Langstadt feiert sein 750-jähriges Bestehen unter anderem mit einem Umzug
Von Melanie Schweinfurth
Darsteller aus der Zeit des Gründungsjahrs 1267 führten den Festumzug zum 750-jährigen Bestehen Langstadts an. Foto: Melanie Schweinfurth
( Foto: Melanie Schweinfurth)
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LANGSTADT - Die Szene im Garten des evangelischen Gemeindehauses von Langstadt erinnert ein wenig an Filme wie „King Arthur“ oder „Robin Hood“. Den Darstellern, die Ritter aus dem Hochmittelalter verkörpern und ihre Zuschauer mit „Kampf und Gemetzel“ unterhalten, fehlt es jedenfalls an nichts. Von den Schuhen übers Beinkleid bis zu Kettenhemd und Helmen, die einen Teil des Gesichts verdecken und den Rittern genau die Portion Mystik verleihen, die das Publikum erwartet, ist alles dabei.
Dazu kommt eine Prise Humor, die den Kampfszenen mit Schwert und Schild den Schrecken nimmt. Am Schluss werden unter „Jubel und Handgeklapper“ zwei tapfere Kinder zum Ritter geschlagen. Die Darstellungen der Drachenvolk-Mitglieder gehören in jene Zeit, in der der Ort Langstadt erstmals urkundlich erwähnt wurde. 750 Jahre ist es her und es ist durchaus möglich, dass im Jahr 1267 auch in der frisch gegründeten Siedlung Ritter unterwegs waren.
Geschichte begann im Hochmittelalter
Am Wochenende erfuhr ihre Epoche eine Renaissance, denn Langstadt feierte den Höhepunkt seines Jubiläumsjahrs mit einem zweitägigen Fest, bei dem alle bedeutenden Phasen der vergangenen 750 Jahre abgebildet wurden. Da die Geschichte Langstadts im Hochmittelalter begann, führen die Mitglieder des Vereins „Drachenvolk“ und der Interessengemeinschaft „Ranneberg“ in zeitgemäßer Gewandung den großen Festumzug an, der am Samstagnachmittag durch Langstadts Straßen und Gassen zieht.
FRÄNKISCHER ORT
Die Gründung von Orten mit der Endung „statt“ erfolgte häufig durch die Franken im sechsten und siebten Jahrhundert. 1223 schon wird ein Adliger namens Heinricius de Langenstad benannt. Um 1400 ist eine Langstädter Burg – ein befestigtes Haus – belegt. Die erste Erwähnung von Langstadt erfolgt 1267, als das Kloster Amorbach seine Güter an das Aschaffenburger Stift verkauft. (msc)
Ihnen folgen Vertreter aller Langstädter Ortsvereine, die mit dem Umzug nicht nur ihr Jubiläum feiern sondern auch eine einst beliebte und etwas in den Hintergrund geratene Tradition wieder aufleben lassen. „Früher begann jedes größere Fest in Langstadt mit einem Umzug, der am Bahnhof startete und durch den Ort bis zum Kirchenvorplatz lief“, erzählt Ortsvorsteher Günther Eckert. Auf dem Weg wurden die feierlustigen Langstädter quasi eingesammelt und zum Festplatz mitgenommen.
So ist es auch am Samstag. Der Startpunkt ist zwar verlegt worden, doch der Langstädter Bahnhof ist trotzdem gut repräsentiert. Der Trägerverein „Netzwerk Bahnhof Langstadt“ stellt gleich drei Zugnummern. Vorneweg Alexander Rutzika, der eine etwa 100 Jahre alte Gepäckkarre schiebt. Das historische Gefährt erlebte seine letzte Revision 1968, danach wurde er eingemottet und vergessen. Bis Eisenbahn-Fan Kai Werner die Karre im Rahmen der Bahnhofsanierung in Babenhausen die Karre wiederentdeckte.
Der ebenso begeisterte Eisenbahner Rutzika restaurierte das Gefährt und schob es nun, mit Koffern beladen, tapfer durch die nachmittägliche Hitze. Die drei Damen auf dem folgenden Wagen hatten es deutlich leichter. Sie stellten in bunten Kostümen drei Phasen der fast 150-jährigen Geschichte des Langstädter Bahnhofs dar. Den Schluss bildete eine Culemeyer-Zugmaschine, die Besitzer Erich Horvay vom Eisenbahnmuseum Kranichstein fuhr. Zwar ist die Zugmaschine vergleichsweise jung. Doch als ehemaliger Castor-Transporter hat sie eine spannende Zeit hinter sich.
Der TSV als Langstadts größter Verein brachte etliche Mitglieder aus allen Sparten auf die Straße. So liefen Nachwuchs-Fußballer neben Tischtennis-Spielern und Turnern. Manche, wie Frank-Ludwig Diehl, waren in doppelter Funktion dabei. Diehl ist leidenschaftlicher Karnevalist im TSV, lief aber auch für den Ortsverein des Naturschutzbunds mit. In mehrfacher Hinsicht unverzichtbar ist die Freiwillige Feuerwehr, die den Umzug und das anschließende Fest entlang der Hauptstraße mitgestaltete. Die Angler und der evangelische Posaunenchor komplettierten den Festumzug.
Während in einigen offenen Hofreiten Würstchen und Pfannkuchen brieten oder bunte Cocktails gemixt wurden, drängten viele Festgäste im evangelischen Gemeindehaus um die Modelleisenbahn und die Ausstellung, die die Geschichte Langstadts dokumentiert. Das älteste Foto der Schau stammt aus dem Jahr 1905 und zeigt die Schulklassen eines damals gefürchteten Lehrers. Bernd Bundschuh hat in jahrelanger Arbeit die historischen Aufnahmen der vergangenen 112 Jahre gesammelt und zu einer beeindruckenden Collage zusammengefügt.
Auf einem Bild aus den frühen fünfziger Jahren findet sich Liesel Mehring wieder. „Das war beim Kerbspruch“, erinnert sie sich. „Damals waren mehrere Hundert Langstädter auf den Beinen.“ So wie am vergangenen Wochenende.