Klaus Weiss (von links), Gisela Greiner und Stefanie Vetter gehören dem Bund der Vertriebenen an. Aus Anlass des 70-jährigen Vereinsbestehens gibt es derzeit eine Ausstellung in Groß-Bieberau. Foto: Ulrike Bernauer
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GROSS-BIEBERAU - Stefanie Vetter fällt allein wegen ihres Alters ziemlich aus dem Rahmen ihres Vereines. Sie ist Vorsitzende des Bundes der Vertriebenen (BdV) in Groß-Bieberau und mit 47 Jahren im Verhältnis zu den übrigen Mitgliedern sehr jung. Das hat aber auch seine Vorteile, Vetter ist sehr engagiert und wohl auch deshalb hat ihr Ortsverein aktuell noch 28 Mitglieder. Damit ist er der stärkste Ortsverband im Landkreis Darmstadt-Dieburg. Nieder-Ramstadt hat noch fünf Mitglieder, Gundernhausen noch vier und der Ortsverband Seeheim-Jugenheim ist in den Kreisverband übergegangen.
Erstaunlich ist diese Entwicklung nicht, die Ortsgruppe des BdV wurde von den Menschen gegründet, die in Groß-Bieberau nach der Vertreibung aus dem Osten eine neue Heimat fanden und von denen heute nur noch wenige am Leben sind. Auch Vetters Vater, Franz Latzel war Vorsitzender seit 1970. „Ich habe den Papa 2013 abgelöst“, sagt Vetter, „ich versuche den Verein am Leben zu erhalten.“
Für sie bedeutet der Bund deutsche Geschichte, die man nicht totschweigen sollte. „Der Bund ist wie eine zweite Familie für mich, ich war schon seit klein auf bei jedem Fest und jeder Veranstaltung dabei, ich kenne die Mitglieder mein ganzes Leben lang.“
ÖFFNUNGSZEITEN
Der Verein hat zu seinem 70-jährigen Bestehen im Foyer des Bürgerzentrums auch eine Ausstellung organisiert. Sie besteht unter anderem aus Fotos aus früheren Jahren, aber auch die Trachten, Karten oder Wappen aus den Gebieten, aus denen die Geflüchteten stammten. Die Ausstellung ist noch bis zum Sonntag, den 25. März, zu sehen, jeweils samstags von 10 bis 18 Uhr und sonntags von 10 bis 16 Uhr. (ube)
Vetter ist in Groß-Bieberau geboren worden, sie kennt die Vertreibung nur aus Erzählungen und das auch nicht besonders gut. Nach ihrer Erfahrung haben die Menschen, die vertrieben wurden, wenig erzählt, weil die Ereignisse so schrecklich waren. „Viele haben bis heute daran zu knabbern.“
Wie viele Flüchtlinge in den Nachkriegsjahren in Groß-Bieberau landeten, lässt sich heute kaum noch feststellen. Schätzungen gehen von 600 Menschen aus, das war ein Viertel der damaligen eingesessenen Bevölkerung. Die Geflüchteten waren aus 60 Landkreisen zusammengewürfelt, sie waren unter anderem ehemalige Sudetendeutsche, aus Schlesien, aus Ostpreußen, aber auch aus Jugoslawien oder Ungarn.
Die Geflüchteten wurden in die einheimische Bevölkerung integriert und haben dann auch Groß-Bieberau mitgeformt. So wurde die katholische Kirche 1957 gebaut, weil viele der Vertriebenen diesem Glauben angehörten. Eine Jugendgruppe wurde 1953 gegründet, die bis 1962 aktiv war. Vor dem Haßlochberg-Denkmal wurde ein acht Meter hohes Eichenkreuz errichtet. Viele Aktivitäten prägten das Vereinsleben, in den besten Zeiten hatte der Bund über 270 Mitglieder. Volkstumsabende, Fastnachtsveranstaltungen, Sonnwendfeiern und viele Feste wurden ausgerichtet. Heute trifft man sich noch zu Ausflügen, zur vorweihnachtlichen Gemeinschaftsstunde oder nimmt an der Kranzniederlegung des Volkstrauertags am Ehrenmal teil.
Klaus Weiss, Vetters Stellvertreter, ist mit seinen 70 Jahren der Generation der Geflüchteten noch näher. Er ist im Jahre 1988 mit seinem Vater in dessen ehemalige Heimat im Sudetenland, heute Tschechien gefahren. „Von dem Gehöft, auf dem mein Vater lebte, war kaum noch etwas übrig, dafür haben wir auf dem Friedhof noch Namen von unserer Familie gefunden. Es ist aber auf jeden Fall etwas anderes, das Gebiet zu sehen, aus dem meine Familie stammt, als es nur von der Karte zu kennen“, sagt Weiss.