Der Abwasserverband Bickenbach/Seeheim-Jugenheim will Anlage ausbauen, wartet aber seit Monaten auf die Förderzusage. Das Pilotprojekt verzögert sich.
Von Wolfgang Görg
Lokalredakteur Darmstadt-Dieburg
Die Kläranlage Bickenbach soll um eine vierte Reinigungsstufe erweitert werden.
(Foto: Hans Dieter Erlenbach)
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BICKENBACH - Die Kläranlage in Bickenbach soll eine der effektivsten im Land werden. Dazu erhält sie eine vierte Reinigungsstufe. Sie entfernt selbst Mikrostoffe wie Medikamentenreste aus dem Abwasser. Aber das hessenweite Pilotprojekt stockt, weil eine Förderzusage des Landes auf sich warten lässt.
„Wenn wir den Bescheid haben, können wir loslegen“, sagt der Geschäftsführer der Anlage des Abwasserverbandes Bickenbach/Seeheim-Jugenheim, Jörg Stanzel. Sämtliche Vorplanungen sind erledigt. Jetzt müssen die Arbeiten ausgeschrieben und dann vergeben werden. Dafür aber muss Klarheit darüber herrschen, ob es Fördergeld gibt.
Das ist nicht wenig. Mehr als die Hälfte der Investitionskosten von fast sechs Millionen Euro soll aus Wiesbaden kommen – rund 3,3 Millionen Euro. Die anderen 45 Prozent übernehmen die Mitglieder des Abwasserverbandes: die Gemeinden Bickenbach und Seeheim-Jugenheim.
„Für einen Teil haben wir bereits einen Förderbescheid“, sagt Stanzel. 2,75 Millionen Euro sind dem Verband schon sicher. Denn der hatte nach den ersten Planungen vor wenigen Jahren bereits Fördermittel beantragt – und eine Zusage erhalten. Doch dann erfolgte im vorigen Jahr eine Umplanung. Zusatzkosten: fast eine Million Euro.
Auch die hätte Stanzel gerne zu 55 Prozent gefördert. Auf den Mitte vergangenen Jahres eingereichten Antrag hat er noch keine Antwort. „Das Land ist unser Tempo wohl nicht gewohnt“, mutmaßt der Geschäftsführer.
Im grün geführten Umweltministerium ist die Bearbeitung des Förderantrags noch nicht abgeschlossen. „Soweit die zusätzlichen Anlagen förderfähig sind, sollen diese auch gefördert werden“, sagt Ministeriumssprecherin Julia Stoye. Das Ministerium sei bemüht, zeitnah zu entscheiden.
Von der technischen Erweiterung verspricht sich der Verband eine zusätzliche Verbesserung der Anlage, durch die jährlich rund zwei Millionen Hektoliter Wasser fließen. Die vorhandene biologische Reinigung verfügt über einen Wirkungsgrad von 99 Prozent. „Es bleiben Spurenstoffe im geklärten Wasser“, sagt Geschäftsführer Stanzel. Besonders Medikamentenreste, Rückstände von Reinigungsmitteln oder Hormone können Kläranlagen nicht komplett dem Wasser entziehen. Da soll die vierte Reinigungsstufe helfen. „Zu 80 Prozent soll das gelingen“, nennt Stanzel als Ziel.
Dafür muss die Anlage aufgerüstet werden. Zwei zusätzliche Becken sind auf dem Kläranlagengelände im Westen Bickenbachs vorgesehen. Sie sind der biologischen Reinigungsstufe nachgeordnet. Im ersten Bassin wird Ozon in das Wasser gepumpt. Das Gas sorgt dafür, dass die im Wasser befindlichen Stoffe oxidieren und abgebaut werden, damit sie von der Aktivkohlefilteranlage im zweiten Becken besser absorbiert werden können. Dort rücken Mikrobakterien den Mikroschadstoffen zu Leibe.
Das Verfahren ist erprobt. Außerhalb von Hessen. Im bayerischen Weißenburg steht eine ähnliche Anlage. Gerade die dort gemachten Erfahrungen haben die Bickenbacher zum Umplanen bewogen. Dort ist der Ozonreaktor relativ schnell verschlammt und der Aktivkohlefilter verblockt. „Daraus können wir lernen“, sagt Stanzel.
Der Lerneffekt besteht aus einem zusätzlichen Filter, der zwischen biologischer Reinigungsstufe und Ozonbecken eingebaut, Feststoffe aus dem Wasser aufsammeln soll. Zudem hat sich der vorhandene Trafo für die bevorstehende Aufgabe als zu schwach erwiesen – ein neuer muss her. Zusammen mit dem Filter entstehen Zusatzkosten von knapp einer Million Euro.
Aber was passiert, wenn das Land davon nicht 550 000 Euro übernimmt? Erledigt ist das Projekt, das wissenschaftlich von der Bundeswehruniversität München betreut wird, nicht. Gegebenenfalls müssten Bickenbach und Seeheim-Jugenheim das zusätzliche Geld alleine aufbringen, um eines der saubersten Klärwerke Hessens zu errichten. Bis 2022 soll die neue Reinigungsstufe ihren Betrieb aufnehmen.