Frauen demonstrieren im und vor dem Darmstädter Landgericht
Von Marc Wickel
Gegen die ihrer Meinung nach ungerechte Behandlung von weiblichen Opfern demonstrieren vor dem Landgericht in Darmstadt Frauen. Anlass ist der Prozess gegen einen Mann, der eine Frau ermordet und die Leiche im Münsterer Wald abgelegt haben soll. Foto: Marc Wickel
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MÜNSTER/DARMSTADT - „Der Mörder ist bekannt!“, rufen am Donnerstag rund 20 Zuschauerinnen, die sich mitten in der Gerichtsverhandlung Schürzen mit politischen Slogans übergezogen haben. „Wir fordern Gerechtigkeit!“, skandieren sie.
Der Vorsitzende Richter Volker Wagner stoppte die Verhandlung und stand kurz darauf ohne Robe im Zuschauerraum. „Das geht nicht“, sagte er ruhig zu der Frauengruppe. „Entweder sie ziehen die Schürzen aus oder gehen raus.“ Die Sitzung gegen den 52 Jahre alten, türkischstämmigen Breuberger, der bestreitet, eine 47 Jahre alte, kurdischstämmige Frankfurterin umgebracht zu haben, war vorerst unterbrochen. Die Aktivistinnen, unter anderem aus den kurdischen Gruppen „Neue Frauen“ und „Kurdischer Frauenrat“ zogen für ihre Kundgebung vor das Darmstädter Landgericht.
Rednerin Kiymet Yildiz sagte, dass es ein Muster gebe, wenn Männer Frauen umbringen. Nachdem hier der mutmaßliche Täter gefasst wurde, sei erklärt worden, dass seine psychische Gesundheit nicht adäquat sei, erklärte Kiymet Yildiz. „Fast überall auf der Welt“ werde von Gerichten gleich argumentiert, wenn Frauen ermordet oder Opfer von Gewalt werden, betonte sie. Die psychische Labilität der Täter stehe im Vordergrund – und Frauen würden geringwertig dargestellt.
Yildiz kritisierte, „dass das System, in dem wir leben, nach den Bedürfnissen der Männer kreiert wurde“. Gewalttaten wie die Angeklagte resultierten aus einen patriarchalischen Verständnis und dem Sexismus.
Kurz nach der Kundgebung erschien die Polizei, fotografierte die Transparente und nahm Personalien der Frauen auf.
Die Verhandlung war inzwischen fortgesetzt worden. Mit Hilfe der Rechtsmedizinerin Dr. Constanze Niess versuchte das Gericht den Todeszeitpunkt einzugrenzen. Die Frau hatte zuletzt am 20. August 2017 mit ihren Töchtern telefoniert und war dann verschwunden. Der Angeklagte, der von den Töchtern der Polizei als letzter Kontakt geschildert worden war, war am 26. August im Elsass festgenommen worden. Und der Leichnam wurde am 1. September 2017 gefunden.
Bei der Obduktion war unter anderem festgestellt worden, dass sie Geschlechtsverkehr hatte. Spermien seien bei Toten nach zwei bis drei Wochen noch nachweisbar, berichtete Dr. Niess aus ihren Literaturrecherchen. Damit passten diese Befunde wieder zu den Daten ihres Kollegen Dr. Jens Amendt, der festgestellt hatte, dass der Leichnam zwischen dem 21. und 23. August von Insekten besiedelt worden war.
Ein Medikament mit Nebenwirkungen
Der Toxikologe Prof. Stefan Tönnes vom Frankfurter Institut für Rechtsmedizin hatte fleckige T-Shirts aus dem Auto des Angeklagten untersucht, und darauf unter anderem geringe Spuren des Neuroleptikums Clozapin gefunden. Der Angeklagte war damit wegen einer Psychose behandelt worden, bei der Toten hatte man es im Blut nachgewiesen. Eine Clozapinnebenwirkung ist Schläfrigkeit. Allerdings sei die Menge auf den T-Shirts so gering, dass Tönnes ausschloss, dass die Flecken erbrochene Clozapinreste waren. Für den Mediziner war es wahrscheinlicher, dass das Clozapin ausgeschwitzt worden war.
Der Prozess wird am Donnerstag, 28. Juni, um 9 Uhr fortgesetzt.