Lorscher Unternehmer-Familien Abraham und Marx wird mit sieben neuen Stolpersteinen gedacht
Der Kölner Künstler Gunter Demnig verlegt am 27. Oktober sieben weitere Stolpersteine in der Klosterstadt.
Von Christopher Frank
Redakteur Bergsträßer Echo
Mit Stolpersteinen erinnert Lorsch an seine ehemaligen Mitbürger Claude Abraham, Johanna Abraham, Sigmund Abraham, Abraham Abraham, Mathilde Marx sowie Simon Marx (unten, von links). Von Lina Schnauzer existiert kein Foto mehr. Auf dem oberen Foto ist Abraham Abraham vor seiner Agentur des Norddeutschen Lloyd an der Kirchstraße zu sehen.
(Fotos: Heimat- und Kulturverein Lorsch / Familie Abraham)
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LORSCH - Bislang erinnern 19 Stolpersteine an fünf Standorten an ehemalige Lorscher Mitbürger, die in der Zeit des Nationalsozialismus verfolgt, ermordet, deportiert, vertrieben oder in den Suizid getrieben wurden. Am 27. Oktober kommen laut Mitteilung des Heimat- und Kulturvereins Lorsch sieben Gedenksteine hinzu, weitere sollen im nächsten Jahr an der Bahnhofstraße folgen.
Verlegt werden die Steine wieder vom Kölner Künstler Gunter Demnig, der das Projekt „Stolpersteine“ im Jahr 1992 vor dem Kölner Rathaus startete. Insgesamt haben Demnig und seine Mitstreiter laut der Projekt-Homepage www.stolpersteine.eu bislang rund 70 000 Steine (Stand: August 2018) in 1265 Kommunen Deutschlands und 21 Ländern Europas verlegt.
Freude bei Ehrenringträger Claude Abraham
In Lorsch werden die Künstler am 27. Oktober an der Kirchstraße 12 sowie an der Bahnhofstraße 33 tätig. Bei dem Anwesen an der Kirchstraße handelt es sich um das frühere Wohn- und Geschäftshaus der Familie Abraham. Die neuen Stolpersteine erinnern an die Familienmitglieder Abraham Abraham, Sigmund Abraham, Johanna Abraham sowie den Ehrenringträger der Stadt Lorsch (2001), Claude (Kurt) Abraham. Dieser freue sich ausdrücklich, dass es nun zu Verlegungen von Stolpersteinen für seine Familie komme. Aus gesundheitlichen Gründen müsse er jedoch auf die weite Anreise aus den Vereinigten Staaten verzichten.
Mit Stolpersteinen erinnert Lorsch an seine ehemaligen Mitbürger Claude Abraham, Johanna Abraham, Sigmund Abraham, Abraham Abraham, Mathilde Marx sowie Simon Marx (unten, von links). Von Lina Schnauzer existiert kein Foto mehr. Auf dem oberen Foto ist Abraham Abraham vor seiner Agentur des Norddeutschen Lloyd an der Kirchstraße zu sehen. Fotos: Heimat- und Kulturverein Lorsch / Familie Abraham
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Seit 1853 habe sich die Familie in drei Generationen einen so ausgezeichneten Ruf mit ihrem Geschäft erworben, dass die Lorscher die Straße bald „Süßkind-Gass’“ nannten – nach dem Begründer des Geschäftes, Süßkind Abraham.
Dessen Sohn Abraham Abraham, geboren 1854, baute Haus und Geschäft zu einem kleinen Kaufhaus aus, das später von Sohn Sigmund und dessen Ehefrau Johanna weitergeführt wurde. Schwerpunkte waren Stoffhandel und die angeschlossene Polsterei. Darüber hinaus führte Abraham Abraham über viele Jahre die von seinem Onkel Samuel im 19. Jahrhundert gegründete Auswanderer-Agentur des Norddeutschen Lloyd.
Jüngstes Familienmitglied ist der Sohn von Sigmund und Johanna Abraham, Kurt Abraham, der 1931 geboren wurde.
BESUCH AUS ISRAEL
Die Lorscher Bevölkerung ist zur Stolperstein-Verlegung am 27. Oktober eingeladen, Beginn ist um 11.30 Uhr. Es werden auch zwei Nachfahren der Familien Marx und Schnauzer aus Berlin und Tel Aviv nach Lorsch kommen. Versammlungsort ist der kleine Parkplatz an der Kirchstraße gegenüber der Hausnummer 12. (fran)
Die Abrahams waren laut Pressemitteilung „wie keine zweite Lorscher Familie vom Pogrom 1938 getroffen und zahlten anschließend einen enormen Blutzoll im Holocaust.“ Seine Kindheitserinnerungen daran hat Kurt, der heute Claude Abraham heißt und in Los Angeles lebt, in seinem Buch „Auf dem Floß“ nachdrücklich geschildert.
Von Abraham Abrahams sechs Kindern wurden drei samt ihrer Familien getötet. Die vier verbliebenen Familienmitglieder flohen 1939 nach Frankreich. Sigmund und Johanna wurden dort interniert und 1942 über Drancy nach Auschwitz verbracht und ermordet. Dem damals elfjährigen Kurt gelang allein die Flucht, Großvater Abraham erlebte im Versteck noch die Befreiung Frankreichs durch die Alliierten, ehe er 90-jährig im Exil verstarb.
Auch der zweite Verlegeort an der Bahnhofstraße habe, so heißt es in der Mitteilung, eine lange Tradition als jüdisches Lorscher Geschäftshaus: „1908 hatte Josef Marx das Geschäft von seinem Vater übernommen. Zusammen mit seiner Frau Mathilde [...] verkaufte er Betten, Bettfedern, Weißwäsche und andere Manufakturwaren.“ Nach Josefs Tod im Oktober 1935 lebten Mathilde, Sohn Simon und – nach ihrer Rückkehr aus Jena – Josefs ältere Schwester Lina (Schnauzer) zwar zunächst weiter in Lorsch, an eine Fortsetzung der Geschäftstätigkeit sei wegen des Judenboykotts aber nicht zu denken gewesen.
Simon Marx wurde zusammen mit anderen Lorscher Juden 1938 nach Buchenwald verbracht, wo ihm die Ausreise abgenötigt wurde. Es gelang ihm, ein Visum für die Vereinigten Staaten zu erhalten und noch nach Kriegsbeginn, im Dezember 1939, zu fliehen. Er starb 1962 in New York.
Mutter Mathilde und Tante Lina wurden hingegen im September 1942 nach Theresienstadt deportiert, wo Mathilde Marx nur sechs Monate später verstarb. Lina Schnauzer wurde von dort aus abermals deportiert und am 16. Mai 1944 in Auschwitz ermordet.