Holz-Mobiles, mit denen schon Oma und Opa in Kindertagen spielten oder Tischdekoration aus den 1920er Jahren in seltener Spritzguss-Technik gefertigt.
Wie Angebot und Nachfrage an den drei Wochenenden aussehen, weiß vorher niemand so genau. Denn ein Teil der antiken Schätze wird erst kurz vor Markteröffnung beim Burgherrn abgegeben.
Waltraut Beck wird bei den Geschirrserien fündig. „Ich bin aus Frankfurt gekommen, wo es zwar einige große Flohmärkte gibt. Ein so schönes Angebot in so heimeliger Kulisse findet man in der Großstadt dagegen kaum“, sagt sie.