Die Biologin Vera Gramm aus Griesheim ist mit Mann und Kind ein Jahr auf Weltreise
Von Vera Gramm
In der Mongolei lebt Vera Gramm zusammen mit Mann und Kind in einer Jurte, vor der die Ziegen grasen.
(Foto: Vera Gramm)
Jetzt teilen:
Jetzt teilen:
GRIESHEIM/ULAN BATOR - Eine Auszeit von einem Jahr hat sich die Griesheimer Vera Gramm genommen. Mit ihrer siebenjährigen Tochter Amalie und ihrem Mann Julian bereist die promovierte Biologin die Welt. Gemäß dem Motto: „Der Sonne hinterher.“ In unregelmäßigen Abständen berichtet sie davon im ECHO:
„Wir bestaunen die Weite, die Unendlichkeit, die Ruhe. Wir bewundern das einsame, entbehrungsreiche Leben auf dem Land, stapfen durch Sanddünen und lieben die Wüste Gobi. Nein, wir lieben die Mongolei: Mit drei Millionen Einwohnern, wovon über die Hälfte in der pulsierenden Hauptstadt Ulan Bator lebt, eines der ärmsten und am wenigsten besiedelten Länder der Welt.
Als kleine, dreiköpfige, Griesheimer Familie sind wir ein Jahr auf Rucksacktour in der Welt unterwegs. Im Juli 2018 starteten mein Musikermann Julian, unsere siebenjährige Tochter Amalia und ich (Ex-Wissenschaftlerin in der Krebsforschung) mit dem Zug Richtung Osten: durch Polen, Belarus, nach Moskau und mit der Transsibirischen Eisenbahn über Novosibirsk, Irkutsk, Ulan-Ude nach Ulan Bator.
Wir reisen low budget, nutzen die dritte Klasse, schlafen im 42-Mann-Zugabteil mit Einheimischen, lernen uns von mitreisenden Tieren nicht am Schlafen stören zu lassen, Toiletten nicht so wichtig zu nehmen und wohnen bei lokalen Familien. Dank der Plattform Couchsurfing.com. Ein Tausch ohne Geld: Wir dürfen am Familienleben teilnehmen und bringen im Austausch Musik, Abwechslung, deutsches Essen und einen Hauch der weiten Welt mit in ihr Haus.
So zelten wir am größten Süßwassersee der Welt, dem Baikalsee, und lernen die burjatische Kultur kennen: ein von den Mongolen abstammendes, zu Russland gehörendes Volk. Dann kommen wir in der Mongolei an: Unsere Heimat für zwei Monate.
Hier herrschen drei Monate Sommer und neun Monate Winter. Zunächst wohnen wir bei einer Couchsurfingfamilie, sodass Amalia Gelegenheit hat, mit Gleichaltrigen zu spielen. Zeichensprache und immer besser werdendes Englisch machen das Kommunizieren möglich. Danach leben wir in einer WG am Stadtrand.
Amalia unterrichten wir mit Genehmigung der hessischen Schulbehörde selbst. Mein Mann Julian gibt Workshops am staatlichen Musikkonservatorium, spielt in diversen Jazzbands und stockt somit unser Reisebudget auf, das wir durch fleißiges Sparen und mittlerweile durch fleißiges Bloggen generieren.
Wir bereisen Naturschutzgebiete der Zentralmongolei, leben bei Nomadenfamilien im Orkhontal. Wir reiten, lernen Ziegen melken und Schafe schlachten, trinken vergorene Stutenmilch und essen getrockneten Yak-Yoghurt.
In der Mongolei wird das gesamte Tier verwertet: Hirn und Augen gelten als Delikatesse. Zumeist gibt es im Winter Fleisch und im Sommer frische Milchprodukte. Auf dem Land fließt auch der Milchschnaps in Strömen. Die Mongolen sind ein stolzes Volk, voller gelebter Traditionen.
Im Herbst ergrünt die Wüste Gobi
Gerade die Wüste Gobi fasziniert in ihrem bunten Herbstkleid: winzige Sträucher, Gräser und die nur hier vorkommenden Soaxbäume färben sich leuchtend rot bis lila. Mineralvorkommen im Boden sorgen für rosa, gelbe oder grüne Schimmer bizarrer Felsformationen. Auch hier schneit es. Wir sind froh um die aus fünf Lagen bestehenden Wände der Winterjurten, bestehend aus gefilzter Kamelwolle.
Auch das Reiten von Kamelen lassen wir uns nicht entgehen. Wir dürfen mit einheimischen Familien auf deren Jurtenböden schlafen, befeuern die Öfen mit Kameldung und lernen einmal mehr, fließendes Wasser zu vermissen. Zumeist gibt es für die Nomadenfamilien ein Winter- und ein Sommerquartier, je nach Wasservorkommen. Die Kinder nehmen einen beschwerlichen Schulweg auf dem Pferderücken oder dem Motorrad in Kauf (25 Kilometer einfach sind keine Seltenheit).
Auch das reiche Ulan Bator lernen wir kennen: eingeladen zur Charityveranstaltung beim türkischen Botschafter, brunchend im fünf Sterne Kempinskihotel plaudern wir mit Botschaftern aus aller Welt. Zudem halten wir unseren ersten Vortrag vor Tourismusstudenten an der Universität Ulan Bator über unser Reiseleben. Doch die mitten in der Stadt platzierten Kohlekraftwerke machen im Winter das Atmen schwer: Gemäß unserem Motto „Der Sonne hinterher“ ziehen wir weiter über Peking nach Australien.“