Während andere Metzgereien schließen, geht die Metzgerei Hamm in die Offensive und schafft einen Food-Truck an. Foto: Andreas Kelm
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GRIESHEIM - "Man muss heute klotzen, um das Handwerk am Leben zu erhalten. Nur Metzger sein ist nicht genug", sagt Thiemo Hamm aus Griesheim. Der 46 Jahre alte Metzgermeister liebt seinen Beruf. "Weil er interessant ist, vielfältig und einfach das Schönste ist, was ich mir als Beruf vorstellen kann", schwärmt er.
Und weil er seine Begeisterung mit Fleischliebhabern teilen will, steht ein riesiger Foodtruck auf seinem Firmengelände in der Griesheimer Feldstraße. Der 600 PS starke Koloss dient derzeit als Verkaufsladen. Denn das Familienunternehmen Hamm baut um. Fleisch- und Wurstspezialitäten werden deshalb im Truck angeboten. Ebenso wie warme Speisen. Wer mag, genießt sein Essen auf der 30 Quadratmeter großen Dachterrasse des Aufliegers. Der "Event-Warrior" - so heißt das Gefährt - kommt an. "Manche Leute kommen nur, um sich den Truck anzuschauen", sagt Hamm.
Was die wenigsten wissen: Die Zugmaschine ist eine Hollywood-Berühmtheit und stammt aus einer Filmproduktion. In der Science-Fiction-Reihe "Transformers" war sie in mehreren Teilen zu sehen, sagt Hamm. Da habe das vier Meter hohe Fahrzeug freilich noch anders ausgeschaut. Die Lackierung hat Hamm ebenso seinen Vorstellungen angepasst wie den großen Auflieger. Der war vor Jahren als rollende Disco beim Christopher Street Day in Köln im Einsatz. Den großen Anhänger und die Zugmaschine haben Thiemo Hamm und sein Sohn Matthias (22) bei einer Show-Truck-Firma in Griesheim entdeckt.
"Eigentlich waren wir auf der Suche nach einem Trabi, den wir zum Verkaufswagen umbauen wollten", erzählt Hamm. Die Möglichkeiten, mit einer nostalgischen Stretch-Limousine auf Firmenfeiern, Privatpartys und auf Veranstaltungen für das Metzgerhandwerk zu werben, waren begrenzt, sagt Hamm. "Ziel war, ein Pendant für unseren Smoker zu schaffen. Wir haben gemerkt, dass es unheimlich gut bei den Leuten ankommt, wenn sie uns beim Zubereiten der Speisen zuschauen können." Das Ganz soll auf Augenhöhe geschehen. "Die meisten Verkaufswagen sind erhöht. Man reicht den Kunden die Waren nach unten. Das finde ich nicht schön. Und der Kunde sieht auch nicht, was sich hinter der Theke abspielt", sagt Hamm. Doch das werde immer wichtiger, ist seine Erfahrung.
Truck ersetzt zeitweise den Metzgerladen mit Restaurant
Dass ihn nun aber gut 600 PS und 40 Tonnen von seinem ursprünglichen Vorhaben eines Verkaufswagens trennen, sei einfach Schicksal gewesen. Nachdem sich Thiemo und Matthias Hamm in den Truck samt Auflieger verguckt hatten, begann die Planung. Sohn Matthias hat als Betriebswirtschaftler die Wirtschaftlichkeit des Projekts errechnet, Papa Thiemo organisierte Handwerker, die mit ihm den Traum vom "Event-Warrior" in die Tat umsetzten. Dabei hat der Metzgermeister Wert auf Regionalität gelegt und ausschließlich Betriebe aus der Umgebung beauftragt. Beim Ausbau kam die Erkenntnis: "Das, was wir machen, gibt es so noch nicht. Nirgendwo auf der Welt", sagt Hamm. Tipps für den Um- und Ausbau aus dem Internet: Fehlanzeige. "Wir haben uns alles selbst ausgedacht. Von der Verkleidung über die Anschlüsse, die Anordnung der Geräte, einfach alles", schildert Hamm.
Deshalb sei der Truck samt Innenleben nicht nur ein Unikat im Wert eines Einfamilienhauses, sondern auch der weltweit größte Foodtruck und einzigartig in seiner Bauweise. So groß die Begeisterung für den 600 PS-starken Metzgerladen ist, so ernst ist der Hintergrund für Hamms jüngste Geschäftsidee: "Wir waren von 27 Jahren noch 58.000 Metzger. Jetzt sind wir nur noch 7000. Die Zeiten kommen nicht zurück", sagt Hamm. Früher seien Metzger angesehen und wohlhabend gewesen. "Die Leute brauchten etwas zu essen, Metzger hatten Fleisch, verdienten gut damit". Diese Rechnung gehe schon lange nicht mehr auf. "Niemand braucht heutzutage Essen. Alle sind satt. Und suchen das Besondere." Der Foodtruck sei daher für ihn ein Mittel, um diesen Wunsch zu bedienen. "Natürlich verkauft man die Show mit", sagt Hamm.
Das Metzgerhandwerk zu puschen in Kombination mit interessantem und einzigartigem Catering soll auch den Familienbetrieb sichern. Denn Hamm hat zwei Söhne, die bereits mit anpacken. "Die könnte ich nicht für den Beruf begeistern, wenn ich sie nur zum Wurstmachen schicke", sagt er. Und nicht zuletzt hätten auch die kleinen Metzger etwas davon: "Wenn Menschen wieder mehr Bewusstsein für das Handwerk Metzger haben, dann bekommen wir alle mehr Kunden in die Läden".
Bis April ersetzt der 16,5 Meter lange und 40 Tonnen schwere Truck den Metzgerladen mit Restaurant. Wenn der Umbau fertig ist, will Firmenchef Thiemo Hamm bereits die nächste Idee umsetzen. Er hat sich zum Fleischsommelier ausbilden lassen und will im erweiterten Firmensitz Steak Tastings anbieten. Und natürlich sind er und sein Sohn Matthias auch mit dem Food-Truck unterwegs. Dafür haben beide einen Führerschein gemacht. Fast 30 Buchungen gibt es für den XXL-Imbisswagen allein bis Ende des Jahres.