Der Bariton Guido Weber sollte eigentlich mit „Phantom der Oper“ auf Tournee sein. Die Auftritte sind aufgrund der Pandemie abgesagt. Der Gesangslehrer kehrt in seine Heimat Eppertshausen zurück und konzertiert stattdessen in seinem Wohnzimmer. Gemeinsam mit dem brasilianischen Pianisten Giomar Stehel präsentierte er Werke von Franz Schubert. Eine Fortsetzung ist geplant.
Von Jens Dörr
Der Eppertshäuser Bariton Guido Weber gibt Konzerte in seinem Wohnzimmer. Bei den „Schubertiaden“ begleitete ihn Pianist Giomar Stehel.
(Foto: Jens Dörr)
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EPPERTSHAUSEN - Für die Zeit vom 2. Januar bis 13. März stehen auf der Website von Guido Weber Termine satt – noch: 34-mal sollte der diplomierte Opernsänger und Gesangslehrer aus Eppertshausen mit dem „Phantom der Oper“ durch Deutschland, Österreich und die Schweiz touren. „Leider wurde alles wieder abgesagt“, bedauert der 55-Jährige, der seit fast zwei Jahren nicht mehr auf der Theaterbühne gestanden hat. Den Kopf steckt er dennoch nicht in den Sand: Nach mehr als drei Jahrzehnten in der Fremde ist Weber in seinen Heimatort zurückgekehrt – und erhebt in Eppertshausen nun in ungewöhnlichem Ambiente buchstäblich seine Stimme.
Im Dezember meldete sich Weber mit zwei „Wohnzimmer-Konzerten“ im Odenwaldring künstlerisch dort zurück, wo er seine ersten 21 Lebensjahre verbrachte – Fortsetzung folgt. Weber wuchs in Eppertshausen auf, spielte in der katholischen Kirche St. Sebastian in jungen Jahren die Orgel. Schon als Teenager zeichnete sich aber ab, dass seine zentrale Ausdrucksform der Gesang werden sollte.
1980, noch als Schüler, begann er eine Gesangsausbildung an der Darmstädter Akademie für Tonkunst. Mitte der 80er sang er vier Jahre lang im Extrachor der Städtischen Bühnen Frankfurt, ehe es ihn 1987 zum Gesangsstudium bei Professor Sabine Kirchner an die Hochschule für Musik und Theater in Hamburg zog. Seit seinem Lied- und Lehrexamen 1994 arbeitet er mit seiner Stimmlage zwischen Tenor und Bass freiberuflich als Opern-, Operetten-, Musical- und Konzertsänger.
Ehe Corona die Welt – und ganz massiv seine Branche – erschütterte, war Guido Weber viel auf Tour, zuletzt besonders in Österreich. Bis Anfang 2020 blieb Hamburg sein Lebensmittelpunkt, dann kam eins zum anderen. „In meinem Fall ist privat viel passiert“, sagt der Sänger. Sein in Eppertshausen lebender Vater, der im Mai 2021 starb, hatte damals zunehmend Hilfe gebraucht. Corona legte die meisten kulturellen Veranstaltungen lahm, „und ich war wegen meines Vaters sowieso wieder vermehrt in Eppertshausen“. Der Mittfünfziger entschied sich zur Zäsur: Weber ließ seine Wohnung und Musikschüler in Hamburg zurück und zog wieder nach Südhessen.
In Eppertshausen wohnt er inzwischen nicht nur wieder im väterlichen Haus, sondern konzertierte Ende des Jahres auch erstmals dort. Das Wohnzimmer richtete Weber eigens dafür her und präsentierte vor je zwei Dutzend (auch am Sitzplatz maskierten) Besuchern Werke von Franz Schubert. „Der kleine Rahmen auf engstem Raum, das hat Kraft“, meint der Bariton. Begleitet wurde er vom brasilianischen, in Baden-Württemberg lebenden Pianisten Giomar Stehel. Beide stehen mit den Wohnzimmer-Auftritten durchaus in der Tradition des großen Komponisten: Schubert führte seine Werke vor allem in den 1820ern regelmäßig im privaten Rahmen auf; noch heute wird der Begriff „Schubertiade“ für Musikfestspiele und Konzertreihen verwendet.
Eine eigene Konzertreihe würde auch Guido Weber gern durchführen – in seinem Eppertshäuser Wohnhaus. „Für die beiden Hauskonzerte hatte ich 50 Karten gedruckt“, berichtet er. „Ich habe es ein paar Leuten erzählt, und ohne große Werbung waren sie in anderthalb Tagen weg.“ Auch atmosphärisch schwärmt der Sänger von den zwei Auftritten, bei denen er coronabedingt zwar auf einen allzu lockeren Rahmen mit anschließenden Umtrunk verzichtete, aber dennoch die Magie einer Live-Performance ohne technische Hilfe und nah am Zuhörer spürte: „Das war ganz intensiv“, schwärmt Weber. „Das Projekt geht auf jeden Fall weiter, zumal ich hier jetzt die Räumlichkeiten dafür habe.“
Noch stehen die Termine für die nächsten Schubertiaden im Odenwaldring nicht fest – erklingen sollen sie aber möglichst noch in den ersten Wochen des Jahres. Perspektivisch könnten es quartalsweise neue Programme werden, die er in seiner hauseigenen Location präsentieren will. Zumal kaum absehbar ist, wann sein Kerngeschäft, das Touren, wieder anläuft. Offen ist Guido Weber deshalb auch für neue Musikschüler, „vom Kind bis zum 70-Jährigen, denn man kann mit dem Singen in jedem Alter noch was für sich tun“. Generell hoffe er, „dass die Lage wieder besser wird“. Gesang auf professionellem Niveau, wie er ihn betreibt, sei „wie ein Sport, man muss jeden tag üben, was ohne Ziel aber nicht leicht fällt“. Auch die seit zwei Jahren miese finanzielle Lage freiberuflicher Musiker benennt der Eppertshäuser klar: „Wer nicht vorgesorgt hat, ist übel dran!“
Mehr zur künstlerischen Vita von Guido Weber gibt es online.