Umweltschützer und Bauern an einem Tisch: In Heppenheim klagten BUND und Landwirte über den Flächenverbrauch. Von links: Willy Welti, Guido Carl, Herwig Winter (alle BUND) sowie Willi Billau, Axel Strauß und Peter Gheorgean vom Regionalbauernverband Starkenburg. Foto: Karl-Heinz Köppner
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HEPPENHEIM - . Der Regionalbauernverband Starkenburg und der Kreisverband Bergstraße im Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) fordern ein Bodenschutzgesetz. Der Flächenverbrauch sei soweit fortgeschritten, dass nicht nur die Natur in Gefahr sei. Die landwirtschaftlichen Betriebe seien in ihrer Existenz bedroht.
Der BUND-Kreisvorsitzende Herwig Winter sprach am Montag in Heppenheim von einer "historischen Pressekonferenz". Umwelt- und Bauernverband, die in den vergangenen Jahrzehnten oft auf Konfrontationskurs waren, hätten sich soweit angenähert, dass sie beim Thema Flächenverbrauch mit einer Stimme sprechen können. Jeder neue Supermarkt, jedes Gewerbegebiet, jede Neubausiedlung und jede Umgehungsstraße gehe zu Lasten von Natur und Landwirtschaft. Flächen dürften nur noch dann versiegelt werden, wenn im Gegenzug ein entsprechend großes Stück Land entsiegelt wird, sagte Winter.
Durch intelligente Planung müsse sichergestellt werden, dass wirtschaftliche Entwicklung und Wohnungsbau ohne Bodenneuversiegelung auskommt. Statt dessen müssten gewerbliche Brachflächen und Baulücken in Anspruch genommen werden. Zu einem verantwortungsvollen Umgang mit Flächen gehöre, dass auch in Gewerbegebieten mehrgeschossig gebaut wird.
"Wir leben mit der Natur und von der Natur", so leitete Willi Billau, Vorsitzender des Regionalbauernverbands, seine Rede ein. Er rechnete vor, dass pro Tag allein in Südhessen zwei Hektar Fläche verloren gehen. Das entspricht der Größe von drei Fußballfeldern. Weil es in der Region nur 60 000 Hektar Ackerfläche gibt, wäre rechnerisch die landwirtschaftliche Nutzfläche in 83 Jahren aufgebraucht. "Das wäre die Apokalypse", sagte Billau.
Landwirte und Umweltschützer sind sich einig, dass das Thema Flächenverbrauch in einem globalen Zusammenhang gesehen werden muss. In Europa könnten die Bürger - was Lebensmittel betrifft - nur im Überfluss leben, "weil wir in den Hungerländern produzieren lassen". Futtermittel für die deutsche Landwirtschaft stammen zum großen Teil aus Entwicklungsländern. Niemand dürfe sich wundern, wenn sich Menschen aus solchen Gebieten als Flüchtlinge auf den Weg nach Europa machen.
"Wir wollen bäuerliche Landwirtschaft in der Region für die Region", sagte Winter. Billau: "Wir steuern sonst auf eine ökologische Katastrophe zu. Für jeden Hektar, der hier verschwindet, braucht es mindestens zwei Hektar brasilianischen Regenwald, der gerodet werden muss, weil die Böden dort nicht so fruchtbar sind wie unsere."
Billau machte am Beispiel seiner Heimatstadt Lampertheim deutlich, wie der Flächenverbrauch fortschreitet. Dort seien in den vergangenen 15 Jahren 229 Hektar Anbaufläche verloren gegangen. Als weitere Beispiele nannte Billau das Heppenheimer Gewerbegebiet Tiergartenstraße Süd sowie die Pläne für die Umgehungsstraßen im Lampertheimer Stadtteil Rosengarten (B 47) sowie in Mörlenbach (B 38). In beiden Fällen spricht sich der BUND dafür aus, die neuen Straßen in einem Tunnel oder in einen Trog zu verlegen. In Mörlenbach sei die Tunnellösung außerdem 750 Meter kürzer. Bei 20 000 Autos pro Tag würde das zu einer Verringerung des Verkehrsaufkommens um 15000 Kilometer führen.
BUND-Vorstandsmitglied Willy Welti warnte vor einem "Wettlauf der Gemeinden um immer neue Gewerbegebiete". Sein Kollege Guido Carl berichtete davon, dass der BUND die Haltung der Parteien und Gruppierungen zum Thema Flächenverbrauch erfragt habe. Viele der Kommunalpolitiker hätten ausweichend geantwortet. Offenbar sähen sie Wiesen und Felder als Teil ihres Gestaltungsspielraums. Bauernverbands-Geschäftsführer Peter Gheorgean fasste zusammen: "Der Flächenverbrauch ist alarmierend. Wir erleben Tag für Tag einen Angriff auf Grund und Boden".