Das etwas andere Odenwälder Lärmfeuer erstrahlt am Windpark Greiner Eck und zaubert ein faszinierendes Farb-Spektakel an den Nachthimmel.
Von Astrid Wagner
Ein Windrad am Greiner Eck verwandelt sich in spektakuläres Licht-Zeichen.
(Foto: Sascha Lotz)
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KREIS BERGSTRASSE - Wo sie aufgestellt werden im Odenwald, treffen sie auf Widerstand: die Windräder. Das Image der alternativen Energieerzeuger mit den riesigen Rotoren ist alles andere als gut. Hoch über den Bergsträßer Gemeinden Neckarsteinach und Hirschhorn entstand der Windpark Grein der Energiegenossenschaft Starkenburg, auch hier blieben Proteste nicht aus. Am Wochenende aber, als im Odenwald zahllose Lärmfeuer lodern, ist es ausgerechnet ein Windrad, illuminiert durch den Bürstädter Künstler Tobias Rohatsch, das farbenfrohe Akzente setzt und viele verzaubert.
„Fahren Sie geradeaus in den Wald hinein“, hat Rudolf Schmitt von der organisierenden Feuerwehr Grein im Vorgespräch am Telefon dem ECHO-Team den Weg erklärt, das wegen der schweren Kameraausrüstung mit dem Auto bis zum Windrad fahren darf. Andere nutzen den Shuttleservice der Wehr. Viele laufen. Startpunkt für die meisten ist der Wanderparkplatz Kreuzschlag oberhalb des Neckarsteinacher Ortsteils Grein. Immer wieder tauchen einzelne Grüppchen aus dem Dunkel auf. Mit Taschenlampen bewaffnet, andere helfen sich mit dem Licht des Handys. Hie und da springt ein erschreckter Hase rasch davon.
Halb Drogenrausch, halb Science-Fiction
Während man im Auto sitzt und den Weg rät, kann man nur hoffen, dass Auswärtige, die zu Fuß unterwegs sind, nicht vom richtigen Weg abkommen. Die Beschilderung lässt ein wenig zu wünschen übrig. Eine Gruppe junger Menschen aus Langenthal rauscht heran: Einer sitzt auf dem Quad und zieht einen Anhänger voller Kollegen hinter sich her. Musik dröhnt. Die moderne Version von „Hoch auf dem gelben Wagen“, schießt es einem durch den Kopf.
IMAGEPOLITUR
Micha Jost, einer der Vorstände der Starkenburger Energiegenossenschaft, die das Spektakel finanziert hat, freut sich darüber, dass durch die Illumination dem Betrachter bewusst wird, dass so ein Windrad durchaus ein ästhetisches Bauwerk ist. Das Ganze sei auch ein Kampf ums Image.
Illuminationskünstler Tobias Rohatsch, bekannt durch „Felsenmeer in Flammen“, erklärt die Technik: Zwischen 60 und 70 Scheinwerfer verschiedener Art wurden um das Windrad installiert – die einen für die Fläche, die anderen für die Struktur. Auch ein Beamer kommt zum Einsatz für die Animation. Die Steuersoftware wurde daheim vorbereitet, der Rest geschieht in der kurzen Zeit zwischen Dämmerung und Dunkelheit vor Ort. Als Belohnung gibt es viele Ahs und Ohs, Schulterklopfen und Staunen. (rid)
Die Scheinwerfer des Autos durchschneiden die Dunkelheit. 20 Minuten Gehweg seien es, hieß es im Vorfeld. Nie und nimmer. Es geht stetig bergauf, wer nicht joggt, dürfte deutlich länger brauchen. Auf einmal ragt das erste Windrad in die Höhe. Dunkel und unbeleuchtet bis auf die roten Blinklichter, die die Flugzeuge warnen. Fast ein bisschen bedrohlich. Auf jeden Fall sehr mächtig.
Eine Wegbiegung weiter lösen sich die zwischenzeitlich aufkommenden Zweifel an der abenteuerlichen Aktion in Luft auf: Es ist der typische Wow-Effekt, der einsetzt, als man das beleuchtete Windrad sieht. Fast möchte man es herausrufen wie beim Feuerwerk: „Schau, jetzt ist es rot, jetzt grün, jetzt pink.“ In den Farben des Regenbogens leuchtend, ragt das Windrad aus dem finsteren Wald heraus, fast ein wenig psychedelisch anmutend, wie sich die Rotoren gemächlich drehen. Die Szenerie wirkt ein bisschen so, als wäre man inmitten einer Invasion Außerirdischer gelandet. Unheimliche Begegnung der dritten Art im Odenwald.
Mehr als hundert Meter entfernt hat man den besten Blick auf das Kunstwerk – und kann noch dazu den atemberaubenden Sternenhimmel bewundern. Da, ein Farbwechsel: Der Turm erstrahlt in blau-türkis, wenig später lassen einen gelbe Sonnen auf schwarzem Grund staunen. Der Lichtschein erinnert hin und wieder an ein tanzendes Nordlicht. Im nächsten Moment erstrahlt alles in Lila, es scheint, als würden weiße Kaulquappen den Turm hinauf zu den Rotoren klettern. Später wird gemorst. Wer den Satz errät, wird mit einem Preis belohnt. Pech: Das eigene Morsewissen beginnt und endet beim SOS-Zeichen.
Direkt unter dem Windrad, das jetzt in knalligem Grün erstrahlt, gibt es Bratwurst und Getränke, es sind weniger Menschen da als erwartet bei einem solchen Spektakel, aber die haben Spaß. Die Veranstalter sind zufrieden mit der Resonanz.
Einst wurden genau hier Lärmfeuer gezündet, bis die Brandgefahr zu groß war, erklärt Feuerwehrmann Rudolf Schmitt. Schließlich reifte die Idee der Illumination – und so kam es im vergangenen Jahr zu der leider verregneten Premiere eines modernen Lärmfeuers.