Im Prozess um den Tod der beiden Mörlenbacher Kinder stehen die Eltern unter Mordanklage. Sie hätten gemeinschaftlich, heimtückisch und aus niedrigen Beweggründen gehandelt.
Von Marc Wickel
Im Gericht hat der Angeklagte die volle Schuld auf sich genommen. Die Staatsanwaltschaft nimmt ihm das nicht ab. Archivfoto: Sascha Lotz
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KREIS BERGSTRASSE - Zweimal lebenslänglich und jeweils die Feststellung der besonderen Schwere der Schuld wegen Mordes. Das fordert die Staatsanwaltschaft im Prozess um die getöteten Kinder von Mörlenbach für den Vater und die Mutter. Am Freitag haben im Darmstädter Landgericht die Schlussvorträge begonnen.
"Ich halte die Angeklagten für schuldig, dass sie gemeinschaftlich, heimtückisch und aus niedrigen Beweggründen ihre Kinder getötet und das Haus in Brand gesetzt haben", hatte Oberstaatsanwalt Klaus Tietze-Kattge sein Plädoyer eröffnet.
"Die Kinder mussten sterben, weil sich ihre Eltern als Opfer stilisieren wollten", sagte er. Deren Tod habe dem Amtsgericht und dem Insolvenzverwalter zeigen sollen, was sie mit der Zwangsräumung und dem Insolvenzverfahren angerichtet hätten. Zudem hätten die Eltern nicht sterben wollen, fand der Ankläger. Als Ärzte hätten sie gewusst, dass die Schlaftabletten nicht tödlich sein können. Und der Angeklagte habe als Sportwagenliebhaber gewusst, dass man sich nicht mehr mit Autoabgasen vergiften könne. "Das Feuer diente als Zeichen", erklärte Tietze-Kattge die Brandstiftung.
SCHRECKENSTAG
Gegen 7.15 Uhr am 31. August 2018 hatte ein Einfamilienhaus im Mörlenbach-Bettenbach gebrannt. Die Feuerwehr fand zwei tote Kinder und in der Garage die mit Schlaftabletten benebelten Eltern in einem Auto mit laufenden Motor. Die Eltern, ein Zahnärztepaar, hatten Schulden, ihr zwangsversteigertes Haus sollten sie am 31. August räumen. Am 22. März hatte vor dem Schwurgericht der Mordprozess gegen den 59 Jahre alten Vater und die 46 Jahre alte Mutter begonnen. (mawi)
Dass das Paar seine Kinder getötet hat und nicht der 59 Jahre alte Angeklagte alleine, wie dieser und die Frau im Gericht aussagten, schließt der Oberstaatsanwalt aus der ersten Aussage des Angeklagten, die als Audiodatei vorliegt. Die hatte er am Mittag des 31. Augusts noch im Krankenhaus gemacht. "Wir haben die Kinder getötet", hatte er da gesagt. Und auf Nachfrage des Polizeibeamten: "Meine Frau und ich." Der Kontext der Vernehmung zeige, "dass der Angeklagte voll orientiert war", sagte Klaus Tietze-Kattge und verwies auf die Gutachter zur Toxikologie und Psychiatrie. Allerdings hielt der Oberstaatsanwalt Aussagen, dass die Familie gemeinsam beschlossen habe zu sterben, für nicht wahr. "Es ist unvorstellbar, dass eine Zehnjährige und ein Dreizehnjähriger aus dem Leben scheiden wollten", fand er.
Dass der Angeklagte später im Gericht die volle Schuld auf sich nahm und seine Frau entlastete, ist aus Sicht der Oberstaatsanwalts "ein letzter Dienst" des Mannes für seine Frau - auch wenn diese nicht mehr mit ihm kommuniziert und ihn im Gerichtssaal auch nicht anschaut.
Klaus Tietze-Kattge geht aufgrund der letzten iPad-Daten des Jungen sowie des Brandgutachtens davon aus, dass die Kinder zwischen Mitternacht und sechs Uhr getötet wurden. "Der Brandgutachter hat gesagt, dass die Feuer maximal 60 Minuten gebrannt haben", sagte der Ankläger. Dass die Angeklagten die Taten unter dem Einfluss der Schlaftabletten begangen hatten, schloss er wegen der komplexen Tathandlungen mit Hammer, Messer und später Benzinverteilen aus.
Auf Freispruch für die 46 Jahre alte Mutter plädierte Verteidiger Sebastian Göthlich. Er wies darauf hin, dass seine Mandantin in der Nacht einen Rucksack mit wichtigen Unterlagen zu den Nachbarn gebracht habe, damit diese bei der Zwangsräumung nicht verloren gehen. Und als sie zurückkam, seien die Kinder tot gewesen. Deren Blut sei auf ihre Kleidung gekommen, als sie ihren Mann mit dem blutigen Messer angetroffen und sich von den Kindern verabschiedet habe. Göthlich verwarf die Aussage des Mannes im Krankenhaus, da habe der in seiner für ihn typischen Art "fasziniert von sich selbst fabuliert" und das unter Schlaftablettennachwirkungen. "Es ist fast das majestätische Wir, Pluralis Majestatis", versuchte Göthlich den Satz "Wir haben die Kinder getötet" zu entkräften.
Der Verteidiger des Vaters wird am Montag (17.) ab 9 Uhr plädieren.