Beim Eppertshäuser Neujahrsempfang spricht Wolfgang Bosbach
CDU-Politiker Wolfgang Bosbach plädiert beim Neujahrsempfang in Eppertshausen mit Witz und einer Prise Selbstkritik für unbürokratische Lösungen.
Von Melanie Schweinfurth
CDU-Politiker Wolfgang Bosbach spricht beim Eppertshäuser Neujahrsempfang vor gut 300 Gästen.
(Foto: Melanie Schweinfurth)
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EPPERTSHAUSEN - Gut 300 Gäste sind zum Neujahrsempfang der Gemeinde Eppertshausen gekommen – weit mehr als je zuvor in der 13-jährigen Geschichte des Empfangs. Das große Interesse sei dem Gastredner geschuldet, vermutet Eppertshausens Bürgermeister Carsten Helfmann (CDU) und hat damit sicher recht. Die Stimmung unter den Gästen ist dementsprechend „erwartungsvoll“. Und sie werden nicht enttäuscht.
Mit dem CDU-Politiker und ehemaligen Bundestagsabgeordneten Wolfgang Bosbach tritt nicht nur ein Experte für die inneren Angelegenheiten Deutschlands ans Rednerpult. Auch rhetorisch erweist sich Bosbach als Experte. In seiner einstündigen Rede gelingt es ihm, mit rheinländischem Humor ein durchaus ernstes Thema unterhaltsam, anschaulich und auf Augenhöhe mit seinen Zuhörern zu erörtern.
Vielleicht sind es die kurzen, humoristischen Einschübe, die immer wieder Lachen und Applaus aufbranden lassen. Vielleicht ist es aber auch die Prise Selbstkritik, die Wolfgang Bosbach wohldosiert in seine Rede unter dem Titel „Halbzeit in Berlin – worauf es jetzt ankommt“ einfließen lässt. „Wir haben in Deutschland keine Politikverdrossenheit, sondern eine Politikerverdrossenheit“, meint er. „Denn man traut uns Politikern alles zu oder nichts.“
Der Verdruss sei Folge einer Politik, die kaum noch eine klare Haltung einnehme, die vage und unscharf bleibe. „Eine Haltung muss man begründen und erklären können. Doch anstatt zu erklären, belehren wir nur.“ Entsprechend sei viel Vertrauen in die Politik verloren gegangen. Mit schwerwiegenden Konsequenzen. In Politik und Gesellschaft erodiere die Mitte, während die Kräfte besonders am ideologisch rechten Rand erstarken.
„Dabei hat gerade Deutschland die Aufgabe, Maß und Mitte zu halten. Wir liegen geografisch in der Mitte Europas und beobachten, wie in den Ländern um uns Regierungen scheitern, Bündnisse instabil werden und Nationalismus aufkeimt. Es ist unsere Aufgabe, den europäischen Gedanken zu stärken“, sagt Bosbach. Es sei der Kerngedanke eines vereinten Europas, aus einstigen Feinden und Gegnern Freunde und Verbündete zu machen.
Der CDU-Politiker erinnert daran, dass die heute existierende Europäische Union mit 28 Mitgliedsstaaten aus einer Wirtschaftsgemeinschaft mit nur sechs Mitgliedsländern entstanden ist. Das gemeinsame Ziel dürfe nicht aus den Augen verloren werden. „Nur mit Zusammenhalt bleiben wir eine politisch und wirtschaftlich relevante Größe.“ Die Welt wandle sich rasant von einer produzierenden Industrie in Fabriken hin zu einer digitalisierten Informations- und Wissensgesellschaft.
„Wir sind ein rohstoffarmes Land, und wer nichts im Boden hat, muss was in der Birne haben“, sagt Bosbach. Monetäre Investitionen müssten nicht nur in akademische, sondern auch in berufliche Bildung fließen. „Innovationen fördern wir aber nicht mit mehr Geld, sondern mit kurzen, unbürokratischen Wegen. Wir müssen weg von jahrelanger Planung, hin zur schnellen Umsetzung.“
Als ein gelungenes Beispiel nennt er den Glasfaserausbau in Eppertshausen. Dieser markiere den Übergang von der alten Industrie zur digitalen Dienstleistungsgesellschaft.
Oder, wie es der gebürtige Bergisch-Glattbacher in typisch rheinländischer Saloppheit formuliert: „Noch in den achtziger Jahren hatten wir im Treppenhaus ein Telefon mit Kabel und Brokatbezug. Heute haben wir ein Smartphone, auf das wir im Schnitt 88 Mal pro Tag schauen, obwohl es oft gar nicht geklingelt hat.“
Gegen die oft skurrilen Nebeneffekte könne man nichts unternehmen. „Aber die Dynamik in den neuen Wirtschaftsbereichen dürfen wir nicht verschlafen.“