Es tut sich zurzeit etwas im Bereich des bargeldlosen Zahlens. Kleine Einzelhändler müssen zunehmend nachziehen, um den Anschluss nicht zu verlieren. Ein Selbstversuch in Heppenheim.
Von Robin Rieke
In Heppenheim bieten immer mehr Geschäfte bargeldloses Zahlen an. Auch kleine Bäckereien ziehen inzwischen nach.
(Foto: dpa)
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KREIS BERGSTRASSE - Wie wichtig ist Bargeld im Alltag heute noch? Ist Deutschland gar auf dem Weg in eine bargeldlose Gesellschaft, wie manche Experten sie seit Jahren fordern? In der Heppenheimer Innenstadt machen wir den Selbstversuch: Wie weit kommt man ohne Bargeld, in welchen Geschäften kann man mit Karte zahlen und in welchen nicht? Klar ist: Bei Discountern und großen Ketten ist die EC-Karte heute das dominierende Zahlungsmittel – auch an der Bergstraße.
Der Selbstversuch startet in der Bäckerei Grimminger in Heppenheim. „Nein, wir nehmen nur Bargeld“, sagt die Verkäuferin, erwähnt aber: „Wir haben eine Info zur Einführung von bargeldlosem Bezahlen bekommen.“ Wann es soweit sein wird, weiß sie aber nicht. Weiter geht es zur Filiale der Bäckerei Görtz an der B 3: Auch hier gibt es keine bargeldlose Zahlung – allerdings: „In anderen Filialen gibt es das schon, bei uns nicht“, bemerkt eine Verkäuferin. Im Café Kaufmann gibt es dann die erste Gelegenheit für das bargeldlose Bezahlen der Brötchen: „Ja, wir bieten Kartenzahlung schon seit sechs Jahren an“, sagt Nicole Mitsch. Einen Mindestbetrag gibt es hier nicht, auch Kleinbeträge können also mit Karte gezahlt werden. „Ich finde es toll“, sagt Mitsch, „es geht viel schneller und das ewige Problem mit dem Kleingeld ist erledigt“.
Jüngere Kunden sind an Technologie interessiert
Seit vier Monaten geht man hier sogar noch einen Schritt weiter: Auch das kontaktlose Zahlen ist im Café Kaufmann möglich. Das Bezahlen funktioniert dabei über einen Funkchip, der in der EC-Karte eingebaut ist. Mithilfe der sogenannten Near Field Communication (NFC), also einer Nahfeldkommunikation über Funk, kommunizieren so Karte und Lesegerät des Geschäfts miteinander – ein Einstecken der Karte ist nicht mehr nötig. Außerdem macht die neue Technologie auch ein Bezahlen per Smartphone möglich – wenn man die nötige App installiert hat. Auch in diesem Bereich sind die Discounter Vorreiter. Im kleinen, lokalen Einzelhandel ist kontaktloses Bezahlen bisher selten anzutreffen und „wird noch nicht viel genutzt“, wie Nicole Mitsch meint. Allerdings: Gerade jüngere Kunden seien an der Technologie sehr interessiert, sagt sie. Etwas weiter die Straße entlang findet sich mit Rauens Coffee Inn eine weitere Bäckerei, die auf das bargeldlose Bezahlen setzt: „Das ist die Zukunft“, ist man sich hier sicher.
STUDIE ZUM ZAHLUNGSVERKEHR
Die Deutsche Bundesbank veröffentlicht regelmäßig Studien zum Zahlungsverkehr in Deutschland – zuletzt 2017. Das Ergebnis: 74 Prozent aller Einkäufe werden noch immer bar bezahlt – auch wenn der Anteil seit Jahren sinkt.
Das betrifft vor allem kleine Beträge: Bis 50 Euro überwiegt die Barzahlung, bei Beträgen unter fünf Euro liegt sie sogar bei 96 Prozent. Aber: Beim Gesamtumsatz fiel die Barzahlung 2017 erstmals unter die 50-Prozent-Marke. Kontaktlose Zahlungsverfahren l iegen allerdings erst bei etwa einem Prozent, Online-Zahlverfahren wie Paypal bei vier Prozent des gesamten Umsatzes.
Übrigens: 88 Prozent der Befragten lehnen eine Abschaffung von Bargeld ab. (rori)
Es tut sich also zurzeit etwas im Bereich des bargeldlosen Zahlens. Kleine Einzelhändler in den Innenstädten müssen zunehmend nachziehen, um den Anschluss und Kontakt – gerade an die jüngere Generation – nicht zu verlieren. In manchen Geschäften ist Kartenzahlung aber auch schon lange etabliert: Die Metzgerei Horst Römer in der Innenstadt setzt seit zehn Jahren auf Kartenzahlung – allerdings mit einem Mindestbetrag von zehn Euro. „Es wird noch immer mehr bar gezahlt, aber der Kartenanteil nimmt stetig zu“, sagt die Verkäuferin. Auch in der Blumen-Passage kann man schon seit vielen Jahren mit Karte zahlen. Der Mindestbetrag beträgt zehn Euro. „Manchmal machen wir eine Ausnahme – aber unter fünf Euro geht Kartenzahlung auf keinen Fall, wegen den Gebühren“, sagt die Verkäuferin.
In der Buchhandlung May gibt es bei EC-Karten keinen Mindestbetrag – bei Kreditkarten liegt er allerdings bei 30 Euro. „Der Anteil der Kartenzahlung liegt bei etwa 40 Prozent, die Barzahlung bei etwa 60 Prozent“, sagt Irene Menninger. In der Weihnachtszeit würde sich das Verhältnis allerdings ändern – „dann liegt die Kartenzahlung bei mindestens 50 Prozent“, sagt sie. „Wenn die Kunden es wünschen, werden wir vielleicht irgendwann auf kontaktloses Bezahlen umstellen“, sagt Menninger. Für viele Kunden sei das Zahlen mit Karte bequem – „ein Kunde erzählte beispielsweise, wie es ihn nervt, in der Bäckerei immer nach Kleingeld gefragt zu werden“, so Menninger.
Sie sieht aber auch Probleme bei der Kartenzahlung. Da sei zum einen der Verlust der persönlichen Beziehung zwischen Verkäufer und Kunde: „Das Bezahlen mit Bargeld ist immer auch Kommunikation“, sagt sie. Und noch ein zweites wichtiges Problem nennt sie: „Jeder hat sich daran gewöhnt, Spuren zu hinterlassen. Man sollte das aber trotzdem auch mal hinterfragen“, so Menninger. Tatsächlich sehen Verbraucherschützer im bargeldlosen Bezahlen ein Datenschutzproblem – denn nicht immer ist klar, wer die Daten einsehen kann und wie sie geschützt werden.